Gefeierte Babyarbeit für Denner-Spot
Ein Werbeclip mit einem echten Baby ist gerade ein Vollerfolg für den Lebensmittelhändler Denner. Mittlerweile über eine Million Klicks verzeichnet das Video auf Youtube – schweizweit am meisten im 3. Quartal 2021. Und kürzlich gewann der Film einen «Edi». Damit zeichnet das Eidgenössische Departement des Innern zusammen mit dem Branchenverband Swissfilm Association Auftragsfilme aus. In der Begründung der Jury heisst es, der Hauptdarsteller spiele «mit seiner Präzision alle Schauspielkollegen gegen die Wand» (sic!).
Die Werbebranche ist begeistert. Dies sind auch der Blick und die SonntagsZeitung der Grosskonzerne Ringier und TX Group, welche beide auch mit dem Verkauf von Denner-Werbung Geld verdienen. Die Hauptbotschaft der beiden Artikel im Peoplemodus: Jöö! Viele Menschen schauen sich gerade dieses Video an. Tun sie es auch!
Beabsichtigte Authentizität
Es gibt jedoch auch kritische Reaktionen auf den Clip. Auf YouTube meint eine Userin: «So ein Blödsinn, Babys für Werbezwecke zu missbrauchen.» Und Tamara Parham von Kinderschutz Schweiz findet «auf keinen Fall» in Ordnung, dass Kinder in der Werbung mit deutlich erkennbarem Gesicht gezeigt werden.
Weshalb wurde denn mit echten Babys gearbeitet? Auf Anfrage erklärt die verantwortliche Agentur Thjnk: «Babys haben den Jöö-Faktor, aber sie wecken vor allem Emotionen und darum geht es im Storytelling.» Und Denner erklärt, dass man sehr wohl darüber nachgedacht hatte, den Clip mit einem animierten Baby zu produzieren. Wegen authentischerem Resultat habe man aber richtige Kleinkinder gewählt. «Mit echten Darstellern zu filmen ist aufwändiger und der Ausgang der Dreharbeiten unvorhersehbarer, aber für uns stimmiger,» schreibt Mediensprecher Thomas Kaderli auf Anfrage. Echte Babys sind also schlichtweg besser geeignet, echte Emotionen auszulösen. Deshalb lässt Denner in der Werbung Kinder arbeiten.
Kaderli findet: «Kinderarbeit ist in diesem Zusammenhang kein passender Ausdruck, denn Kleinkinder verrichten keine Arbeit. Sie machen nur, worauf sie gerade Lust haben.» Unabhängig davon, wie man «arbeiten» definiert haben will und wie man den freien Willen von Säuglingen beurteilt: Die beiden Kinder haben für Denner – gerade weil sie aus Fleisch und Blut sind und gerade weil ihr Gesicht deutlich erkennbar ist – einen Wert generiert. Und sie haben dafür Geld erhalten: Die Agentur Thjnk bestätigte auf Anfrage: «Minderjährige Darsteller werden in Form einer marktüblichen Entschädigung an die Erziehungsberechtigten entschädigt. Zu den Konditionen machen wir keine Angaben.» Auch zur eigentlichen Dauer der Arbeit wollte man keine genauen Angaben machen. Bloss: Die Dreharbeiten fanden an zwei Tagen statt.
Babyarbeit ist legal
Tatsache ist: Babyarbeit ist in der Werbung ohnehin legal. Die Schweiz kennt nämlich nur einen Jugendarbeitsschutz, der sich vorwiegend gegen Missbrauch von Kindern als Arbeitskräfte im Schulalter richtet. Als «jugendlich» gelten alle Arbeitnehmende ab der Geburt bis zum 18. Geburtstag. In einer Broschüre zum Jugendarbeitsschutz des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO heisst es: «Die Beschäftigung Jugendlicher unter 15 Jahren ist zulässig bei kulturellen, künstlerischen und sportlichen Darbietungen sowie in der Werbung, sofern sie keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit, die Sicherheit und die Entwicklung der Jugendlichen hat und weder den Schulbesuch noch die Schulleistung beeinträchtigt.» Die Beschäftigung darf allerdings höchstens 3 Stunden pro Tag und 9 Stunden pro Woche dauern und muss bei der zuständigen Behörde im Voraus angemeldet werden.
Kinderschutz Schweiz liegen keine Meldungen vor, dass die Bedürfnisse von Kleinkindern bei Werbedrehs verletzt würden. Deshalb müsse das Jugendarbeitsschutzgesetz auch nicht verschärft werden. Doch besonders in der Werbung ist Kinderarbeit eben eng mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte verzahnt. In der kommerziellen Kommunikation ist es nicht zulässig, eine Person ohne ausdrückliche Zustimmung abzubilden. Eltern können aber für ihre nicht urteilsfähigen Kinder zustimmen. Tamara Parham von Kinderschutz Schweiz: «Kinder müssen sichtbar sein bei uns in der Gesellschaft. Die Frage ist aber: Wie stellen wir Kinder in digitalen oder analogen Abbildungen dar? Kindheit kann auch so dargestellt werden, dass die Privatsphäre geschützt wird.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor ist Vater zweier kleiner Kinder.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Solange sich «Erwachsene» wegen dieser Werbung mit Kleinkind beeinflussen lassen haben die Werber und die Grossisten Erfolg. Frage: Wieviel Druck erhielt dieses Kleinkind von den Eltern wegen der Bezahlung ?
Werbespots, die sich den Jö-Effekt von Kleinkindern/Babies zu eigen machen, zeugen erstens von einer Fantasielosigkeit der Werbetreibenden und sind zweitens moralisch äußerst fragwürdig, weil sie eben diese kostbare Unschuld in Dienst des überbordenden Konsumwahns stellen.
Auch über Werbung, die Kindern im (Vor-)Schulalter gesteltzte, neunmalkluge Worte in den Mund legen, kann ich nur den Kopf schütteln.