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China ist der grösste Automarkt der Welt. Die Produktion von Elektro- wie von Verbrennerautos übersteigt die Nachfrage immer mehr. Subventionen verhindern die fällige Marktbereinigung. © depositphotos/chungking

Chinas Automobilsektor hat enorme Überkapazitäten aufgebaut

Pascal Derungs /  Die Autoproduzenten in China betreiben zu viele Fabriken. Besonders bei Verbrennern ist der Produktionsüberschuss gewaltig.

Die in- und ausländischen Hersteller von Elektroautos bauen in China mehr Stromer, als der weltweite Markt absorbieren kann. Im Kampf um Marktanteile senken sie die Preise, in der Hoffnung, ihre vielen neuen Fabriken im Land besser auszulasten. Doch am schlimmsten sei der chinesische Produktionsüberschuss bei den Benzinern. Das schreibt Keith Bradsher in der New York Times.

Der Leiter des Pekinger NYT-Büros berichtet aus Chongqing, der grössten Stadt Westchinas. Am Stadtrand stehe ein riesiges Symbol für den Überfluss an Autofabriken im Land, ein Komplex von beinahe einer Quadratmeile Ausdehnung. Die Tausenden von Wanderarbeitern, die bis vor Kurzem dort gearbeitet hätten, seien weitergezogen.

Es handelt sich um ein ehemaliges Montage- und Motorenwerk des südkoreanischen Riesen Hyundai. Der Komplex wurde vor erst 7 Jahren eröffnet, ausgerüstet mit modernsten Robotern zur Herstellung von benzinbetriebenen Autos. Hyundai verkaufte den Campus Ende letzten Jahres für einen Bruchteil der 1,1 Milliarden Dollar, die in den Bau und die Ausstattung damals investiert wurden. Das ungemähte Gras auf dem Gelände sei bereits kniehoch gewachsen, berichtet Bradsher. 

Überflüssige Fabriken produzieren überflüssige Autos

China verfügt über mehr als 100 Fabriken mit einer Produktionskapazität von fast 40 Millionen Verbrenner-Autos pro Jahr. Das seien etwa doppelt so viele, wie die Menschen in China kaufen wollten, so Bradsher. Die Verkaufszahlen dieser Autos seien im Sinkflug, da Elektrofahrzeuge in China immer beliebter würden. Dutzende Fabriken für benzinbetriebene Fahrzeuge würden kaum noch laufen oder seien bereits eingemottet. 

China ist der grösste Automarkt der Welt. Im vergangenen Jahr stieg das Land auch zum grössten Exporteur auf, noch vor Japan und Deutschland. Chinas Autoverkäufe im Ausland würden explodieren, schreibt die NYT. Drei Viertel der Exporte seien Benziner, die der heimische Markt nicht mehr brauche, zitiert Bradsher Bill Russo, einen Elektroauto-Berater in Shanghai: «Diese Exporte drohen die Produzenten anderswo plattzumachen». 

Der Kampf um Marktanteile spitzt sich zu

Bei den Stromern wachse der Absatz in China zwar noch, doch das Wachstumstempo habe sich seit letztem Sommer halbiert. Die Krise des Immobilienmarktes drücke auf die Konsumausgaben. Doch trotz abflachendem Boom investierten Chinas Elektrofahrzeughersteller immer noch massiv in neue Fabriken und neue Modelle, schreibt Bradsher.

Jeder wolle Marktanteile gewinnen, deshalb jagten sich Preissenkungen für Elektrofahrzeuge. BYD, der mittlerweile gösste Autoproduzent der Welt, und Li Auto, ein neuer prosperierender chinesischer Hersteller, hätten genauso wie die westlichen Produzenten Tesla, Volkswagen und General Motors ihre Verkaufspreise gesenkt.

Subventionen blähen das Angebot künstlich auf

Fast alle chinesischen Elektroautos werden in neu gebauten Fabriken montiert, die von Kommunalverwaltungen und staatlich gelenkten Banken subventioniert werden. Für Autohersteller sei es billiger, neue Fabriken zu bauen, als bestehende umzurüsten. Die Folge seien enorme Überkapazitäten bei den Fabriken für Benziner, bilanziert Bradsher.

Seien diese in der Nähe der chinesischen Küste gelegen, lohne sich der Export im Moment noch. Doch viele der überflüssigen Fabriken befänden sich in Städten tief im Landesinneren, wie Chongqing, wo die hohen Kosten des Transports an die Küste den Export unrentabel machten, rechnet Bradsher vor. 

Der Niedergang der Benziner hinterlässt Ruinen und Verluste

Der Absatz von benzinbetriebenen Autos sei von 28,3 Millionen im Jahr 2017 auf 17,7 Millionen im vergangenen Jahr gesunken. Allein die Verkäufe von Hyundai in China seien dabei um 69 Prozent eingebrochen. Die stillgelegte Benziner-Fabrik in Chongqing habe das Unternehmen vergangenen Sommer zum Verkauf angeboten, aber kein anderer Autohersteller habe angebissen. Hyundai habe das Grundstück mit Gebäuden und einem Grossteil der Ausrüstung zum Spottpreis von nur 224 Millionen US-Dollar an eine städtische Entwicklungsgesellschaft zurück verkauft. Doch auch diese habe keine neuen Käufer oder Mieter gefunden.

Hyundai sei fast der einzige ausländische Autohersteller, der die Produktion von Verbrenner-Autos an einigen chinesischen Standorten ganz eingestellt habe. Andere hätten ihre Produktion in China lediglich gedrosselt. Ford Motors habe in Chongqing noch immer drei Fabriken laufen, die in den letzten fünf Jahren jedoch nur mit einem winzigen Bruchteil ihrer Kapazität betrieben worden seien, beobachtet Bradsher. 

Der Kapazitätsüberhang wird vom Staat künstlich gestützt

Der langjährige Richtwert sei, dass Autofabriken mit 80 Prozent der Kapazität oder mehr arbeiten sollten, um effizient zu sein und Geld zu verdienen, erinnert Bradsher. Aber mit der Eröffnung immer neuer Elektroautofabriken ohne adäquate Stilllegung der älteren Fabriken sei die Kapazitätsauslastung in der gesamten Branche mittlerweile auf 65 Prozent gesunken, wie das Nationale Statistikamt Chinas berechnet habe. 

Für die Montage von Elektrofahrzeugen werden deutlich weniger Arbeitskräfte benötigt als für die Herstellung von benzinbetriebenen Autos, da Elektrofahrzeuge aus viel weniger Komponenten bestehen. Trotzdem hätten sich viele chinesische Hersteller geweigert, die Verbrenner-Produktion zu stoppen oder zu drosseln und Arbeitsplätze zu streichen. Der Grund liege darin, dass sie teilweise oder vollständig im Besitz von Stadtregierungen seien. Städte wie Chongqing, die besonders von der Produktion benzinbetriebener Autos abhängig sind, stemmten sich gegen die unumgänglichen Arbeitsplatzverluste. So habe Chang’an, ein staatlicher Autohersteller, eine Fabrik nur 20 Gehminuten vom ehemaligen Hyundai-Komplex entfernt liegen. Die vielen Hektar Parkplätze der Fabrik seien komplett mit unverkauften Autos gefüllt, beobachtete Bradsher vor Ort.

Es liege ein Hauch von Düsternis über der Autoindustrie in Chongqing, bilanziert Bradsher. Die Beschilderung von Hyundai sei in der ehemaligen Fabrik noch an vielen Stellen sichtbar, aber am Eingangstor zeige nur ein grosser Schatten an, was früher als optimistischer Slogan dort lesbar gewesen sei: «Neues Denken, neue Möglichkeiten». 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 23.05.2024 um 16:58 Uhr
    Permalink

    Der Autor fasst zusammen: «Es liegt also ein Hauch von Düsternis über der chinesischem Autoindustrie.»
    Viele Jahre lang hat Deutschland dank seiner Billiglohnpolitik (Agenda 2010 + Hochtechnologie) massive Exportüberschüsse realisiert. Die deutschen Medien haben das immer als große Leistung gefeiert. Angela Merkel hat dem europäischen Ausland, das einen Großteil der Kosten dafür gezahlt hat (in Form von Schulden, Arbeitslosigkeitsrisiko) empfohlen, es doch genauso zu machen.
    China subventioniert seine Industrie. Das kommt in Deutschland zum Glück nicht vor – außer vielleicht, wenn es sich um Tesla Gigafactories handelt.
    Was also will uns der Autor sagen? China ist wie Deutschland, nur düsterer? Oder: Was für Deutschland gilt, gilt für China noch lange nicht?

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