Kempinski und Waldorf Astoria sollten sich schämen
Massiv unterbezahlt, ausgebeutet, gedemütigt und eingeschüchtert: So verrichten meist ausländische Zimmermädchen die Drecksarbeit in Luxushotels. Eine Undercover-Reportage des RTL mit versteckter Kamera unter Leitung von Günter Wallraff hat es in drastischer Art aufgedeckt.
Eigentlich würde man solche Beiträge eher in öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten erwarten. Doch Günter Wallraff wandte sich ans RTL. Denn er wolle «ein jüngeres Publikum für soziale Missstände sensibilisieren». Und RTL war einverstanden, eine Reporterin als Zimmermädchen in mehreren Luxushotels acht Monate lang anstellen zu lassen. Das erschütternde Beweismaterial strahlte der Privatsender am Montag aus.
Die Hälfte des Mindestlohns
Wallraffs Vermutung hat sich bewahrheitet: Je vornehmer das Hotel, umso schlimmer die Methoden der Ausbeutung. Die Gäste schwelgen in Suiten so gross wie ein Appartment, während sich hinter den Kulissen soziale Dramen abspielen: Knochenarbeit unter enormem Zeitdruck, Bezahlung unter dem tariflichen Mindestlohn, bewusste Einschüchterungen. Offiziell sind die Zimmermädchen oft wie vorgeschrieben zu einem Mindeststundenlohn von 9 Euro angestellt. Doch gleichzeitig müssen sie einen andern Vertrag unterschreiben, der sie verpflichtet, in einer Stunde mindestens zwei oder drei Zimmer zu reinigen. Schaffen sie dies nicht – und niemand konnte dies schaffen – arbeiten sie einfach mehrere Stunden unbezahlte Überzeit. Der reale Lohn betrug in allen beobachteten Fälle rund die Hälfte des Mindestlohns. Beim geringsten «Fehler» – zum Beispiel ein Putzlappen am falschen Ort abgelegt – gab es «einen Zimmer Abzug» oder «20 Euro Abzug», willkürlich entschieden von einer Chefin.
Ein Anwalt für Arbeitsrecht, der sonst eher Arbeitgeber vertritt, stellt in der Sendung gleich mehrere krass rechtswidrige Vorgehen fest. Doch die Zimmermädchen, die meistens schlecht deutsch sprechen und auf jeden Euro angewiesen sind, können sich nicht wehren.
Luxushotels drücken sich um ihre Verantwortung
Zum schmutzigen Geschäft mit der Sauberkeit wollten sich die betroffenen Berliner Luxushotels Kempinski und Astoria Waldorf, das zur Hilton-Kette gehört, nicht konkret äussern, vor der Kamera schon gar nicht. Verantwortlich für das Putzpersonal seien Drittfirmen, die das Einhalten aller gesetzlichen Normen garantiert hätten, liessen sie RTL mitteilen. «Outsourcen» bedeutet «was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss». In den recherchierten Fällen habe die Reinigungsfirmen die Arbeiten zum Teil wiederum an Subfirmen weiter gereicht. Die ganze Kette verdient an den Zimmermädchen mit, nur diese selbst werden als Menschen dritter Klasse in schlimmster Manier ausgebeutet.
Wallraff hofft auf ein Durchgreifen
Bereits im vergangenen Jahr war der Enthüllungsjournalist für die einstündige Reportage ‹Günter Wallraff deckt auf› in die Rolle eines Paketboten geschlüpft. Mit versteckter Kamera hatte er dokumentiert, unter welch unwürdigen Bedingungen die Beschäftigten in dieser Branche arbeiten. Diese Enthüllungen hatten zu heftigen Diskussionen geführt und die Verantwortlichen aus der Paketdienstbranche zum Handeln gezwungen. Einen solchen Effekt verspricht sich Günter Wallraff auch von der Ausstrahlung der neuen Undercover-Reportage: «Diese aufrüttelnde Langzeit-Reportage wird ganz sicher nicht ohne Folgen bleiben, denn hier werden Verantwortliche und Profiteure beim Namen genannt. Die Politik darf die Augen vor dieser Form der Entrechtung von wehrlosen Arbeitskräften nicht weiter verschliessen. Es müssen strenge Kontrollen durchgeführt werden, dazu müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. In der Diskussion um die längst überfällige Einführung von Mindestlöhnen liefern wir mit unseren Rechercheergebnissen zusätzliche Argumente.»
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Das nachträgliche Konsultieren der RTL-Sendung ist kostenpflichtig (Teleboy).
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine