Macron vs LE PEN campaign posters torn down, end of French presidential elections, refusal of candidates, abstention, disgust of French people. Ballot papers torn up, thrown away.

In Frankreich ist gerade die Regierung gescheitert, weil man sich nicht über das Budget einigen konnte. Marine Le Pen spielte dabei eine entscheidende Rolle. © xphiii/Depositphotos

Deutschland, Frankreich, Korea: Geldverschwendung rächt sich

Christof Leisinger /  Nach Protestwahlen scheitern viele demokratische Regierungen. In Frankreich zeigt sich wieso: Es ist die unglaubwürdige Politik.

Was haben die peinlichen Neuwahlen in Deutschland, die verlorene Vertrauensabstimmung in Frankreich, das politische Chaos in Südkorea und der eindeutige Wahlsieg Donald Trumps in den USA gemeinsam? All diese Ereignisse deuten auf eine Zeitenwende hin. Im Gegensatz zur Vergangenheit scheint es von nun an nicht mehr möglich zu sein, politischen Streit einfach mit der Spendierhose, mit immer mehr Schulden und mit billigem Geld im Überfluss auf die lange Bank zu schieben.

Die Schulden sind historisch hoch, die enormen Defizite nehmen im Trend zu und viele Vermögenswerte sind gemessen an der Entwicklung der normalen Einkommen überteuert. Dazu kommt, dass die unheimlichen Stimulierungsmassnahmen der «Pandemiejahre» das Niveau der Konsumentenpreise in die Höhe getrieben haben. In weiten Teilen der Welt war ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage entstanden. Der dadurch ausgelöste Volkszorn schlägt sich nun beinahe schon regelmässig in Form von Protestwahlen nieder. Bürger suchen Alternativen zur Politik der vergangenen Jahrzehnte, selbst wenn deren Vertreter potenziellen Wählern unrealistische Dinge versprechen mögen – wie zum Beispiel Donald Trump.

Fehler aus der Vergangenheit werden zum politischen Bumerang

Wie können die traditionellen Parteien heute noch glaubhaft ein angenehmes Leben und Wohlstand scheinbar ohne grosse Anstrengungen und Sorgen versprechen, wenn ihre Fehler aus der Vergangenheit inzwischen offensichtlich geworden sind: Sie haben das Geld des Staates für alles Mögliche ausgegeben, aber die Infrastruktur nicht genügend in Schuss gehalten, geopolitische Risiken unterschätzt, die Rohstoff- und Energieversorgung nicht richtig gesichert, die problematischen Effekte der demografischen Entwicklung zu wenig berücksichtigt und die Bürokratie wild wuchern lassen.

In Deutschland müssen Verwaltungsangestellte von Unternehmen inzwischen etwas mehr als 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für ausufernde Berichts-, Informations-, Dokumentations- und Meldepflichten aufwenden, wie das Münchener ifo-Institut im Rahmen einer Umfrage unter Führungskräften gerade herauskristallisiert hat. Zudem seien die gesetzlichen Regelungen in den vergangenen zehn Jahren immer komplexer geworden. Die Praxistauglichkeit sei schlecht bis sehr schlecht und die Umsetzung meist nur mithilfe externer Dienstleister zu erbringen. In Summe beziffern die Unternehmen die durch Bürokratie verursachten Kosten auf durchschnittlich sechs Prozent ihres Umsatzes.

Wo auch immer Staaten geben zu viel aus
In den meisten Staaten weltweit kennen die Politiker nur eines, mehr Geld ausgeben als das Land einnimmt. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Frankreich war schon immer berüchtigt für seine Bürokratie und für die hohe Staatsquote. Das Land steht in einer langen Tradition des «deficit spending»: Die Regierung gibt mehr Geld aus, als sie durch Einnahmen generiert, eine Schuldenbremse gibt es nicht. Die etablierten politischen Parteien des Landes hatten in den vergangenen Jahren keine Skrupel, die Staatsausgaben weiter zu erhöhen und immer neue Schulden zu machen. Der französische Staat schreibt seit mehr als 40 Jahren ununterbrochen rote Zahlen, im Rahmen der Corona-Krise besonders ausgeprägte.

Staatspräsident Emmanuel Macron hatte vor seiner Wahl im Jahr 2017 zwar versprochen, das Land wieder in Schwung zu bringen. Er lockerte das Arbeitsrecht, senkte die Unternehmenssteuern, er führte eine leichte Rentenreform durch, er wollte in innovative Technologien investieren und den Staatsapparat verkleinern. Allerdings verhedderte er sich im Subventionsdschungel und heute arbeiten nicht weniger, sondern mehr Beamte für den französischen Staat.

Wähler wollen verwöhnt werden, wollen aber die Konsequenzen nicht tragen

Ähnlich wie andere Staatschefs scheiterte Macron vor allem daran, die Mentalität der Franzosen zu ändern. Viele halten die Idee von einem schlanken Staat für unsozial. Sie widersetzen sich militant allen Versuchen, Exzesse des Wohlfahrtsstaates zu reduzieren. Sozialer Frieden lässt sich in der Regel erst dann wieder herstellen, wenn der Staat Milliarden in die Hand genommen hat, um die rebellierenden Interessengruppen ruhigzustellen – Milliarden, die der Staat nicht erwirtschaftet und eigentlich nicht hat.

Wir wollen «einen Haushalt, der für alle akzeptabel ist», erklärte die französische Oppositionsführerin Marine Le Pen am Mittwoch, nachdem Premierminister Michel Barnier eine von ihr angezettelte Vertrauensabstimmung verloren hatte. Sprich: Mehr Geld, wie in alten Zeiten. Barnier hingegen hatte dem zwischen politisch Linken und Rechten gespaltenen Parlament einen Plan für einen Sparhaushalt vorgelegt, der Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Höhe von fast 60 Milliarden Euro vorsah.

Südkorea steht zwar wirtschaftlich und finanzpolitisch noch etwas besser da als Frankreich. Allerdings ist das Land stark abhängig von seiner Exportwirtschaft. Dazu zählt vor allem der Technologie-, Halbleiter- und Automobilbereich, neuerdings aber auch die Rüstungsindustrie. Die Rüstungsprodukte aus südkoreanischer Herstellung sind seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in Polen, Estland, Finnland, Norwegen und Rumänien gefragt. So sind die Waffenexporte in den Jahren 2018 bis 2022 im Vergleich mit der Vorperiode um rund 70 Prozent auf knapp 20 Milliarden Dollar gestiegen.

Globale Verschuldung
Nicht nur die Schulden des Staats steigen immer weiter, sondern auch die der privaten Haushalte und die der Firmen. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Mittel- bis langfristig muss Südkorea jedoch die eigene Wirtschaft dringend strukturell reformieren, heisst es von Seiten des Internationalen Währungsfonds. Nur so liessen sich die Folgen der raschen Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung auffangen. Das Land müsse den dramatischen Rückgang der Geburtenrate unbedingt bremsen und künftig vermehrt Talente im Ausland für den heimischen Arbeitsmarkt rekrutieren. Ausserdem müsse das Kapital effizienter eingesetzt werden, die Bilanzen der Banken müssten gestärkt, der Kapitalmarkt reformiert und die systemischen Risiken der hohen Privatschulden eingegrenzt werden. Das sind eigentlich notwenige Änderungen, die bei den Betroffenen aber auf Widerstand stossen und für politische Unruhe sorgen.

Kommt es in den USA wirklich zu einer Radikalkur?

Und natürlich müssen sich auch die hoch-defizitären USA dringend bewegen. Sie haben gerade Donald Trump deutlich zum nächsten Präsidenten gewählt, weil er und seine Entourage ihnen eine Radikalkur für den Staat versprochen haben. Ob diese wirklich kommt und ob sie seinen Wählern dann wirklich schmecken würde, lässt sich schwer abschätzen. Bis jetzt sind die Pläne allenfalls vage und vor allem auch widersprüchlich.

Der britische Wirtschaftshistoriker Russell Napier sagt, die pragmatischste Lösung sei, die hohen Schulden «weg zu inflationieren». Zum Beispiel in Form einer «finanziellen Repression» wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals mussten die Sparer den Wiederaufbau nach dem Krieg finanzieren – allerdings zu Zinssätzen, die sie nicht für die vorherrschende und erwartete Inflation belohnten. Das sei eine Welt, in der die Banker mehr Kredite, mehr Geld und mehr Inflation schaffen werden als in den vergangenen Jahrzehnten. Ein höheres nominales Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) in Verbindung mit auferlegten Käufen von niedrig verzinsten Schuldtiteln werde aber im Laufe der Zeit die Verschuldung im Verhältnis zum BIP verringern

Natürlich gebe es in diesem Rahmen auch Verlierer: Vor allem diejenigen, die in der Vergangenheit von der langen Periode sinkender Zinsen und steigender Vermögenspreise profitiert hätten. Letztlich führe aber kein Weg daran vorbei, einen kleinen Teil der Gesellschaft zur Umverteilung zu zwingen. Das sei für einige schmerzhaft, aber ein gerechterer Weg, um die hohe Verschuldung im Verhältnis zum BIP zu senken und gleichzeitig mehr Investitionen zu ermöglichen. Wer aber kann so etwas im geopolitisch erhitzten Umfeld politisch glaubwürdig vertreten?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20111221um18_39_50

Führt Wachstum zu Glück oder Crash?

Geht uns die Arbeit aus, wenn wir nicht ständig mehr konsumieren? Oder sind die Renten in Gefahr?

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

7 Meinungen

  • am 8.12.2024 um 22:10 Uhr
    Permalink

    Die riesigen Staatsschulden sind kein Problem. Wer hat denn das Geld geliehen? Niemand! Die Banken haben es geschaffen. Wenn der Staat das Geld selbst geschaffen hätte, müsste er auch keine Zinsen zahlen. Das Ganze ist ein Konsens zwischen dem bürgerlich dominierten Staat und den Banken, welche so dem Staat Zinsen in gewaltiger Höhe abknöpfen kann. Das Ganze heisst Schuldenbremse. Statt der Schulden sollte man die Arbeitslosigkeit auf null bringen. Siehe dazu die umfangreiche Literatur unter dem Stichwort «Modern monetary theory» (MMT) in Wikipedia und auch sonst im Internet. Der InfoSperber sollte nicht in den staatlichen Schuldenwahn hereinfallen.

    • Christof Leisinger
      am 8.12.2024 um 23:10 Uhr
      Permalink

      … jaja, die einen glauben an das Märchen vom billigen Geld, das endlos und angeblich ohne Konsequenzen vom Himmel fällt, die anderen glauben an Bitcoin. Phantasten eben – Paul Krugman zieht sich nicht grundlos als «ausgabefreudiger» Kolumnist der NYT zurück. Er machte sich mit seinen Tiraden über das «unverständige Volk» nur noch lächerlich, das die etwas zurückgegangene Inflationsraten «unverständlicherweise» nicht zu schätzen wisse. Faktisch hat er notorisch und penetrant für die Strategie plädiert, die das Preisniveau nach der Pandemie in weiten Teilen der Welt in kürzester Zeit um 30% nach oben getrieben und die Wähler wütend gemacht hat – ganz klar eine Folge von MMT. Wer daran glaubt, zahlt eben drauf …

      • am 9.12.2024 um 14:19 Uhr
        Permalink

        Danke Herr Leisinger für Ihre klare Antwort. Das Perpetuum Mobile gibt es weder in der Physik noch in der Geldpolitik à la MMT.

  • am 9.12.2024 um 09:09 Uhr
    Permalink

    Wenn ich es richtig verstanden habe, sollen Vermögende Zwangsanleihen zu niedrigen Zinssätzen aufnehmen und damit die Staatsschuld finanzieren, die sich über die höhere Inflation und niedrigen Zinsen dann langsam abbaut. Im Inland mag das gehen, wie sieht es aber mit den internationalen Gläubigern aus? Hier müsste man erst die Schulden auf inländische Anleihen umschichten und damit die ausländischen Gläubiger befriedigen. Werden Banken auf Tilgungen oder Zinsen verzichten? Bei der Griechenlandkrise hat man EU-Geld nach Griechenland gepumpt um Banken zu bedienen und gleichzeitig das Land in einen selbstmörderischen Sparkurs getrieben. Zufrieden konnten die Anleger sein, während die Bürger betrogen wurden.

  • am 9.12.2024 um 22:04 Uhr
    Permalink

    In Frankreich gibt es in weiten Teilen des Landes bittere Armut. Vielleicht ist da Geld verschwendet worden, aber sicher nicht am rechten Ort. Übrigens: Wenn die Banken nicht auf ihre Zinsen verzichten wollen, kann ja auch der Staat darauf verzichten Schuldzinsen zu bezahlen und das Geld lieber in Arbeitsplätze investieren.

    • am 10.12.2024 um 10:02 Uhr
      Permalink

      Zins ist das Resultat der Aushandlung zwischen Gläubiger und Schuldner, wo BEIDE Seiten einverstanden sind. Wer gibt dem Staat noch Geld, wenn er dafür keinen Zins bekommt?

      So weit die Theorie. In der Praxis pfuscht der Staat oft rein, auch wenn nicht so krass wie von Ihnen gefordert: um seine Defizite zu decken, muss der Staat Geld aufnehmen, während die Zentralbanken mittlerweile vielerorts die Zinsen durch Käufe von Staatsobligationen nach unten manipulieren. In der Extremform funktioniert MMT aber nicht, denn Geldausweitung führt zu Geldentwertung. Hohe Inflation ist nicht das, was der Wirtschaft hilft, sondern der Preis für die Masslosigkeit der Zentralbanken.

  • am 11.12.2024 um 00:36 Uhr
    Permalink

    Das Geld, welches der Staat von den Banken aufnimmt, wird von den Banken selbst geschaffen. Die Geldmenge nimmt zu und – nach Ihrer Theorie – wird die Inflation auch so gefördert. Wenn der Staat das Geld selbst schafft kommt es auf dasselbe heraus, bloss muss der Staat keine Zinsen zahlen. Erst wenn die Inflation untragbar wird muss gespart werden und nicht schon wenn der Staatshaushalt defizitär ist. (vgl mein erster Beitrag)

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...