Uber und Airbnb – das Internet macht mobil
Der Taxi-Dienst Uber provoziert in Frankreich in den letzten Monaten heftige Proteste, Gewalt und Streikaktionen der Taxifahrer. Auf Anordnung der Regierung verbot der Pariser Polizeipräfekt das Angebot von Uber Pop im Grossraum von Paris. Und erst diese Woche wurden die beiden Frankreich-Chefs von Uber verhaftet, weil sie mit einem Verfahren konfrontiert sind, das sie verdächtigt, Fahrgäste auf illegale Weise mit Autofahrern in Kontakt zu bringen. Frankreichs Präsident François Hollande bringt dies auf den Punkt: «Uber Pop sollte aufgelöst und für illegal erklärt werden.»
Uber Pop ist ein Angebot des weltweit tätigen Fahrdienstvermittlers Uber, der Privatfahrer und Privatfahrerinnen mit eigenem PKW an Kunden vermittelt, die eine Beförderungsmöglichkeit suchen. Seit sich hier jeder Autofahrer ohne Taxi-Ausbildung anmelden kann, um Personen zu befördern, ist das traditionelle Taxigewerbe unter Druck. So sehen die französischen Taxisfahrer ihren Job in Gefahr. Eine Taxi-Lizenz kostet in Paris mehr als 100 000 Euro. Die Uber-Fahrer und -Fahrerinnen dagegen zahlen nichts: Sie benutzen ihre eigenen Autos und bezahlen nur eine Abgabe an die Vermittlungsfirma.
Ärger auch in der Schweiz
Ärger mit Uber gibt es nicht nur in Frankreich. In der französischen Schweiz überlegen sich Genf und Lausanne ebenfalls Verbote. Der Lausanner Polizeivorsteher Marc Vuilleumier will Uber dem in Lausanne und in zehn weiteren Agglomerationsgemeinden geltenden Taxireglement unterstellen. Uber wäre dann nicht mehr Organisator von Mitfahrgelegenheiten sondern ein Taxiunternehmen mit denselben Pflichten wie alle anderen.
Auch in Zürich fühlen sich die Taxifahrer und -fahrerinnen nicht nur durch Landtaxis konkurrenziert, die in der Stadt Kunden aufnehmen, sondern immer stärker durch Uber. Der Zürcher Stadtrat sieht diese Entwicklung mit Sorge. Er betont aber in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage, dass er wenig tun könne. Denn Uber trete nicht als Arbeitgeber, sondern lediglich als Fahrtenvermittler auf.
Die Verdrängung bestehender Berufszweige durch das Internet
Der Streit um die Taxis ist ein typisches Problem der digitalen Gesellschaft. Mit einer App auf dem Smartphone wird ein traditioneller Berufszweig aufgemischt. So kommt es rasch zur Frage, ob man denn noch eine staatliche Kontrolle des Taxigewerbes mit geregelter Ausbildung braucht, um die Qualität der Angebote zu gewährleisten. Schliesslich kann jeder Kunde den Fahrer oder die Fahrerin online auf der App bewerten. Sind die Feedbacks negativ, so werden solche Fahrerinnen und Fahrer kaum noch Kunden und Kundinnen finden.
Das Taxigewerbe ist nicht der einzige Bereich, in welchem die neue digitale Wirtschaftsform rentiert. Fast ebenso bekannt und umstritten ist Airbnb, wo private Anbieter ihre Wohnungen und Zimmer mit Gästen teilen. Nachdem in der Schweiz der Tourismus schon wegen des starken Frankens lahmt, sind Airbnb und ähnliche Apps wie Wimdu eine immer stärkere Konkurrenz des Hotelgewerbes. Bei netten Leuten im privaten Umfeld zu Gast sein, ist für viele Besucher attraktiver als die kühle und professionelle Hotelatmosphäre.
Allerdings erzeugt auch Airbnb heftige Kritik. Denn oft werden Mietwohnungen ausschliesslich als Ferienwohnungen angemietet, um sie auf Airbnb und ähnlichen Portalen anzubieten. Wenn günstige Mietwohnungen abgezogen und an Touristen weitervermietet werden, verstärkt das jedoch die Wohnungsnot. Zudem ist es auch für weitere Hausbewohnerinnen und -bewohner nicht immer angenehm, wenn alle paar Tage neue Touristen einziehen. Nicht zuletzt ist es rechtlich zweifelhaft, ob Wohnungen oder einzelne Zimmer untervermietet werden dürfen, ohne dass der Vermieter seine Zustimmung erteilt.
Mancherorts hat man bereits reagiert: So hat Berlin für Airbnb enge Regelungen getroffen. Wohnungen dürfen nur an Touristen vermietet werden, wenn sie angemeldet sind und nicht einfach stillschweigend zweckentfremdet werden. In Barcelona drohen bis zu 30’000 Euro Strafe bei illegalen Angeboten. Und in der Schweiz hat Bundesrätin Widmer-Schlumpf angekündigt, dass der Internet-Marktplatz für die Vermietung von Wohnungen staatlich besser reguliert werden soll.
Die «Null-Grenzkosten»-These
Der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin sieht in diesen neuen Firmen Vorboten einer «Sharing Economy» die nicht mehr auf Besitzen, sondern auf Teilen (des eigenen PKWs, der eigenen Wohnung etc.) beruht. Dies wird nicht zuletzt deshalb möglich, weil alle dazu nötigen Daten und Personen über Internet und Handy kostengünstig verknüpft werden können.
Denn Daten sind eine Ware, die kaum etwas kostet, wenn sie einmal generiert ist. Rifkin fasst das unter dem Begriff der «Null-Grenzkosten» zusammen. «Grenzkosten» sind dabei jene Kosten, die bei der Herstellung einer zusätzlichen Ware oder Dienstleistung anfallen. Diese aber tendieren nach «Null» – etwa im Bereich Musik, wo Schallplatte und CD heute durch Datenformate wie mp3 ersetzt sind, die sich kostenlos vervielfältigen lassen. Tauschbörsen und Streaming-Portale wälzen die traditionelle Musikwirtschaft um: Angehende Popstars stellen immer häufiger ihre Musik kostenlos ins Netz und verdienen ihr Geld über die Live-Auftritte, welche dank ihrer Fans auf dem Internet zum Erfolg werden.
Das digitale Schlaraffenland
Diese «dritte industrielle Revolution» wird von einem entstehenden «Internet der Dinge» angetrieben. Deutlich wird dies zum Beispiel am Car-Sharing. Anstatt selber ein Auto zu kaufen, teilen sich immer mehr Autofahrerinnen und Autofahrer einen Wagen – vermittelt über Apps von Handys. Rifkin prophezeit, dass jedes Geschäft, jedes Zuhause, alle Fahrzeuge und Maschinen in einem intelligenten Datennetzwerk aus Kommunikations-, Energie- und Logistikinternet verbunden wird.
Weitere Beispiele können leicht gefunden werden: Bücher werden immer häufiger zu Null-Grenzkosten über das Internet verteilt. Wer selbst einen Roman schreibt, publiziert diesen nicht bei einem Verlag, sondern verteilt ihn direkt über Amazon. Im wissenschaftlichen Bereich werden Texte immer häufiger kostenlos öffentlich gemacht («Open Access»), was den wissenschaftlichen Verlagen das Wasser abgräbt.
In der Diskussion um erneuerbare Energien betont Rifkin, dass Sonnenenergie kostenlos sei. In Zukunft würden Hunderte von Millionen Menschen zu Hause, in Büros und Fabriken ihre eigene erneuerbare Energie produzieren. Und mit den 3-D-Druckern soll jeder physische Dinge selbst herstellen können. Ihn beflügeln die Berichte, wonach die Firma WinSun Decoration Design Engineering in China letztes Jahr zehn Häuser an einem Tag gedruckt habe.
Rifkins Utopie von der zukünftigen Gesellschaft sieht wie eine Neuauflage des Schlaraffenlandes aus. Da die Güter, die wir alle zum Leben brauchen, uns infolge der «Null-Grenzkosten» sozusagen kostenlos in den Schoss fallen, können sich die Menschen auf andere Formen der Arbeit konzentrieren. Wichtig wird hier das Sozialkapital und damit Non-Profit-Tätigkeiten in Schulen, in der Altenpflege, in Krankenhäusern etc.
Die Dominanz der Internetkraken
Allerdings sind die Thesen Rifkins umstritten. So sehen die Hamburger Professoren Arno Rolf und Arno Sagawe in der digitalen Gesellschaft weniger die Überwindung des Kapitalismus oder die wachsende Autonomie der Einzelnen. Für sie sind die neuen Firmen dieser Epoche genauso auf Dominanz und Monopolisierung ausgerichtet wie früher die maschinelle Industrie.
Auch Airbnb oder Uber sind nicht einfach sympathische Startups, die sich gegen verkalkte Strukturen der Vergangenheit in Tourismus und öffentlichem Transport wehren. So sind bei Uber und Airbnb Internetkraken wie Google längst dabei: 2014 erhielt Uber 1,2 Milliarden Dollar Risikokapital von Investoren wie Google und Goldman Sachs. Und nicht viel anders ist es bei der Online-Plattform Airbnb, die sich erst kürzlich bei Investoren 1,5 Milliarden Dollar besorgt hat. Damit wird die Firma Airbnb, die sich auf den Börsengang vorbereitet, immer mehr selbst zum Giganten im Tourismusgeschäft. Nach Rolf und Sagawe sind die mit dem philosophischen Überbau des Teilens hausierenden ehemaligen Startups mittlerweile denn auch zu den Lieblingen der Anlage suchenden Investoren geworden.
Skandalös ist dabei nicht unbedingt, dass der Erfolg der neuen Internetkonkurrenz wie Uber und Airbnb darauf beruht, dass die bestehende Hotel- oder Taxibranche durch eine neue Konkurrenz ausgehebelt wird. Aber die Uber-Fahrer und -Fahrerinnen oder die Vermieterin eines Privatzimmers bei Airbnb verdienen dabei wenig, haben kaum Sozialleistungen und tragen auch das Risiko, wenn staatliche Regelungen das Geschäft vermiesen. Beschäftigungsverhältnisse werden nach Rolf und Sagewe auf diese Weise auf fragwürdige Weise in Freizeitangebote mit Zubrotcharakter überführt. Die neuen Internetarbeiter sind oft die Verlierer der «digitalen Revolution», weil sie als freie Mitarbeiter in prekäre Beschäftigungsverhältnisse katapultiert werden.
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Literatur:
Jeremy Rifkin, Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus, Frankfurt 2014 (Campus)
Arno Rolf, Arno Sagawe, Des Googles Kern und andere Spinnennetze. Die Architekten der digitalen Gesellschaft, Konstanz, München 2015 (UVK)
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
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