Honkong Gehry

Titel in der «New York Times»: «Die Tycoons von Hongkong verkaufen Prestige-Immobilien zu Schleuderpreisen.» In der Mitte der Glas-Stahl-Turm des Architekten Frank Gehry, in dem zwei superreiche Chinesen kürzlich ihre Vollgeschosswohnungen verkauften. © NYT

Chinas Supermagnaten verscherbeln Luxus-Immobilien in Hongkong

Pascal Derungs /  Einst reichste Männer verkaufen ihre Luxuswohnungen sogar im Glas-Stahl-Hochhaus von Stararchitekt Frank Gehry.

Vielen ultrareichen Tycoons, die in Chinas ökonomischem Aufstieg reich wurden, setzt der wirtschaftliche Abschwung der letzten Jahre schwer zu. In ihrer Eile, Bargeld zu beschaffen, bescheren sie Hongkongs Luxusimmobilienmarkt Notverkäufe in Serie. Zu wahren Schnäppchenpreisen gelangen prestigeträchtige Immobilien auf den Markt. Ein nie dagewesener Preiszerfall habe eingesetzt. Das berichtet Alexandra Stevenson, die China-Korrespondentin der «New York Times».

Im «Opus Hong Kong» von US-Stararchitekt Frank Gehry, einem Gebäude mit 12 Vollgeschoss-Luxusapartments, gehörten zwei der jüngsten Verkäufer einst zu den reichsten Männern Chinas: die Immobilienentwickler Chen Hongtian und Chen Changwei. Laut lokalen Medienberichten war Chens Apartment nur eines von mehreren seiner Immobilien, die von Kreditgebern beschlagnahmt wurden, darunter ein 1’000 Quadratmeter grosses Haus, das er kurz nach dem Kauf der Opus-Immobilie 2015 erworben hatte. 

Als weitere Beispiele verweist Stevenson auf drei «europäische» Villen mit Türmchen und Swimmingpools sowie vier weisse Villen, die in einer Reihe stehen. Alle bis auf zwei dieser Immobilien wurden bereits für jeweils einige zehn Millionen US-Dollar verkauft – mit Rabatten von einem Drittel bis zu mehr als der Hälfte des früheren Preises.

Fast zwei Dutzend Immobilien im Wert von jeweils 50 Millionen Dollar oder mehr kamen in diesem Jahr auf den Markt in Hongkong. Laut Immobilienexperten seien weitere solche Notverkäufe zu erwarten, schreibt die Asien-Korrespondentin.  

Die Spekulanten verlassen das sinkende Schiff

Hongkongs Immobilienmarkt verzeichnete 20 Jahre lang stetig steigende Preise. Das machte die Stadt zu einer der teuersten weltweit. Wenig Verdienende mussten und müssen weiterhin winzige, unterteilte Apartments mieten, «Sargwohnungen» genannt, schreibt Alexandra Stevenson. Jetzt sind viele der Preistreiber – von Bauunternehmern bis zu steinreichen Spekulanten – gezwungen, ihre wertvollsten Immobilien schnell und mit grossen Abschreibern zu verkaufen.  

Am spektakulärsten traf es Hui Ka Yan vom kollabierten Immobilienriesen «China Evergrande». Die chinesischen Behörden nahmen Hui letztes Jahr fest und warfen ihm und Evergrande Betrug vor. Nach der Liquidationsanordnung durch ein Hongkonger Gericht beschlagnahmten ausländische Gläubiger alles verwertbare Vermögen, darunter Yans «europäische» Villen im Gesamtwert von über 190 Millionen Dollar. Eine davon wurde in diesem Jahr für 58 Millionen Dollar verkauft. Das sei weniger als die Hälfte der 130 Millionen Dollar, die Yan im Jahr 2009 dafür bezahlt habe, liess die internationale Immobilienfirma Knight Frank verlauten. 

Hongkongs Immobilienmarkt spürt «Chinas Schmerz» 

«Insgesamt war die Wirtschaft Chinas immer eng mit Hongkong verbunden, und der Immobilienmarkt war immer stark korreliert», zitiert die «New York Times» Hannah Jeong, Direktorin beim Immobilienunternehmen CBRE. «Wenn Chinas Wirtschaft sinkt, folgt Hongkongs Wirtschaft», sagte sie. 

Die Verkäufe von Luxusimmobilien würden hauptsächlich von sogenannten «notleidenden Verkäufern» dominiert, darunter einige, die stark von der chinesischen Wirtschaft abhängig seien, so Jeong. In vielen Fällen würden ihre Häuser von einer Bank oder von Gläubigern beschlagnahmt, denen sie Geld schuldeten. 

Die meisten dieser Immobilien wurden in einer anderen Ära gekauft, als Hongkong von einem boomenden China und von rekordtiefen Kreditzinsen profitierte. 

Der schuldengetriebene Bauboom mutiert zum Immobiliencrash

Chinas gesamte Wirtschaft schwächelt infolge des eingebrochenen Baumarktes. Die sinkende Nachfrage hat viele Immobilienwerte als reine Bilanzfantasien entlarvt. Gesteigerte Amortisationsforderungen und Kreditkündigungen sind die Folge. Stark gestiegene Kreditkosten verstärken den Druck zusätzlich. Kreditgeber verlangen heute deutlich höhere Zinsen von Vermietern und Bauherren, an die sie Geld verleihen. Das zwingt diese zu Notverkäufen und treibt so die Abwärtsspirale weiter an. «Jeder verlangt nach Geld», zitiert Alexandra Stevenson Joseph Tang, den Vorsitzenden der Immobilienfirma JLL in Hongkong, «das Einzige, was sich verkaufen lässt, sind Wohnimmobilien, denn wenn man den Preis nur genug senkt, wird es Käufer geben».  

In den letzten drei Jahren haben 432 reiche Chinesen und Chinesinnen ihren Status als Milliardäre verloren, so die Hurun China Rich List, veröffentlicht von einem in Shanghai ansässigen Vermögensforschungsunternehmen. 

Auch Business-Immobilien verlieren an Wert

Die chinesische Wirtschaftsflaute hat nicht nur private Besitzer von Luxusimmobilien erwischt. Auch die Eigner ikonischer Hongkonger Bürogebäude, die einst die weltweit bekanntesten Finanz-, Rechts- und Unternehmensfirmen beherbergten, kämpfen heute darum, neue Mieter zu finden. Fast 17 Prozent der Gewerbeimmobilien stehen leer, so das Immobilienunternehmen CBRE.

Hongkongs Skyline aus Glastürmen, einst Symbol der wirtschaftlichen Potenz der Stadt, ist nun ein Mahnmal ihrer Probleme. Die jahrelange, strikte Pandemiepolitik hat die Stadt international isoliert. Die Stadt bemüht sich, ihren Titel als globales Finanzzentrum zurückzugewinnen, doch die politische Repression in Hongkong schreckt viele westliche Unternehmen ab. 

Im Immobiliencrash blutet auch der Finanzsektor

Die Veränderungen wirken sich stark auf das Finanzsystem aus. Banken, die früher zuverlässige Kreditgeber für Hongkongs spekulativen Immobiliensektor waren, haben in diesem Jahr eine Welle von Zahlungsausfällen bei Gewerbeimmobilien erlebt. Der Immobiliensektor befinde sich «in seinem schlimmsten Abschwung seit der Asienkrise von 1997», und den stärksten Schmerz verspürten Finanzinstitutionen, schrieben Analysten der Ratingagentur S&P Global in einem Bericht. Die starke Währung erschwert eine Erholung zusätzlich. Der Hongkong-Dollar ist an den US-Dollar gekoppelt. Dessen Zinssatz hielt die US-Federal Reserve vier Jahre lang hoch, um die Inflation in den USA zu bekämpfen. Als Folge davon liegt der Zinssatz von Hongkongs Währungsbehörde heute noch immer auf dem höchsten Stand seit 2007. Der Ausverkauf in Hongkongs Immobilienmarkt dürfte noch einige Zeit andauern.


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