Die Schweiz kann auch zu viel exportieren
Die Zahlen zur Leistungsbilanz und zum Auslandsvermögen der Schweiz wecken – einmal mehr – Zweifel am System der Vollbeschäftigung durch Exporterlöse. Der Trend der letzten Jahre ist eindeutig: Das Auslandsvermögen der Schweiz verrottet. In den vergangenen zehn Jahren hat die Schweiz zwar einen Leistungsbilanzüberschuss von 552 Milliarden Franken kumuliert, doch das Nettovermögen ist bloss um magere 27 Milliarden gestiegen – plus minus ein paar Dutzend Milliarden Statistical Error.
Die Schweiz teilt damit das Schicksal aller Länder mit chronischen Exportüberschüssen: Die Überschüsse müssen sie notgedrungen in den weichen Währungen der Defizitländer anlegen. Da ist ein Wertverlust schon mal programmiert.
Aufwertung entwertet Auslandguthaben
Dazu kommt aber noch ein Hebeleffekt: Die Schweiz hatte Ende März 2015 ein Netto-Devisenguthaben im Wert von 2,4 Billionen Franken, nämlich 3,6 Billionen Guthaben gegenüber 1,2 Billionen Devisenschulden. Jede Aufwertung des Frankens um durchschnittlich 1 Prozent entwertet das Auslandsguthaben der Schweiz um circa 24 Milliarden Franken.
50 Milliarden jährlich in den Sand gesetzt
Die Schweiz hält also ihre Guthaben in weichen Währungen. Wer Exportüberschüsse erzielen oder gar Exportweltmeister werden und bleiben will, braucht Schuldner – und das sind nun mal Defizit- bzw. Weichwährungsländer. Also stellt sich für die Schweiz nicht die Frage nach der optimalen Allokation der Wertschriften, sondern nach dem Sinn von chronischen Exportüberschüssen. Wie die Statistik zeigt, hat die Schweiz Jahr für Jahr rund 50 Milliarden in den Sand gesetzt. Hätte man das Geld nicht besser einsetzen können?
Vollbeschäftigung dank Exportüberschüssen?
Die Frage ist insofern falsch gestellt, als es «man» nicht gibt. Die Überschüsse sind nicht das Ergebnis einer zentralen Planung, es gibt keine Instanz, die daran kurzfristig etwas ändern könnte, aber es gibt viele Kräfte, die am Erhalt des Status quo interessiert sind. Dazu gehört natürlich die Exportindustrie, aber auch die Gewerkschaften halten an den Arbeitsplätzen in der Exportindustrie fest. Das ist der Grund, warum es weder in der Schweiz noch in Deutschland eine ernsthafte Diskussion über Alternativen zum Modell der Vollbeschäftigung durch Exportüberschüsse gibt.
Dabei sind die Mängel dieses Modells nicht nur in der Statistik der verrottenden Auslandsvermögen klar erkennbar. Dazu ein paar Stichworte: Die Exportindustrie beschäftigt weniger Leute, als man denkt, und hat per Saldo in den letzten Jahren immer nur Stellen abgebaut. Hätte man die Ressourcen stattdessen z.B. in den Umbau der Energieversorgung gesteckt, wären viel mehr Stellen entstanden.
Die Schweiz exportiert Arbeitslosigkeit und erntet Einwanderung
Die Nationalbank wird mit der Entsorgung der Exportüberschüsse zunehmend allein gelassen und ist damit überfordert. Das zeigen übrigens auch die neusten Zahlen. Schliesslich exportiert die Schweiz mit ihren Überschüssen Arbeitslosigkeit und erntet Einwanderung – die auch nicht immer erwünscht ist.
Wie also kommt die Schweiz aus ihrer – unter anderem mit der 2. Säule – selbst gestellten Falle hinaus? Im Beitrag «Die Schweiz braucht endlich ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell» bin ich bin ich auf diese Frage eingegangen.
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Dieser Beitrag erschien auf dem Portal «Flassbeck Economics»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Die Auslandvermögen sind in der Tat einer nachhaltigen Entwertung ausgesetzt, denn eine signifikante Erholung des Euro gehört wohl wie «Alice» ins Wunderland! Es nützt auch nichts, ständig von einer fairen Bewertung des CHF bei 1.30 gegenüber dem Euro zu sprechen, wie dies die Exportindustrie und selbst auch die SNB tut. Letztere kann natürlich nicht anders, sie muss ja die Marktteilnehmer im Glauben lassen, der Euro werde zu einem höheren Niveau zurückfinden. Vergegenwärtigen wir uns doch die Schulden im gesamten Euroraum mit denjenigen der Schweiz! Bereits dieser Vergleich spricht für einen weiter zur Stärke neigenden CHF!
Und da wollen noch viele Stimmen einen Schweizer Staatsfonds mit ausländischen Aktien zusammenstellen? Und dies nachdem die SNB mit ihren Devisenpositionen längst grosse Schlagseite erlitten hat!