Die Migros heischt in «besseren» Gegenden mehr für gleiche Ware
Migros-Kunden und -Kundinnen vertrauen darauf, dass das gleiche Produkt in jeder Filiale zum gleichen Preis erhältlich ist. Doch sie täuschen sich. Die Migros verlangt nicht überall gleich viel. Die Voraussetzung dafür schuf die Migros schon vor vielen Jahren. Sie schreibt nämlich die Preise nicht mehr aufs Produkt, sondern ans Regal. Das macht sie flexibel. Und das nützt sie immer stärker aus.
1. Schritt: Preise nach Regionen
Schon 2008 deckte die Konsumentenzeitschrift K-Tipp auf, dass die Migros für gewisse Produkte im Landesinnern mehr verlangt als in Grenznähe (Bezahlschranke). Unterschiedlich waren die Preise damals bei Früchten, beim Gemüse und beim Fleisch. So kostete ein Schweinsfilet seinerzeit in einer Berner Filiale 40 Prozent mehr als in einer Basler Filiale. Heute verlangt die Migros auch für Produkte wie Kartoffeln oder Vollmilch regional unterschiedliche Preise (siehe Bilder).
Mit den niedrigeren Preisen in Grenznähe – insbesondere in der Region Basel und in der Ostschweiz – versucht die Migros, den Einkaufstourismus nach Deutschland zu unterbinden. Das bestätigte seinerzeit auch ein Sprecher der Migros Basel: «Ganz genau, das ist der Grund.»
2. Schritt: Sortimente nach Filialen
Dann stellte die Migros offenbar fest, dass die betuchte Kundschaft in «besseren» Quartieren mehr zu zahlen bereit ist. Ebenso die eilige Kundschaft in Innenstädten. Und auch die Kundschaft in kleinen Filialen. Deshalb begann die Migros, in diesen Filialen nur noch ein ausgedünntes Sortiment an Produkten der Billiglinie M-Budget anzubieten.
Die Folge laut K-Tipp-Stichprobe von 2014 (Bezahlschranke): Ein Warenkorb mit 40 Produkten kostete in einer kleinen Filiale bis zu 74 Prozent mehr als in einer grossen. Die Migros gab in ihrer Stellungnahme die Standardantwort, sie richte sich «nach den Kundenbedürfnissen». Wobei es wohl kaum einem Kundenbedürfnis entspricht, nicht zwischen günstigen und teuren Produkten wählen zu können.
Zudem hat die Migros in den letzten Jahren damit begonnen, das Sortiment an Eigenmarken zu verkleinern und vermehrt Markenprodukte anzubieten. Vorzugsweise in kleinen Filialen und in «besseren» Gegenden. Auch das führt für die Konsumenten und Konsumentinnen zu einer Verteuerung des Einkaufs.
3. Schritt: Preise nach Filialen
Neuerdings geht die Migros noch einen Schritt weiter. Sie unterscheidet die Preise je nach Filiale, wie die Konsumentenzeitschrift Saldo eben erst aufgedeckt hat. Saldo schreibt: «In Migros-Filialen an guter Lage ist frische Ware teurer.» Und sie listet eine ganze Reihe von Beispielen auf: von A wie Äpfel bis Z wie Zwiebeln.
«In der Stadt Zürich», berichtet Saldo, «zeigen sich die Preisunterschiede auf kleinstem Raum: In der Migros-Filiale am Kreuzplatz kostet ein Kilogramm Äpfel ‹Greenstar› Fr. 5.60. In der nur 500 Meter entfernten Filiale beim Bahnhof Stadelhofen liegt der Preis für die gleichen Äpfel bei Fr. 5.20.»
Die Differenz mag klein sein. Aber offenbar lohnen sich die kleinen Preisunterschiede für die Migros. Die Migros Zürich gibt an, sie nehme auf diese Weise jährlich 2,64 Millionen Franken zusätzlich ein.
Sie teilte ferner mit, die Preisunterschiede kämen wegen «kostentreibender Faktoren wie Mietpreisen oder Ladenöffnungszeiten» zustande. Gegenüber einem Saldo-Leser hingegen sagte die Migros, höhere Preise gälten in Filialen mit «Märtkonzept» und schönerer Auslage.
Die höheren Preise gelten in rund 30 von 100 Filialen der Migros Zürich. Welche es sind, wollte sie nicht verraten. Aber Saldo weiss, dass beispielsweise die Filialen Zürich-City, Zürich-Hauptbahnhof, Zürich-Kreuzplatz sowie die Filialen in Küsnacht, Thalwil und Zumikon zu den teuren gehören.
Wenig Unterschiede bei Coop
Bei Coop gibt es weniger Preisunterschiede als bei der Migros. Coop schreibt: «In den Coop-Supermärkten und auf coop.ch gelten schweizweit einheitliche Preise für identische Produkte.» Allerdings bietet auch Coop in kleineren Filialen und an guten Lagen nur ein kleines Sortiment von Produkten aus der Billiglinie Prix Garantie an.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Wo liegt das Problem? Es ist niemand gezwungen, bei Migros einzukaufen. Ich kaufe dort nur selten ein, mir sind Lidl und Aldi sympathischer…
Solange die billigeren Alternativen (Lidl, Aldi) diese Klassenpolitik nicht mitmachen, besteht die Wahl. Den Ruf einer gerechteren Gesellschaft zu dienen, hat die Migros selbstverschuldet eh schon ziemlich eingebüsst. Sie ist zu gross (dh zu mächtig) geworden, um noch Ideale glaubwürdig zu vertreten.
Der gute Dutti kann froh sein, dass er nicht mehr erleben muss, was aus seinem «sozialen Kapital» geworden ist……
Zuerst verdrängen die Supermärkte die kleinen Läden im Quartier mit kleineren Preisen, um dann später in genau dieser Lage extra teure Preise zu verlangen, weil manche, Ältere z. B., keine Alternative haben und die Kunden garantiert kommen. So geht Kapitalismus. Ob es schon bald wieder richtige Quartierläden gibt, weil es sich bald wieder lohnt? Könnte der Preis nicht einfach den Wert des Produktes abbilden inklusive der Dienstleistung? Was wäre, wenn Gewinnmarchen staatlich grundsätzlich limitiert würden? Wie (theoretisch, da nicht durchgesetzt) bei der Mietrendite? Vielleicht nur bei Gütern des täglichen Lebens?
Ich kaufe schon lange nicht mehr in der Migros ein, für mich gestorben! Mache auch dementsprechend Werbung in Kollegenkreisen…