Energie verschwenden mit Demeter
198 Seiten umfassen die Demeter-Richtlinien. Allein das Inhaltsverzeichnis erstreckt sich über 11 Seiten. In den Richtlinien schreibt der Schweizerische Demeter-Verband den Produzenten vor, wie sie arbeiten müssen, damit sie die Labels «Demeter» und «Biodynamisch» verwenden dürfen.
Im Rhythmus
Grundsätzlich gelten die gleichen Vorschriften wie für die Bio-Produkte mit Knospe. Hinzu kommen allerdings viele Besonderheiten, die für Laien nicht leicht nachvollziehbar sind. So gehört dazu auch der «Einbezug der kosmischen Rhythmen in Erzeugung und Tierhaltung». Die Landwirte arbeiten laut den Richtlinien «bewusst mit den Kräften, die aus dem Kosmos und der Erde auf die Pflanzen einwirken». Und sie wissen: «Wasserverbesserung durch Rhythmisierung kann vorteilhaft sein.»
Der Verband fasst es auf seiner Website kurz zusammen: «Wer Demeter einkauft, weiss, dass dahinter eine konsequent naturnahe und nachhaltige Landwirtschaft und Verarbeitungsweise steht.»
Tiefgekühlt und aufgebacken
Doch ist das wirklich so? Die Migros verkauft neuerdings ein «Demeter-Mühlebrot» zum stolzen Preis von 13 Franken pro Kilo. Interessant ist die Rückseite des Brotsacks. Da steht zwar: «Demeter-Lebensmittel sind im Einklang mit der Natur und in höchster Qualität produziert.» Da steht aber auch: «Ofenfrisch: für Sie vor Ort aus einem tiefgekühlten Produkt fertig gebacken.»
Aus der Grossbäckerei
Wichtig zu wissen: Das Brot stammt von Fredy’s in Baden AG – einer Grossbäckerei mit 150 Angestellten — und nicht aus einer der Hausbäckereien, welche die Migros in 130 Filialen betreibt. In der Grossbäckerei Fredy’s werden die Brote nur zu zwei Dritteln gebacken und anschliessend – noch heiss – bei minus 40 Grad schockgefroren.
Tiefgekühlt gelangen sie dann in die Migros-Verteilzentren. Von da verteilt sie die Migros in die Filialen. Dort kommen die Brote, ohne dass sie vorher aufgetaut worden wären, in den Ofen und werden bei 200 Grad während 15 bis 18 Minuten fertiggebacken.
So vorgesehen
Das Problem ist der Energieverbrauch. Laut einer deutschen Studie braucht die Herstellung solcher Brote vier Mal so viel Energie wie die Produktion normaler Brote.
Diese Energieverschwendung ist in den Demeter-Richtlinien vorgesehen: «Das Gefrieren von Broten/Backwaren, welche die erste Backphase (komplette Krumenbildung) abgeschlossen haben, ist erlaubt.»
Doch wie passen Energieverschwendung und «Einbezug der kosmischen Rhythmen» zusammen? Der Demeter-Verband schreibt gegenüber Infosperber: «Beim angesprochenen Brot wird ausschliesslich Schweizer Demeter-Getreide verwendet. Dies ist ein ökologischer Pluspunkt, der den höheren Energiebedarf etwas ausgleicht.» Zudem werde mit dem Tiefkühlbrot die Lebensmittel-Verschwendung verringert, «weil in den Filialen nach Bedarf frisch aufgebacken werden kann».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Die paar aufgebackenen Demeter-Brote machen das Kraut nun auch nicht fett; vorgebackene, gefrostete, dann wieder aufgebackene Backwaren finden sich mittlerweile fast überall, in Restaurants, Supermärkten, Schnellimbissen, Bäckereifilialen usw. Diese gigantische Energieverschwendung sollte man überhaupt einmal thematisieren und nicht eine von der Menge her hier völlig unbedeutende Firma, die eben auch auf den Umsatz schaut.
Es ist alles relativ: Mit sehr vielen anderen Backwaren der Grossverteiler läuft die Herstellung genau gleich. Mit Bio, Demeter oder nicht Bio hat dieser Artikel nicht viel zu tun.
Ich jedenfalls esse lieber ein meist besser schmeckendes (merken die meisten gar nicht mehr) Bio- oder Demeterprodukt, Energieverbrauch hin oder her. Pestizide usw. überlasse ich gerne den Andren.
Immer wieder herzlichen Dank an Infosperber. Als Demeterbauer hat mich dieser Artikel erstaunt und muss unumwunden zugegeben, das wusste ich so nicht. Als politisch denkender Mensch erstaunt mich dies aber nicht. Als Konsument weiss ich selber, einmal verwöhnt – immer verwöhnt. Auch das Demeterbrot muss täglich frisch und knusprig sein. Der Spruch, «Altes Brot ist nicht hart- kein Brot, das ist hart», bewegt heute leider niemanden mehr. Wer diese Marktrealität nicht berücksichtigt läuft mit den Forderungen ins leere. So wird auch die neuste Vegi-Initiative von Frau Herren chancenlos ins Leere laufen. Viel Unmut und neue Gehässigkeiten auslösen und eher noch das Gegenteil vom gewünschten erreichen.
Felix Lang, Lostorf, Altkantonsrat Grüne
Man sollte die Verhältnismässigkeit bewahren. Warum erwähnt Herr Diener hier die Demeter-Brote, wenn diese Praxis für die meisten Backwaren der Grossverteiler üblich ist? Man kann diese Praxis der Migros kritisieren, aber sollte sich vor Augen haben, dass eine einzige Vergnügungs- oder Ferienreise mit dem Flugzeug das tausendfache an Energie verbraucht.
Die Demeter-Brote sind in der Tat nicht die einzigen Brote, die vorgebacken, schockgefroren und anschliessend — noch tiefgekühlt — fertig gebacken werden. Bei Demeter-Produkten, die ja mit besonderer Rücksicht auf die Umwelt produziert werden, ist das aber besonders stossend.
Dass diese Praxis bei den meisten Backwaren der Grossverteiler, wie Sie schreiben üblich sei, ist falsch. Pratkisch alle Backwaren werden fertig gebacken angeliefert. Und selbst bei den Broten ist es so, dass viele fertig gebacken angeliefert werden oder sogar — wo vorhanden — von A bis Z in der Hausbäckerei gebacken werden.
Was hat Energieverschwendung mit kosmischen Rhythmus zu tun?
Es ist ein bisschen komisch, wenn Demeter die Herstellung der Produkte derart detailliert regelt und gleichzeitig eine solche Energieverschwendung zulässt.
Im jüdischen Kulturkreis gibt es zu diesem Problem einen scharfsinnigen Witz: Ein Strenggläubiger beschwert sich beim Rabbi, dessen Tora-Schüler würden in ihren freien Stunden mit Mädchen durch die Felder streifen. «Aber das tun doch alle anderen jungen Männer genau so?» – «Natürlich, aber die anderen studieren ja nicht die Tora!» Darauf antwortet der Rabbi: «Willst Du meinen Schülern etwa vorwerfen, dass sie in der Tora lesen ?»