Endlich: Der Zürcher Verkehrsverbund gibt nach
Mit bewundernswerter Hartnäckigkeit hat sich ein Infosperber-Leser während Jahren gewehrt: Beim Ombudsmann des Kanton Zürich, bei den SBB, beim Bundesamt für Verkehr (BAV), bei der Stadt Winterthur – überall prangerte er die verfehlte Tarifpolitik des Zürcher Verkehrsverbunds (ZVV) an. Aber lange passierte nichts.
30 Prozent teurer
Gegenüber Infosperber nannte der Leser im Juni ein Beispiel von Tausenden: Wer von Flawil SG mit dem Zug nach Winterthur ZH fährt und von dort mit dem Bus der Linie 1 bis zur Haltestelle Sulzer, der zahlt mit Halbtaxabo Fr. 14.60. Wer ein Billett für eine längere Strecke löst, zahlt weniger. Zum Beispiel fünf Haltestellen weiter bis zur Endstation Töss. Dieses Billett kostet Fr. 10.50. Ersparnis: fast 30 Prozent. Trotz längerer Strecke.
City-Ticket obligatorisch
Der Grund: Zur Haltestelle Töss ist ein ganz normales Streckenbillett erhältlich. Zur Haltestelle Sulzer dagegen gibt es nur ein Streckenbillett mit einem zusätzlichen City-Ticket. Das ist eine Tageskarte, die am Gültigkeitstag zu beliebigen Fahrten in Winterthur berechtigt. Abwählen lässt es sich im Ticket-Shop nicht.
Eine Reise, ein Billett
Dabei gilt in der Schweiz eigentlich der Grundsatz: Eine Reise, ein Billett – egal, wie viele Transportunternehmen beteiligt sind. Voraussetzung für direkte Billette ohne City-Ticket-Zuschlag ist allerdings, dass die Transportunternehmen ihre Stationen in den so genannten Nationalen Direkten Verkehr (NDV) integrieren. Doch der ZVV macht das unsystematisch. Hunderte von Haltestellen hat er nicht integriert.
SBB konnten nichts ausrichten
Der ZVV kam unter Druck. Aber nicht einmal die SBB konnten etwas ausrichten. Schon fast verzweifelt schrieben sie: «Wir intervenieren in dieser Sache seit mindestens fünf Jahren beim ZVV.»
Gegenüber Infosperber schrieb der ZVV schon fast höhnisch: «Es besteht grundsätzlich kein Zwang, Haltestellen in den Nationalen Direkten Verkehr zu integrieren. Es besteht hingegen die gesetzliche Vorgabe, dass für eine Reise ein Ticket angeboten werden muss. Diese ist auch mit der Kombination eines Streckenbilletts mit einem City-Ticket gewährleistet.» Oder anders gesagt: Der ZVV nahm sich die Freiheit heraus, unnötig teure Billette zu verkaufen.
Mehrere Millionen
Zudem bagatellisierte der ZVV das Problem. 90 Prozent der Passagiere seien nicht betroffen, da sie bei ihren Reisen das Gebiet des ZVV respektive des Z-Passes nicht verlassen würden. Im Umkehrschluss heisst das: 10 Prozent sind betroffen. Oder in absoluten Zahlen: pro Jahr 47 Millionen Fahrgäste. Ein Teil von ihnen muss zu viel bezahlen. Die Mehreinnahmen für den ZVV dürften in die Millionen gehen.
Das BAV verlor die Geduld
Aufs Mal wurde es auch dem BAV zu bunt. Es verlangte vom ZVV eine Stellungnahme. Doch ein Mail, das Infosperber vorliegt, zeigt, dass der ZVV nur herumeierte: «Wir möchten unterstreichen, dass die Situation im ZVV bzw. der Stadt Zürich für schweizerische Verhältnisse wahrlich einzigartig komplex ist: Nirgendwo sonst gibt es ein dermassen dichtes ÖV-Netz mit mehreren Intercity-Bahnhöfen, an welchen die Gäste aus nah und fern an-, ab- und durchreisen können.»
ZVV wollte Einnahmen sichern
Den Leuten im BAV war das inzwischen offenbar egal. Jedenfalls forderten sie den ZVV auf, bis im Sommer eine Lösung für die Integration aller Haltestellen auf seinem Gebiet. Der Brief des ZVV, der Infosperber ebenfalls vorliegt, zeigt, dass der ZVV mit den SBB lange nach einer Lösung suchte, bei der die Passagiere zum Streckenbillett zwingend auch ein Verbundbillett hätten kaufen müssen. Damit hätte sich der ZVV zumindest einen Teil der ungerechtfertigten Einnahmen weiterhin sichern können. Doch die SBB lehnten ab.
Es dauert
Jetzt aber gibt der ZVV klein bei. Bis Ende Jahr sollen alle Haltestellen in der Stadt Zürich in den NDV integriert sein. Dann nach und nach auch die Haltestellen ausserhalb der Stadt. Künftig werden also nur noch jene Fahrgäste ein City-Ticket kaufen, die es auch wirklich brauchen.
Weiterführende Informationen:
Infosperber: Der ZVV ist renitent – und kassiert Millionen
Infosperber: Sparbillette sind Glückssache
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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