Sprachrohr TS: Aufruf zum Lohnabbau in der Schweiz
Ein «düsteres Bild» zeichne sich für den Schweizer Werkplatz ab. Der starke Franken drücke bei Firmen «mächtig aufs Gemüt»: So leitete Tagesschau-Moderator Florian Inhauser den Beitrag ein. Gemäss dem Konjunkturbarometer KOF weiche «die Zuversicht dem Pessimismus».
Die Tagesschau vom 3.3.2015 machte sich damit zum Sprachrohr einiger besonders exportabhängiger Firmen und Teilen der Wirtschaft, welche den stärkeren Franken als Anlass für Lohnsenkungen oder Arbeitszeitverlängerungen nutzen wollen. In ihrem Beitrag übernahm Wirtschaftsredaktorin Marianne Fassbind die Drohkulisse dieser Kreise: «Wie schlimm es tatsächlich wird, hängt vor allem von der Entwicklung des Schweizer Frankens zum Euro ab – aber nicht nur: Auch die Löhne machen die Schweiz teurer.» Und dann plädierte Fassbind mit einer Drohkulisse offen für Lohnsenkungen:
«Je unflexibler die Löhne in der Schweiz bleiben, desto grösser ist die Gefahr, dass noch mehr Stellen ins Ausland ausgelagert werden, und zwar in Länder sogar innerhalb Europas, wo die Lohnkosten bis zu 70 Prozent tiefer liegen.»
Diese Aussage ist einseitig wertend und manipulativ:
- Das Produzieren im Ausland statt in der Schweiz sei eine «Gefahr».
- Es sei besonders schlimm, wenn Stellen «sogar» nach Europa ausgelagert würden.
- Lohnkosten seien dort «bis zu 70 Prozent tiefer». Angaben mit «bis zu» sind wertlos und manipulativ. «Bis zu» kann bedeuten, dass die Lohnkosten in einer kleinen Gegend in Polen 70 Prozent tiefer sind, überall sonst jedoch gleich oder sogar höher. Oder es kann bedeuten, dass die Lohnkosten im Durchschnitt 10 Prozent tiefer sind.
Weniger Erwerbsarbeit für gleichen Wohlstand
Die Aufwertung des Frankens bedeutet, dass wir uns den gleichen Lebensstandard mit weniger Erwerbsarbeit leisten können: Alle Produkte und Dienstleistungen aus den Euroländern werden für Schweizer KonsumentInnen und auch für Schweizer Unternehmen günstiger. Mit weniger Geld (und entsprechend weniger Erwerbsarbeit) können wir uns das Gleiche leisten wie vorher.
Ein extremes Beispiel kann dies vielleicht anschaulicher machen. Nehmen wir an, der Schweizer Franken werte sich eines Tages so stark auf, dass ein einziger Franken hundert Euro und hundert Dollar wert wäre.
Für Waren im Wert von 1 Franken könnten wir Waren im Wert von 100 Euro oder 100 Dollar importieren. Dank diesem extrem günstigen Austauschverhältnis würden die Einnahmen von wenigen ausländischen Luxus-Touristen und wenigen Uhren- oder Pharmaexporten reichen, um unseren ganzen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen aus dem Ausland zu importieren. Es wäre nur noch ganz wenig Erwerbsarbeit nötig, um unseren Lebensstandard zu halten. Die Erwerbsarbeit müsste entsprechend gerecht verteilt werden, oder der Staat würde ein Grundeinkommen garantieren.
Von der Fiktion zur Realität
Das Beispiel bleibt Fiktion. Doch es ist eine Realität, dass ein stärker werdender Franken viel mehr Vorteile als Nachteile bringt. Vom Heizöl über Medikamente bis zu allen ausländischen Lebensmitteln und Kleidern wird alles günstiger. Mit dem gleichen Lohn können
- wir mehr kaufen als bisher
- oder wir können uns mit den gleichen Gütern und Dienstleistungen zufrieden geben und dafür unsere Arbeitszeit verkürzen.
Ökonomisch ausgedrückt verbessert die Schweiz mit dem stärker werdenden Franken das Austauschverhältnis zwischen schweizerischen und ausländischen Produkten. Für die gleiche Menge Waren, die wir ans Ausland verkaufen, erhalten wir eine grössere Menge Waren als bisher aus dem Ausland. Was wollen wir noch mehr?
Wenn wir unseren gesamten Konsum nicht weiter steigern, braucht es zur Befriedigung unserer materiellen Bedürfnisse dank des starken Frankens weniger Erwerbsarbeit, also weniger Arbeitsplätze.
Darüber sollten wir uns freuen und nicht jammern. Wir leben und konsumieren nicht, damit wir arbeiten können. Sondern wir arbeiten, um leben zu können. Die meisten gehen einer Erwerbsarbeit nach, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.
Wenn wir unsere bisherigen Bedürfnisse insgesamt mit weniger Erwerbsarbeit befriedigen können,
geht es in erster Linie darum, die Einkommen und die Erwerbsarbeit besser zu verteilen.
- Die schlechteste Form der Verkürzung der allgemein nötigen Arbeitszeiten ist erhöhte Arbeitslosigkeit.
- In Zeiten von Arbeitslosigkeit braucht es deshalb finanzielle Anreize für alle, welche ihre Arbeitszeit verkürzen oder freiwillig aus dem Erwerbsleben aussteigen möchten.
- Die Arbeitslosigkeit mit Anreizen zum Mehrkonsum oder mit Subventionen von Exporten, also mit Anreizen zum Wirtschaftswachstum, beseitigen zu wollen, bevormundet die Konsumentinnen und Konsumenten – und ist überdies keine enkeltaugliche Politik.
Warum nicht ebenso über die Vorteile informieren?
Zurück zu Tagesschau-Berichten in Zusammenhang mit der Aufwertung des Frankens:
Warum informiert die Tagesschau nicht ebenso häufig und ausführlich über die grossen Vorteile eines stärkeren Frankens? Warum verfolgt sie nicht akribisch, ob die Konzerne, die KMUs, die Grossverteiler und Stromkonzerne ihre günstigeren Importpreise an die Konsumentinnen und Konsumenten weiter geben?
Warum nimmt die Tagesschau häufig nur den engen Blickwinkel von exportorientierten Firmen wie den Hörgerätehersteller Sonova oder den Fensterbauer Egon Kiefer ein und malt ein düsteres Bild der Wirtschaftslage?
Warum stellt die Tagesschau ein geringeres BIP-Wachstum als Hiobsbotschaft dar, wenn doch der starke Franken automatisch dazu führt, dass das BIP in Schweizer Franken abnimmt, ohne dass wir weniger konsumieren, also ohne dass wir eine materielle Einbusse erleiden? Das BIP nimmt auch ab, wenn die Erdöl- und damit die Benzin- und Heizölpreise sinken, ohne dass wir weniger davon verbrauchen.
Warum kommentiert die Tagesschau die marktwirtschaftliche, globalisierte Konkurrenzwirtschaft meistens positiv, stellt aber jeden Stellenabbau als düsteres Ereignis für die Schweiz dar? Düster ist es für die direkt betroffenen Beschäftigten. Die Tagesschau könnte darüber informieren, welche Hilfe diese erhalten oder eben nicht.
Warum stellt es die Tagessschau als schlechte Nachricht dar, wenn die Exporte aus der Schweiz zurück gehen? Wir brauchen dank des stärkeren Frankens weniger zu exportieren, um uns die gleichen Importe leisten zu können. Und die Aufwertung soll dazu führen, dass Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien mehr in die Schweiz exportieren können, damit sie mit ihren Exporteinnahmen die Kredite der Grossbanken und Hedge-Funds zurückzahlen können. Wenn sie ihre Exporteinnahmen dazu brauchen, um Importe aus der Schweiz zu zahlen, können sie die Schulden sowieso nie zurück zahlen.
Mein Tipp: Die Tagesschau sollte die Informationen in den Zusammenhang einordnen, neutraler formulieren, weniger werten und keine Schau abziehen.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Jetzt wäre die Zeit, eine ursprünglich linke Forderung hervorzuholen – die Linken sind eben oft flinker – und sie zur Sache der Rechten zu machen: die finanzielle Beteiligung von Arbeitnehmern am Unternehmen.
Die Löhne müssten dann nur noch mässig steigen. Es gibt unzählige Studien und ausführungsfähige Modell zum Thema Arbeitnehmerbeteiligung.
Aus ideologischen Gründen wurde eine breite Diskussion darüber bisher verhindert.
Jetzt wäre es an der Zeit, Druck zu machen: Von rechts wie links. Nur so kommt Feuer ins Cheminée.
Auch ein Medienthema, das Schweizer Medien bisher aber aus lauter Angst buchstäblich «links» liegen liessen.
Das wohl grösste Problem dürfte die öffentliche Hand bekommen, eine Thematik, die ja seit geraumer Zeit schon nicht diskutiert wird. Währenddem die Lohnaufbesserungen auf dem freien Arbeitsmarkt, zumindest im unteren Segment, schon seit geraumer Zeit schon nur noch knapp der Inflation standhielten, werden bei der öffentlichen Hand offenbar Saläre bezahlt, die fern jeder Realität sind.
Spätestens seit aber bekannt wurde, dass zum Beispiel in der Stadt Zürich Kindergärtnerinnen im Jahreslohnbereich ab ~81’000 Franken liegen sollen, bei einer 4×9=36 Stundenwoche und 3 Monaten bezahltem Urlaub, wurde mir zumindest klar, dass irgendwo irgend etwas schon lange nicht mehr stimmen kann. Wie unglaublich kompliziert muss es für Frauen offenbar geworden sein, kleine Kinder zu erziehen, wenn ein zeitweiser Mutter-Stellvertreter-Job so viel Geld wert ist.
Er ist mir klar, es ist schwer, vom Welt-Platz Nummer Eins der sozialen Leistungsskala runter zu kommen, aber ich bin davon überzeugt, dass nur eine Gesundschrumpfung unser Land und Volk davor bewahren kann, an der eigenen ‹Wohltätigkeit› letztlich finanziell zu Grunde zu gehen.
Man hat vor lauter Uebertreibung vergessen, dass es nicht immer so weitergehen kann, und jetzt sind Alle erschrocken, vom obersten Währungschef gemassregelt worden zu sein, und das in einer Art und Weise, die man wohl zuletzt erwartet hätte.
Dabei war es die wohl einzige Möglichkeit, das vollkommen führerlos gewordene Fahrzeug noch irgendwie zu stoppen…
Ich habe den (guten) Artikel erst jetzt gesehen. Ich betone das, weil im Artikel, den ich am Freitag für die nächste Ausgabe geschrieben habe, dasselbe steht. Immerhin schlage ich wirtschaftspolitisch einen weiteren Bogen, sechzig Jahre zurück und zehn voraus. Aber ich steige auch mit dem Geschwurbel von Florian Inhauser ein. Für jenes von Marianne Fassbind hatte ich keinen Platz mehr. (Ich halte es übrigens nicht für bewusst agitatorisch, sondern für gedankenlos simpel, also SRF-gerecht bar jeden ökonomischen Verständnisses.) Mein Arbeitstitel heisst: «Arbeitsplätze auslagern? Gut so!» (Lass dich überraschen, ob wir auch bei der Konklusion – MEI und so – noch einig sind.)
Immer wieder diese altklugen Anmoderationen unserer Halbacht-Handlanger des Schweizer Farbfernsehens mit ihren tendenziösen Verbal-Apokalypsen…
Gibt es für uns Bürger denn keine Möglichkeit, diese geschützte Werkstätte wenigstens als geschmacksneutralen Nachrichtenübermittler zu konsumieren? Sind wir als Gebühren- und Steuerzahler wirklich unfähig, von den Machern dieses ewigen Leutschenbach-Experiments wenigstens genaue Recherche und adäquate Widergabe der Informationen einzufordern? Muss man sich, um dem leidigen Mainstream auszuweichen, tatsächlich die vorwiegend dümmlichen Privatsender antun?
Vielleicht ist es an der Zeit, eine Volksinitiative gegen das Staatsfernsehen zu lancieren. Diese dauernde Miesmacherei bei Radio und TV ist nicht nur unerträglich, sondern auch geschäftsschädigend. Wäre die Schweizer Wirtschaft so träge und desillusioniert wie die SRG, könnten wir den Laden wirklich dicht machen. Wer nimmt Roger de Weck endlich das Spielzeug aus der Hand?
Traut sich der Schweizerische Gewerbeverband nicht, für seine KMU`s dieses heisse Eisen anzufassen und gegen diesen staatlich subventionierten Sender vorzugehen?
Viele Fragen. Man weiss so wenig.
Vergessen Sie das, Herr Stiefenhofer, Swiss TV ist eine Institution, wie Pro Juventute, Berghilfe, oder Lungenliga, und so etwas bringt man nicht weg, sonst gäbe es ja, z.B. nach den ‹Erkenntnissen› im Zusammenhang mit der Pro Juventute, solche Institutionen doch längst nicht mehr.
Aber wer wollte denn sonst schon die Oeffentlichkeit auf die Problematik der Schwulen, Lesben und Feministinnen, sachlich korrekt hinweisen, in einem Land, wo’s offenbar von Macho’s wimmelt? Und wer wollte auf die armen Frauen aufmerksam machen, die sich ihren Arbeitsgebern zu billig vermieten? Und wer wollte, in sachlich/informativer Neutralität, die bloss stellen, die nicht mehr ins Bild der modernen, Europakonform politisierenden, zunehmend geschlechtsneutralen CH-Gesellschaft passen?
Man müsste ja die ganze Zeit nur noch einem Herrn Gilli, oder gar einer Frau Boser zuschauen, zumindest im von mir bewohnten Einzugsgebiet, wobei zumindest der World-News Anteil der CH-Lokal-Sender Zueri/M-1 und Bern in der Regel grösser ist als das, was die Leute eigentlich zu produzieren hätten.
Und noch noch deutschen Schrott+Tussi Hartz4-TV wäre doch etwas sehr viel, den ganzen Tag, es gibt also auch gute Gründe, das CH-TV so zu lassen, wie es ist.
Zumindest aus dem Blickwinkel eines Mannes gesehen, der es aufgegeben hat, daran zu glauben, dass sich ein derart verrostetes System, wie unseres, ohne Krieg, oder zumindest gewaltige Krise, überhaupt noch reformierten lässt.
Zu Viele profitieren davon…
Natürlich kann die Schweiz mit dem teureren Franken mehr importieren. Wem es nur darum geht, möglichst günstig kaufen zu können, der ist damit zufrieden.
Ich teile diese Zufriedenheit nicht. Ich mag nicht zusehen, wie die Herstellung von Gütern in der Schweiz immer mehr abnimmt. Damit schwinden die Chancen von weniger Gebildeten auf anständig bezahlte Arbeit noch mehr.
Max Heimgartner, Aarau
Die Chancen der weniger Gebildeten schwinden sowieso kontinuierlich , in einer offenen Welt der Marktwirtschaft, wo der Konkurrenzkampf ständig wächst. Und weil die Bildungsfernen der Welt am liebsten hierher kommen, wir sie hier zu nichts gezwungen werden, um trotzdem bleiben zu können, verschärft sich das Problem bei uns logischerweise überproportional.
Der Markt wird den Schweizer Franken nur dann tiefer bewerten, wenn wir ein tieferes Niveau erreichen, im Verhältnis zum Rest der Welt. Wie weniger Vertrauen in unsere Währung und unsere Leistungskraft weltweit existiert, desto eher wird sich der Wechselkurs auf ein Niveau regulieren, dass unsere dannzumaligen effektiven volkswirtschaftlichen Leistung entspricht.
Die ‹monetäre› Welt dreht sich längst nicht mehr um die Schweiz, nicht mal die Banken zahlen mehr Steuern, und die staatliche Leistungskraft steht kurz davor, nicht länger wachsen zu können. Und als einziger Ausweg versuchen unsere zwei Bundesrätinnen, mit ‹von mir erwarteten› Treibstoff-Zuschlägen die Löcher auszugleichen, die sich in Kürze abzeichnen.
Für die, die’s trifft, bleibt entweder wieder nur der Gang über die Grenze, wie bei den anderen Einkäufen auch bereits, zumindest solange, bis der kleine Grenzverkehr auch noch vollständig abgeschafft wird.
Und so etwas nennt man in Bern und anderswo freien Warenverkehr und offene Grenzen. Auch wenn es sowas ja längst schon gibt, aber halt nur für lebende Einwanderer, nicht für Benzin und totes Fleisch…