Aus der EU – oder auch nicht
Nehmen wir den Waldhonig von der Migros. Ausschliesslich in französischer Sprache steht auf der Etikette: «Origine: Amérique latine, Europe. Emballé en Suisse.» Für all jene, die auf ihrem Frühstückstisch keinen Honig vom anderen Ende der Welt möchten, ist das wenig hilfreich. Klar ist nur, dass der Honig in der Schweiz abgefüllt wurde. Ob er aus Chile stammt, aus Rumänien oder aus den Wäldern des Neuenburger Juras – das ist unklar.
Gesetzlich erlaubt
Was überrascht: Die Deklaration ist gesetzeskonform. In der Verordnung betreffend die Information für Lebensmittel steht: «Anstelle eines Produktionslandes kann bei verarbeiteten Lebensmitteln ein übergeordneter geografischer Raum angegeben werden, wie ‹EU› oder ‹Südamerika›. Bezüglich der Angabe des Produktionslandes gelten geschnittene Mischprodukte und Honigmischungen als verarbeitete Lebensmittel.»
«Überwiegende Gewichtszunahme»
Die Bestimmungen in der Verordnung sind sehr detailliert – und kompliziert. So gilt Fleisch bereits «als vollständig in einem Land erzeugt», wenn bei den Tieren die «überwiegende Gewichtszunahme dort erfolgt ist» oder wenn sie ihr «Leben zum überwiegenden Teil in diesem Land verbracht haben». Zulässig sind laut Gesetz sogar Angaben wie «Herkunft: Nicht EU/EWR». Was fast den ganzen Globus einschliesst.
Auswahlsendung
Nicht wirklich hilfreich sind auch die Herkunftsangaben in den Aktions-Prospekten der Detailhändler. Denn die Produkte stammen oft aus verschiedenen Ländern. So schreibt etwa Coop zu seinen Avocados: «Spanien/Marokko/Israel/Dominikanische Rebublik/Chile.» Oder die Migros zu ihren Kiwis: «Italien/Griechenland.»
«Siehe Verpackung»
Selbst in den Läden ist die Herkunftsangabe häufig unklar. Aldi schreibt auf die Preisschilder an den Regalen häufig: «Ursprung: siehe Verpackung.» Und Lidl: «Herkunft: Siehe Packung.» Und zwar auch dann, wenn die Ware unverpackt ist. Etwa bei Zitronen, Granatäpfeln, Salatgurken oder Limetten.
Schweizer Rahm aus Italien
Trotz aller Unklarheiten lohnt sich der Blick auf die Herkunftsangabe. Denn sie hält oft Überraschungen bereit. So steht auf dem Floralp-Schlagrahm auf der Vorderseite zwar «Schweizer Rahm», auf der Rückseite aber: «Hergestellt in Italien mit Schweizer Rahm». Der Code «IT 11 6 CE» im ovalen Feld verrät, dass der Rahm zur Molkerei Trevalli Cooperlat in Jesi bei Ancona transportiert wird. Die Firma füllt den Rahm ab und spediert ihn zurück in die Schweiz.
Und auch aus Belgien
Ähnlich ist es beim Valflora-Schlagrahm aus der Migros. Klein steht auf der Rückseite: «Hergestellt in Belgien mit Schweizer Rahm.» Das heisst konkret: Der Rahm legt rund 700 Kilometer zur Firma Incopack in Dilsen-Stokkem an der Nordostgrenze Belgiens zurück, wird dort abgefüllt und gelangt nach abermals 700 Kilometern in die Migros-Regale.
EU oder Nicht-EU
Im Ausland ist die Deklaration übrigens auch nicht besser als in der Schweiz. Auf den Teigwaren der Eigenmarke der italienischen Supermarktkette Iperal steht zur Herkunft des Weizens: «UE e non UE.» Das heisst: Der Weizen stammt aus der EU oder von ausserhalb der EU…
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
EU ist eh keine regionale Bezeichnung, sondern eine politische. Wenn ich etwas aus Griechland will, und nicht aus Spanien, dann läuft diese Deklaration ins leere. Und La Réunion, Tahiti und irgendwelche Karibikstaaten etc. sind auch in der EU. Das hat mit Europa nichts zu tun.