Die Migros Zürich hat schon wieder falsch spekuliert
«Der Umsatz der Migros-Zürich-Gruppe steigt auf 4,15 Milliarden Franken», frohlockte die Medienstelle in ihrer Mitteilung von Anfang Januar. Und weiter: «Damit bleibt die Migros Zürich umsatzstärkste Genossenschaft innerhalb der Migros-Gruppe.» Fast könnte man meinen, die Migros Zürich sei die Vorzeige-Genossenschaft. Doch der Eindruck täuscht.
Die Migros Zürich ist nicht die Vorzeige-Genossenschaft, sondern das Sorgenkind unter den zehn regionalen Genossenschaften. Das steht zwar nicht in der erwähnten Medienmitteilung. Das lässt sich aber aus den Geschäftsberichten herauslesen. In den letzten drei Jahren hat die Migros Zürich stets Verluste geschrieben:
- 2021 69,4 Millionen Franken.
- 2022 35,2 Millionen Franken.
- 2023 39,3 Millionen Franken.
Keine andere Migros-Genossenschaft hat in den letzten Jahren so schlechte Ergebnisse abgeliefert. Letztes Jahr schrieb nur die Migros Tessin einen Verlust. Und der war im Vergleich zum Verlust der Migros Zürich klein. Er betrug 1,1 Millionen Franken.
Die hohen Verluste haben damit zu tun, wie die Migros Zürich geschäftet. Nämlich ausgesprochen offensiv. Sie kauft und kauft. Doch nicht jeder Kauf wird zum Erfolg. Ende September musste die Migros Zürich bekannt geben, dass sie die «Bridge» – noble Restaurants und Läden auf 2000 Quadratmetern – an der Europaallee abstösst. Nach bloss dreieinhalb Jahren.
Für «Foodies»
Nach der Eröffnung hatte die Migros Zürich geschwärmt: «Bei ‹Bridge› findet man einen abwechslungsreichen Frischemarkt, kreative Gastronomie, aufregende Events, wechselnde Mottos, trendige Pop-Ups und ganz viel mehr.» Das Angebot richte sich an «Foodies». Und für die Migros Zürich sei es «ein Lernumfeld für neue Wege» – angeblich eine «Innovation im Sinne von ‹Dutti›».
Das Problem: Das mondäne Lokal kam bei den «Foodies» nicht an. Und das «Lernumfeld» wurde zu einem Lehrstück dafür, wie man es nicht macht. Zum Beispiel als Unternehmen, das einst für ausgezeichnete Produkte zu niedrigen Preisen bekannt war, an allerteuerster Lage in allerhöchste kulinarische Sphären abheben zu wollen. Und dafür, wie «Inside Paradeplatz» wissen will, eine Miete von 350’000 Franken im Monat zu zahlen. Eine Sprecherin der Migros Zürich sagt gegenüber Infosperber, die Zahl entspreche «nicht den Tatsachen». Sie nennt aber keine andere.
Die Migros Zürich betont, das Gastronomieangebot habe sich einer steigenden Beliebtheit erfreut. Aber das Einkaufsangebot sei unter den Erwartungen geblieben. Wie viel Geld die Migros Zürich mit der «Bridge» verloren hat, will sie nicht sagen. Hinweise dürfte aber der Abschreiber im nächsten Jahresbericht liefern.
Die «Bridge» ist nicht das einzige Verlustgeschäft der Migros Zürich in jüngerer Vergangenheit. Die Migros Zürich investiert auch im Ausland erfolglos. Ab 2012 betrieb sie in Deutschland die Fitnesszenter-Kette Elements. Zehn Jahre später verkaufte sie die Fitnesszentren wieder. Die «NZZ» rechnete damals vor, dass die Migros Zürich damit um die 150 Millionen Franken verloren haben muss.
Bald auch Tegut
Und der nächste Millionenverlust droht bereits. 2013 übernahm die Migros Zürich die deutsche Supermarktkette Tegut. Tegut hat ein eher teures Angebot und einen hohen Bio-Anteil. Seit der Übernahme hat die Migros Zürich mit Tegut stark expandiert. Die Zahl der Filialen stieg von 280 auf rund 350.
Doch der Umsatz stagniert seit zehn Jahren bei rund 1,2 Milliarden Franken. Die «NZZ am Sonntag» schreibt, Tegut habe seither sechs Mal Verluste geschrieben, zwei Mal sei das Ergebnis ausgeglichen gewesen, und zwei Mal habe ein Gewinn resultiert – in den Jahren 2020 und 2021, als alle Supermärkte Spitzenergebnisse erzielten.
«50 Millionen in den Sand gesetzt»
Die «NZZ am Sonntag» geht davon aus, dass die Migros Zürich mit Tegut «bereits mehr als 50 Millionen Franken in den Sand gesetzt» habe. Und dabei ist der Kaufpreis noch nicht einmal eingerechnet. «Inside Paradeplatz» sagt deshalb eher einen Verlust von 500 Millionen Franken voraus – für den Fall, dass sich die Migros Zürich rechtzeitig von Tegut trennt.
Auffallend ist: 2010 wurde Jürg Blunschi Chef der Migros Zürich. Die erwähnten Fehlinvestitionen fallen alle in seine Amtszeit. Doch er ist noch immer überzeugt, dass seine Entscheide richtig waren. Der «Handelszeitung» sagte er Anfang Jahr: «Strategisch bereue ich nichts.»
«Apéro in Sicht»
Und auch innerhalb der Migros-Gruppe sieht man seine Rolle nicht sonderlich kritisch. Jedenfalls wurde er diesen Sommer nach seiner Frühpensionierung als Chef der Migros Zürich gleich Präsident der Migros Aare. Ein ehemaliger Migros-Manager fragt: «Wie kann es sein, dass der Genossenschaftsrat der Migros Aare das kopfnickend absegnet?» Und er antwortet gleich selber: «Niemand hinterfragt, wenn das Apéro in Sicht ist.»
Blunschi seinerseits sagte der «Handelszeitung», er werde bei der Migros Aare einen «klaren Fokus aufs Kerngeschäft» haben. Und: «Auf jeden Fall gehe ich nicht nach Bern, um dort irgendetwas zu transformieren.» Vielleicht ist es besser so.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Als alterndes Migroschind leide ich bei der Selbstzerstörung der Marke «MIGROS» richtig mit ! Jahrelang war dies «genossenschaftliche» Firma bei Markenbewertungen immer an erster Stelle. Und jetzt will sie sich zur Supermarkt AG reduzieren oder was auch immer.(Geiz ist geil oder was?) Dabei gibt es nichts wertvolleres wie den «Brand» ,wie es Marketingmässig so schön heisst. Den hat sich diese innovative Firma über Jahrzehnte erarbeitet. Alle die tollen Eigenmarken, Mibelle, Frey, Hotelplan, Do It, Kulturprozent usw, kann gar nicht alles aufzählen : das ist Kundenbindung !, das ist Identitätsstiftend! Sogar die Zeitung hatte jedes Mal einen relevanten, ausführlichen Artikel. Dann die Kastrierung zum wertlosen Werbeblatt.. Dann immer mehr Markenprodukte auf Augenhöhe : die Eigenmarken werden reduziert, der Rest kommt zuunterst hin.. Beispiele: Senf, Mayonnaise, Schokolade, Flocken, Flakes usw. Mehr Marge durch vermieten der Gestell lfm? Schlaue Berater am Werk?
Dann gute Nacht!
Tegut. Was soll das? Klar will da niemand hin. Die Luftwörter der Marketingabteilungen sind purer Quatsch. Auch mit dem «klaren Fokus aufs Kerngeschäft» ist da nicht geholfen. Und: «Bei ‹Bridge› findet man einen abwechslungsreichen Frischemarkt, kreative Gastronomie, aufregende Events, wechselnde Mottos, trendige Pop-Ups und ganz viel mehr.» Worthülsen, wahrscheinlich zum Betören von Teamsitzungsteilnehmerinnen und die schliessen sich dem Chef an, weil dieser das Denken verboten hat. Passiert unterdessen überall. Auch in den Schulen schweizweit. Die Lehrer dürfen den Kopf nur noch zum Nicken brauchen. Und jetzt Krise. Überall im Klassenzimmer. Nur die Politik schwatzt sich raus. Womit? Mit Worthülsen. Siehe Silvia Steiner.