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Ein Protest gegen die Bedingungen im Kakauanbau 2014 in Berlin. © cc-by-sa inkota

Bittere Schokolade: Verhältnisse im Kakaoanbau bleiben desolat

Daniela Gschweng /  Ein Einkommen, von dem man leben kann, keine Kinderarbeit, Umweltschutz – beim Anbau von Kakao fehlt es seit Jahrzehnten an allem.

Kakaobauern in Westafrika sind nicht zu beneiden. Obwohl die ganze Familie mitarbeitet, reicht bei den wenigsten das Geld. Die Preise schwanken stark, und wenn Bauern nicht genügend Arbeiter finden oder diese nicht bezahlen können, müssen die Kinder mithelfen.

Viel habe sich daran in den letzten zwanzig Jahren nicht geändert, schreiben die Autor:innen des diesjährigen «Kakao-Barometers». Kakaoanbau ist weltweit verbunden mit Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Umweltzerstörung, Pestizidverschmutzung. Ein wesentlicher Grund dafür ist Armut.

Tatsächlich seien über die Jahre noch einige Probleme dazugekommen. Der Pestizideinsatz im Kakaoanbau bleibe hoch, während die Böden immer weniger hergeben. Die Teuerung mache es für Kakaobauern noch schwerer, ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Armut und Klimawandel führten zur Zerstörung der Wälder, und die Artenvielfalt leide unter allen dreien. Der Report wird alle zwei Jahre von einem Zusammenschluss internationaler Organisationen herausgegeben, darunter der WWF und Public Eye.

Kakaoanbau frisst die letzten Wälder

Kakao gedeiht in tropisch-feuchtem Klima und wird vor allem im «Kakaogürtel» rund um den Äquator angebaut. Obwohl die Pflanze aus Südamerika stammt, kommen nur 20 Prozent der globalen Produktion von dort. Etwa 70 Prozent der weltweiten Ernte werden im Westen Afrikas produziert, 60 Prozent allein in Ghana und der Elfenbeinküste.

Für die Anbauländer bleibt das nicht ohne Folgen: Westafrika hat mittlerweile 90 Prozent seines Regenwalds verloren. Zur Schaffung neuer Ackerflächen holzen Bauern den Wald oft illegal ab, die Abholzungsrate ist höher als am Amazonas. An der Elfenbeinküste wird der Wald bis 2024 vermutlich komplett verschwunden sein. Für viele Wildtiere gibt es keinen Ort mehr, an dem sie leben können.

Bisherige Lösungsansätze greifen zu kurz

Einer der am häufigsten Lösungsansätze für diesen zerstörerischen Kreislauf sei es, die Kakao-Ausbeute durch agrarwirtschaftliche Verbesserungen zu erhöhen oder die Produktivität zu steigern, resümiert das «Kakao-Barometer». Als alleiniger Ansatz reiche «besser Wirtschaften» aber nicht aus. Trotz zahlreicher durchgeführter Projekte gingen die Ernten mancherorts sogar zurück.

Eine grössere Ernte und mehr Arbeitsstunden haben in Ghana und der Elfenbeinküste kaum einen Effekt auf das Einkommen der Bauern, führt das Barometer aus. Die Mehrheit der Bauernfamilien lebt unter der Armutsgrenze. Um existenzsichernd zu sein, müsste sich ihr Einkommen verdoppeln bis verdreifachen. Unternehmen wie Cargill und Mondelez schrieben 2021 dagegen Rekordgewinne.

Dreh- und Angelpunkt sind die Erzeugerpreise

Die hohe Inflation verschlimmert die Lage der Bauern und Bäuerinnen. Es bleibt ihnen beispielsweise nichts anderes übrig, als die Kinder mitarbeiten zu lassen – einer der Gründe, weshalb selbst bei zertifizierter Schokolade Kinderarbeit beteiligt sein kann. Obwohl Kinderarbeit meist als wichtigstes Problem im Kakaoanbau genannt werde, gibt es laut dem Barometer in diesem Bereich aber Fortschritte.

Nur wenige Bauern gehen das Risiko ein, in die Plantage zu investieren. Der Kakaopreis ist notorisch unzuverlässig und schwankt stark, eine Binnennachfrage gibt es in Westafrika kaum. Eine höhere Ausbeute lässt langfristig auch die Preise sinken, was am Ende dazu führen kann, dass höhere Produktivität sogar mehr kostet.

Diversifizierung, ein anderes Rezept, um weniger vom Kakao abhängig zu sein, scheitert ebenfalls an Armut. Setzt ein Bauer auf ein anderes Produkt, muss er ebenfalls investieren und trägt das Risiko. Und oft verdient er mit der Alternative ebenfalls zu wenig.  

Eine Vergrösserung der meist kleinen Farmen ist den Daten zufolge auch kein Weg. Mehr Fläche hiesse mehr Arbeitskraft, die der Haushalt nicht aufbringen kann. Oder die Bauern brauchen Angestellte, die sie bezahlen müssen, noch bevor die Ernte eingebracht ist.

Kritik an den bestehenden Programmen

Umweltprogramme, wie etwa solche für Agroforstwirtschaft, zahlten sich ebenfalls nicht aus. Entweder, weil sie zu unambitioniert seien, uneinheitliche Masstäbe verwendeten oder nicht durchgesetzt würden, kritisieren die Autor:innen. Projekte gingen auch oft an den Kakaobauern vorbei und dienten eher den Unternehmen, die Kakao verarbeiten und weiterverkaufen. Oft hätten Bäuer:innen nur die Wahl, an einem vordefinierten Projekt teilzunehmen oder nicht.

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Kostenanteile des Rohkakaos in einer Tafel Schokolade – gerade 7 Prozent gehen an die Kakaobäuer:innen.

Dreh- und Angelpunkt sind die niedrigen Erzeugerpreise. Es scheine, als ob sich alle Beteiligten abgesprochen hätten, dass ein Kakaobauer arm sein und arm bleiben müsse, schreiben die Autor:innen des Kakao-Barometers. Die grossen Marktteilnehmer jedenfalls bewegten sich kaum.

Da helfen auch keine Labels

Obwohl zwischen einem Drittel und der Hälfte der weltweiten Kakaoernte zertifiziert ist, haben Zertifizierungen die Armut bisher kaum gelindert. Unternehmen und Einzelhändler neigten dazu, zum günstigsten verfügbaren Label zu greifen. Das erhöhe den Preisdruck für alle anderen. Auch Bauern und Bäuerinnen, die für zertifizierte Marken arbeiten, können ihre Grundbedürfnisse nicht decken.

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Für ein existenzsicherndes Einkommen müsste der Kakaopreis für die Erzeuger an der Elfenbeinküste fast dreimal so hoch sein wie der staatliche Mindestpreis und doppelt so hoch wie der Fairtrade-Mindestpreis.

Die Einkommensunterschiede zwischen Kakaobauern, die zertifizierten Kakao verkaufen und denen, die konventionell arbeiten, sind sehr gering, zeigt eine Studie des Forums Nachhaltiger Kakao im Auftrag der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ).

Die Bedeutung von Zertifizierungsstandards habe ohnehin eher abgenommen, findet das «Kakao-Barometer». Verbessert habe sich allenfalls die Transparenz.

Irreführende Label-Bezeichnungen

Zertifizierte Schokolade sei auch nicht automatisch nachhaltig, egal, ob es sich um eine Fairtrade-, Rainforest-, ISO/ARSO-, Bio- oder eine andere Zertifizierung handle. Die Begriffe «nachhaltig» und «zertifiziert» als gleichbedeutend zu präsentieren, sei schlicht irreführend, kritisiert das «Kakao-Barometer».

Das Barometer macht zahlreiche Vorschläge, wie sich die desolate Lage in Westafrika verbessern lässt. Sie reichen von der Einführung einer Rente für ältere Bauern bis zu gesetzlichen Preisvorgaben für Kakao. Grundsätzlich müssten alle am Kakao-Markt Beteiligten mehr tun, um die Missstände zu beenden, resümieren die Autor:innen. Neue Gesetze zur Verbesserung der Lieferkettentransparenz, etwa seitens der EU, sieht der Report positiv.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Bio_Label

«Fair Trade» und «Bio»

Viele zahlen für fairen Handel und für echte Bio-Produkte gerne mehr. Das öffnet Türen für Missbrauch.

AfrikaHilfe

Afrika: Ausbeutung und Hilfe

Die Industriestaaten profitieren von Hungerlöhnen und Kinderarbeit. An Korruption sind sie oft beteiligt.

Hunger

Hunger und Fehlernährung weltweit

Alle Menschen auf der Erde können sich nicht so ernähren wie wir. Der Kampf um fruchtbare Böden ist im Gang.

Bildschirmfoto20120807um11_24_46

Menschenrechte

Genügend zu essen. Gut schlafen. Gesundheit. Grundschule. Keine Diskriminierung. Bewegungsfreiheit. Bürgerrechte

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2 Meinungen

  • am 17.12.2022 um 19:37 Uhr
    Permalink

    Ich glaube, der österreichische Hersteller Zotter macht es erfolgreich anders: https://www.zotter.at/das-ist-zotter/bio-fair-green/fair Aber auch hier weiß man natürlich nicht wie gut alles vor Ort kontrolliert wird. Man muss auf die Redlichkeit der Hersteller vertrauen, die bei kleineren Produzenten vielleicht eher gegeben ist. Angeblich gibt es Afrika fast keine Kakao- und Kaffeeveredelung; d.h. die müssen Schokolade und Kaffee teuer importieren, obwohl die Veredelung der Rohstoffe vor Ort einen Bruchteil kosten und viele Arbeitsplätze schaffen würde. Angeblich stehen da auch wieder Kartelle dahinter, die genau das verhindern und das gute alte Kolonialprinzip «billige Rohstoffe raus – teure Fertigprodukte rein» praktizieren. Ingesamt fährt man wohl besser, wenn man Produkte von Konzernen meidet, auch wenn die Monstertoblerone wie nix weggefr…. wird.

  • am 17.12.2022 um 22:52 Uhr
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    Danke für den informativen aber frustrierenden Beitrag!
    Im Grunde ist es zum Verzweifeln: wie soll man in dieser Welt noch leben, ohne an Ausbeutung, Krieg, Erderhitzung, Artenausrottung und anderen Greueln als Konsument oder Steuerzahler beteiligt zu sein?

    Wie so vieles ist auch das Kakaogeschäft ein moderne Form des Kolonialismus, nenn es heute auch «Kapitalismus» oder etwas verkappter «Marktwirtschaft».
    Was ist das für ein angeblicher «Markt», in dem völlig machtlose, abhängige Lieferanten wenigen Konzernen gegenüberstehen, die den «Markt» absolut beherrschen und Preise diktieren?

    Dieses System ist überall präsent. Am übelsten scheinen weltweit die Urproduzenten dran zu sein.

    Mit weit weniger drastischen Folgen, aber im Prinzip dasselbe, passiert doch hierzulande in den Wäldern: Seit mehr als 30 Jahren sinken real (! – fast 100% Inflation seit 1990) die Rundholzpreise, liegen heute bei etwa 50% von 1990.

    Ein Brett im Baumarkt kostet oft mehr als ein ganzer Baumstamm im Wald!

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