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Wem zeigt er hier den Finger? Möglicherweise den naiven Anlegern. © EdZbarzhyvetsky/Depositphotos

Bitcoin als Währungs-Reserve? Bloss nicht!

Christof Leisinger /  Donald Trump schwadroniert über eine Bitcoin-Reserve, auch in der Schweiz sind Lobbyisten dafür. Sie füllen die eigenen Taschen.

Kryptowährungen sorgen schon eine Weile für Furore – spätestens seit absehbar wurde, dass Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt würde. Der Präsident hatte sich in den vergangenen Monaten vom Bitcoin-Saulus zum Bitcoin-Paulus gewandelt und im Wahlkampf versprochen, die «Krypto-Branche» künftig zu fördern und sogar eine «Bitcoin-Währungsreserve» aufzubauen.

Davon liessen sich die Krypto-Begeisterten faszinieren. Viele von ihnen verstehen zwar herzlich wenig von der Sache, träumen aber davon, mit dem «richtigen Investment» etwas Wichtiges zu fördern und dabei vielleicht sogar noch schnell reich zu werden. Nur so lässt sich erklären, wieso die Trump-Familie in den vergangenen Tagen einen so genannten Trump-Coin auf den Markt bringen konnte und dass sich dessen spekulativer Wert innerhalb von Stunden verzehnfachte, bevor er sich dann ebenso schnell halbierte.

Währungsreserven in Bitcoin halten – obwohl sie keinen Wert haben?

Dabei hat dieser Coin keinerlei Substanz und die Bewertung wird ausnahmslos von der Bereitschaft von Spekulanten getrieben, mehr oder weniger dafür zu bezahlen. Und vielleicht von der Hoffnung, später jemand anders zu finden der bereit ist, mehr auf den Tisch zu legen als das, was er selbst beim Kauf berappt hat.

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Wieviel ist so etwas wirklich wert?

Ähnlich verhält es sich mit der Diskussion über die Bitcoin-Reserve. Mit Donald Trump hat diese nicht nur in den USA an Dynamik gewonnen, sondern auch in Europa. Sogar Schweizer Bitcoin-Propagandisten plädieren penetrant dafür, einen Teil der 800 Milliarden Franken schweren Währungsreserven der Nationalbank in das angeblich wertvolle «digitale Gold» zu investieren. Sie werben mit dieser Analogie und haben sogar eine Initiative gegründet, um das Volk darüber abstimmen zu lassen.

Dabei zeigen Fachleute regelmässig, wie unsinnig das wäre. Zum Beispiel Ulrich Bindseil und Jürgen Schaaf von der Europäischen Zentralbank. Der Erstgenannte ist Generaldirektor des EZB-Geschäftsbereichs Marktinfrastruktur und Zahlungsverkehr, der Zweitere ist Berater in derselben Sparte.

Gerade erst legten sie in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung dar, wieso sie strikt dagegen sind. In ihren Augen gibt es verschiedene Arten strategischer Reserven, zum Beispiel um Vorräte an kritischen Rohstoffen aufzubauen, die in Krisen oder bei Versorgungsunterbrechungen freigegeben werden können. Während staatliche Reserven für Energieträger wie Öl oder Gas sinnvoll seien, fehle ein realwirtschaftlicher Bedarf für Bitcoin, argumentieren sie.

Das Bitcoin-Whitepaper aus dem Jahr 2008 habe zwar die Vision einer globalen digitalen Währung präsentiert, jedoch scheiterten Konzept und Technologie an der praktischen Umsetzung: Echte Bitcoinzahlungen blieben auch 16 Jahre nach Einführung umständlich, teuer und langsam. Zudem sei die Abhängigkeit von einer unkontrollierbaren Technologie, dem «mining», der undurchsichtigen Preisbildung auf einem unregulierten, konzentrierten und vor Kursmanipulation ungeschützten Markt, sehr riskant für einen Staat. Ohnehin verbrauche die Generierung von Bitcoins grosse Mengen Energie und werde kaum für legale Zahlungen genutzt, jedoch umso mehr für Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Terrorismusfinanzierung.

Es drohen hohe Verlustrisiken

Auch die Idee einer Bitcoinreserve bei Zentralbanken überzeuge nicht. Reserven in herkömmlichen Währungen wie Dollar, Yen, Gold oder Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds ermöglichen Interventionen und könnten somit die Währungsstabilität sichern. Die Goldreserven westlicher Zentralbanken stammten sogar aus der Bretton-Woods-Ära.

Bitcoin dagegen sei mit Kursgewinnen von 1000 Prozent oder Verlusten von bis zu 80 Prozent in kurzer Zeit per se schwankungsanfällig und damit keine zuverlässigen Anlage. Eine Bitcoinreserve berge für Zentralbanken hohe Verlustrisiken und gefährde damit ihre Glaubwürdigkeit. Selbst fanatische Anhänger gäben zu, dass der Bitcoinmarkt relativ illiquide sei. Nur so lasse sich erklären, wieso die im Vergleich zu Währungsinterventionen geringen Verkäufe konfiszierter Bitcoin durch das Land Sachsen im Juli 2024 als Bedrohung gegeisselt worden seien.

Faktisch lasse sich ein fairer Bitcoinwert nicht berechnen, da Bitcoin anders als gängige Finanzanlagen keinen Zahlungsstrom wie Mieten bei Immobilien oder Zinsen bei Anleihen generierten. Der Coin werde auch sonst nicht produktiv verwendet wie etwa Rohstoffe und er stifte keinerlei gesellschaftlichen Nutzen. Im Gegenteil: Es würden knappe Ressourcen in unproduktive Aktivitäten und die Umverteilung geleitet. Die Bitcoin-Spekulation vergrössere das produktive Potential der Wirtschaft nicht. Folglich seien Kurssteigerungen auch nicht Ausdruck der Aussicht auf künftig zunehmende Profite aus der Produktion wie zum Beispiel bei Nvidia.

Umverteilung zugunsten der Zocker?

Daher seien die meisten Ökonomen davon überzeugt, dass es sich beim Bitcoin um eine Spekulationsblase handelt, die irgendwann platzen wird. Selbst in dem ökonomisch unplausiblen Szenario eines ewig steigenden Bitcoinpreises drohten erhebliche soziale Schäden. Da Bitcoin die wirtschaftliche Produktivität nicht erhöhe, seien seine Wohlstandseffekte ein Nullsummenspiel. Die zusätzliche Kaufkraft, die frühe Anleger gewännen, verdrängten jene der Nachzügler. Für die Gesellschaft gebe es kein Happy End. Selbst wenn der Preis von Bitcoin auf ewig stiege, würden die Nachzügler immer ärmer – und deren Frustration über ihre schwindende Kaufkraft könnte die Gesellschaft destabilisieren.

Um die Spekulation-Spirale am Laufen zu halten, seien immer neue «Narrative» nötig. In den USA habe die Genehmigung der Bitcoin-ETF im vergangenen Januar durch die Marktaufsicht Vermögensverwalter und Kleinanleger angelockt. Im Präsidentschaftswahlkampf hätten Krypto-Lobbyisten Hunderte Millionen Dollar gespendet, um den Sieg «gefügiger Politiker» zu sichern. Die Aussicht auf noch laxere Regeln für die Bitcoin-Szene durch Trumps Sieg signalisiere nur, dass der Staat selbst über strategische Reserven als Investor einsteigen könnte – obwohl Bitcoin doch mit dem Ziel geschaffen worden sei, ein alternatives Finanzsystem abseits des Staates aufzubauen.

Wenn der Staat als Käufer im grossen Stil auftrete, pumpe er die Spekulationsblase weiter auf und vergrössere den finanziellen und gesellschaftlichen Schaden, der irgendwann unweigerlich eintrete. So wäre es zynisch, wenn fast zwanzig Jahre nach der globalen Finanzkrise der Staat eine Szene von Glücksspielern nicht nur rette, sondern auf Kosten anderer reicher mache. Die Einschätzung der Fachleute ist eindeutig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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