Sperberauge
Im deutschen Arbeitsministerium wird nicht mehr nachts geputzt
Die Nachricht steckte ganz unten in einem Interview über den Mindestlohn und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Paketboten: Im deutschen Arbeitsministerium werde nicht mehr nachts geputzt, erklärte der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil am 9. April in einem Interview mit der «Bild am Sonntag».
Arbeit, die sonst wie von Zauberhand über Nacht erledigt werde, werde dadurch für alle sichtbar. Zu sehen, wer da den Dreck wegmache, tue allen gut. Vor allem Arbeitskräfte in Dienstleistungsberufen, die nachts arbeiteten, bekämen wenig Aufmerksamkeit und Wertschätzung für ihre strapaziöse Arbeit.
Der verschobene Stundenplan habe aber Folgen für ihre Gesundheit und ihr Familienleben. «Es kann nicht sein, dass es die einen immer bequemer haben, während andere unter miesen Bedingungen schuften müssen», sagte Heil der «Bild am Sonntag». Der SPD-Politiker, der schon öfter mit ähnlichen Ideen von sich reden machte, putzte auch schon selbst. 2019 reinigte er Zimmer im Klinikum Bergmannsheil in Bochum.
Regelung gilt im BMAS schon seit Jahren
Ganz so neu, wie es den Anschein machte, ist die Regelung nicht. Nach Auskunft der Pressestelle des Arbeitsministeriums gibt es entsprechende Regelungen zu den Arbeitszeiten der Reinigungskräfte im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) schon seit einigen Jahren.
In den Gebäuden in Berlin werde zwischen 5 und 14 Uhr geputzt, in Bonn überwiegend zwischen 15.30 und 19.30 Uhr. Konferenzbereiche in Bonn würden frühmorgens zwischen 5 und 7 Uhr gereinigt. Als Nacht gilt nach den Tarifbestimmungen die Zeit von 22 bis 5 Uhr.
«Da werden aber einige den Glauben an die Heinzelmännchen verlieren»
Auf dem Facebook-Kanal der SPD-Fraktion glaubten viele Leserinnen und Leser, die Umstellung sei erst kürzlich geschehen. Dort gab es neben zustimmenden auch zweifelnde Kommentare. «Da werden einige den Glauben an die Heinzelmännchen verlieren», findet jemand. Ein anderer Nutzer gibt zu bedenken, dass Putzfrauen unter anderem deshalb nachts arbeiten müssten, weil sie niemanden für die Kinderbetreuung haben. Oder weil Reinigungspersonal tagsüber einer anderen Arbeit nachgehe.
«Bei meiner derzeitigen Arbeitsstelle kam und kommt die Reinigungskraft schon immer während der Bürozeiten – was ich persönlich gut finde», schreibt ein Facebook-Nutzer. «So kann ich ihre Arbeit wertschätzen und gleichzeitig mein Verhalten schärfen, nicht zu viel Schmutz zu verursachen».
Heil will Regelung auf alle öffentlichen Gebäude ausdehnen
Heil möchte, dass die Tagsüber-Reinigung in allen Ministerien zum Standard wird. Auch in anderen öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Behörden soll es keine vermeidbare Nachtarbeit mehr geben. Ausserdem regte er an, öffentliche Aufträge auf Bundesebene nur noch an Unternehmen zu vergeben, die auch Tarifverträge abgeschlossen haben – ebenfalls keine neue Forderung, die von der SPD aber immer wieder erhoben wird.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Das ist so wunderbar moralisch, dass keiner den Zynismus drin merkt. Deutschland ist Europas Billiglohnparadies, dank SPD und CDU. Mit dieser werbewirksamen Feigenblattaktion, die vor allem den Heil aufs Plakat bringen soll, ändert sich gar nichts an Entlohnung und Sozialverträglichkeit. Auch nicht daran, dass diese Bundesregierung die teuerste aller Zeiten ist, mit einer Explosion an Staatssekretären, sonstigen Posten, Kosten für Berater und Baumaßnahmen im Regierungsviertel. Es tut mir richtig weh, diesen verlogenen Zynismus ansehen zu müssen und ich bin froh, schon lange nicht mehr in diesem Land zu leben, dass kein Geld für arme Rentner, Schulen, dörfliche Infrastruktur usw. hat, wohl aber für den größten Bundestag aller Zeiten und Aktionen wie diese. Es ist wirklich mittlerweile schwer auszuhalten, was so alles durchgeht und wer sich auf Kosten von Geringverdienern wieder einmal wichtig machen darf.