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Dieses Plakat will die APG nicht aushängen. © IG Plakat/Raum/Gesellschaft

Die Plakatgesellschaft übt Zensur

Marco Diener /  Die APG hängt unliebsame Plakate nicht aus. Sie verstösst damit gegen die eigenen Richtlinien. Und gegen ein Gerichtsurteil.

Mit einem Plakat wollte die IG Plakat/Raum/Gesellschaft auf den Stromverbrauch von Werbebildschirmen aufmerksam machen und neue Mitglieder gewinnen. Doch die Allgemeine Plakatgesellschaft (APG) verweigerte den Aushang.

Offenbar liegen die Nerven blank, seitdem das Zürcher Stadtparlament den Vorstoss «Abschaltung und Weitergabe oder Entsorgung der Leuchtdrehsäulen und der digitalen Werbeflächen» überwiesen hat. Die Stadtregierung muss nun prüfen, wie sie die Anlagen raschestmöglich ausser Betrieb nehmen kann.

Widersprüchliche Geschäftsbedingungen

Die APG beruft sich bei der Ablehnung des kritischen Plakats auf Artikel 7.1 ihrer Geschäftsbedingungen. Doch dieser Artikel ist widersprüchlich:

  • Einerseits steht da: «Die APG nimmt keine Inhaltskontrolle der Werbemittel vor.»
  • Andererseits steht da: «Die APG behält sich vor (…) die Ausstrahlung ohne Angabe von Gründen und im eigenen Ermessen abzulehnen.»

Das heisst: Die APG prüft die Plakate nicht auf ihren Inhalt, behält sich aber trotzdem vor, sie abzulehnen.

Infosperber wollte von der APG wissen, wie das gehen soll. Die Antwort: «Mit Inhaltskontrolle sind verschiedene Aspekte gemeint. Die APG kontrolliert beispielsweise nicht, ob die Informationen auf dem Plakat in jedem Falle korrekt sind. Dies liegt in der Verantwortung des Werbetreibenden.»

Die Ablehnung des Plakats begründet die APG so: «Das Sujet und der Inhalt zielen gegen die Interessen der Branche und ruft Personen auf, mit der Spende oder Mitgliedschaft gegen die Aussenwerbung und somit gegen die APG vorzugehen.»

Die IG Plakat/Raum/Gesellschaft

«Freie Sicht auf Zürich!» Unter diesem Motto setzt sich die IG Plakat/Raum/Gesellschaft nach eigenen Angaben «für eine nachhaltige Reduktion der Aussenwerbung in Stadt und Kanton Zürich ein». Ziel sind «ein schöneres Stadtbild, mehr Selbstbestimmung und Demokratie».

Bundesverwaltungsgericht hat entschieden

Die IG Plakat/Raum/Gesellschaft ist mit der Ablehnung ihres Plakats nicht einverstanden. Sie beruft sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2011. Damals hatten die SBB auf ihrem Grund ein Plakat, das sich gegen die israelische Siedlungspolitik richtete, nach drei Tagen abhängen lassen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied aber, «den fraglichen Plakataushang zu bewilligen».

Doch auch davon lässt sich die APG im aktuellen Fall nicht beirren. Gegenüber Infosperber verweist sie vielmehr auf einen Bundesgerichtsentscheid. Doch bei diesem Entscheid geht es um etwas anderes: dass nämlich eine Gemeinde auf öffentlichem Grund ein generelles Verbot für kommerzielle Plakatwerbung erlassen darf. Es ging nicht darum, ob der Aushang einzelner missliebiger Plakate verhindert werden darf.

Dass die Plakatgesellschaft den Aushang des Plakats der IG Plakat/Raum/Gesellschaft verweigert, ist auch deshalb erstaunlich, weil das Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht ausdrücklich festhält: «Die APG unterstützt und respektiert das subjektive Recht auf freie Meinung und Werbung und waltet nicht als Zensurstelle.»

Doch genau das wirft die IG Plakat/Raum/Gesellschaft der APG vor: Zensur.

  • Die APG agiere «als privatwirtschaftliche Zensurstelle».
  • Sie missachte den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts.
  • Sie betone zwar, dass sie «einen wichtigen Beitrag zur freien Meinungsbildung und einer funktionierenden Demokratie» leiste, aber sie tue genau das Gegenteil.

Die IG Plakat/Raum/Gesellschaft findet: «Mit der Weigerung der APG, das Sujet der IG Plakat/Raum/Gesellschaft zu veröffentlichen, bahnt sich eine gefährliche Entwicklung an, in der privatwirtschaftliche Akteure darüber bestimmen, was im öffentlichen Raum zu sehen ist und was nicht.»

Auch in Bern, Genf und Grenoble ein Thema

In Bern hat das Stadtparlament im Februar einen Vorstoss angenommen, der ein Verbot von kommerzieller Werbung im Aussenraum fordert. Das Argument der Urheber des Vorstosses: Angesichts der Klimakrise solle der Konsum nicht noch gefördert werden.

Die Genfer Stimmberechtigten lehnten im März 2023 ein Werbeverbot mit einer Mehrheit von 52 Prozent ab. Im französischen Grenoble hingegen gilt seit 2015 mehr oder weniger ein Werbeverbot. Erlaubt sind Werbeplakate noch an Haltestellen des öffentlichen Verkehrs.

Nachtrag vom 14. August 2024

Nach Veröffentlichung des obigen Artikels teilt die APG mit: «Inzwischen wurde, auch in Absprache mit den SBB, entschieden, das Plakat der IG Raum/Plakat/Gesellschaft seitens APG auf allen gewünschten Screens zu publizieren.»

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