Kommentar
Bitcoin-Kursrekorde – nur der Glaube versetzt Berge
Höchst umstritten, aber in diesen Tagen stark gefragt: Die Kryptowährung Bitcoin wird an den digitalen Handelsplätzen nach enormen Kursgewinnen mit bis zu 93’000 Dollar gehandelt. Ob sie das wirklich wert ist, ist eine andere Frage. Der tatsächliche Wert lässt sich kaum bestimmen. Das Konstrukt wirft keinen laufenden Ertrag ab und der Nutzwert ist mit einer durchschnittlichen Transaktionsgebühr von 3,50 Dollar und maximal 200 Transaktionen pro Minute gering. Aber wenn viele daran glauben, dass Bitcoin «digitales Gold» ist und zunehmend auf weiter steigende Kurse wetten, gibt es bei begrenztem Angebot nach oben kaum Grenzen.
Solange das so ist, setzt sich der hoch spekulative Aufschwung fort und er zieht immer mehr Spieler an. Die Käufer glauben entweder daran, mit schnellen Kursgewinnen in Kürze reich werden zu können. Andere nützen die Entwicklung nüchtern und professionell aus, um einfach nur am Handel an sich zu verdienen. Zu den letztgenannten zählt die «Krypto-Branche» selbst: Sie schöpfte die «Münzen» ursprünglich aus dem Nichts, kreiert sie heute mit unheimlichem Energieaufwand, verkauft sie an Gutgläubige, reinvestiert einen Teil des enormen Reibachs in eine gigantische, penetrante Marketing- und Lobbymaschinerie – und setzt so die an der Euphorie ablesbare Spirale in Gang.
Krypto-Lobbyisten haben Donald Trump vom Bitcoin-Saulus zum Bitcoin-Paulus gemacht
Das offensichtlich leicht zu verdienende Geld hat dazu geführt, dass selbst renommierte Finanzinstitute in das Geschäft eingestiegen sind, dass riesige Stadien nach Krypto-Anbietern benannt worden sind und dass gut-bezahlte Prominente für ihre Angebote werben. In den vergangenen Monaten haben Krypto-Lobbyisten so viele Millionen in den amerikanischen Wahlkampf investiert, dass sogar die Politik auf den Trend aufgesprungen ist: Donald Trump wurde vom Bitcoin-Saulus zum Bitcoin-Paulus.
Er verstand offensichtlich kaum etwas von der Thematik, hatte aber erkannt, dass er seine eigene Agenda mit den überaus generösen Krypto-Spenden voranbringen und die naive, junge Kypto-Wählerschaft ohne politische Kosten mit grossartigen Versprechen abholen konnte. Zum Beispiel damit, in den USA eine «Bitcoin-Währungsreserve» aufzubauen, «transparente regulatorische Leitlinien» zu erarbeiten und sicherzustellen, «dass die USA zur Bitcoin-Supermacht der Welt» werden».
Nach Trumps Wahl mit eindrucksvoller Mehrheit steht die «Krypto-Branche» als grosse Gewinnerin da. Immerhin hatte Trump versprochen, «regulatorische Gängelung der freiheitsliebenden Unternehmer» zu beenden und die Krypto-Agenda zu einem Teil von «Make America Great Again» zu machen. Der Bitcoin-Kurs geht also vor allem deswegen durch die Decke, weil die «Branche» mit laxeren, in ihrem Sinne vorteilhaften regulatorischen Regeln unter einer Trump-Regierung und mit entsprechend satten Profiten rechnet.
Das Volk hat gesprochen. Wider alle Vernunft?
Skeptische Kritiker wie etwa John Reed Stark, ein ehemaliger Manager der amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde SEC, müssen heute einsehen: Das Volk hat gesprochen. Praktisch habe es im Rahmen der amerikanischen Wahl entschieden, dass das Krypto-Geschäft keiner stringenten Regulierung bedürfe, argumentiert er. Folglich empfiehlt er dem SEC-Chef Gary Gensler, zurückzutreten und alle Krypto-Verfahren beizulegen. Die neue Regierung solle so weiterzumachen, wie sie es für richtig halte. Der Sieg von Präsident Trump sei auch in diesem Sinne ein gewaltiger Erdrutschsieg gewesen und solle respektiert werden.
Ob sich die normalen Privatanleger unter den Wählern mit dieser Entscheidung einen Gefallen taten, wird sich wohl in der Zukunft zeigen. Vielleicht dann, wenn sie mit dubiosen Krypto-Anlagen unter Umständen viel Geld verloren haben oder wenn die «regulatorisch entlasteten» Finanzkonzerne nach dem Platzen einer Zeit lang möglicher Spekulationen erneut von den Steuerzahlern gerettet werden müssen. Von den meisten etablierten Schweizer Medien dürften sie davor wohl kaum gewarnt werden. Denn diese transportieren die Botschaft, die Regeln müssten auch in der Schweiz gelockert werden – und berufen sich beim angestrebten regulatorischen Wettbewerb nach unten auf Experten aus der Szene mit ausgeprägten Eigeninteressen. Das spricht für sich.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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