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Väter, die freiwillig Teilzeit arbeiten, um mehr Zeit für die Familie zu haben, sind glücklich! © ikk

Bestätigt: Teilzeit-Väter sind nicht unglücklich!

Urs P. Gasche /  Die «brisante» Information von «Tages-Anzeiger», «Bund» und «20-Minuten» entpuppt sich definitiv als falsch.

«Teilzeitarbeit macht Väter unglücklich» hiess die Schlagzeile in Zeitungen der Tamedia-Gruppe zu einem angeblich «brisanten Befund». Demnach seien Väter, die 40 bis 56 Stunden pro Woche einer Erwerbsarbeit nachgehen, mit dem Leben zufriedener als Väter, die nur Teilzeit arbeiten.
Unter dem Titel «Die reizende Schlagzeile steht auf wackligen Füssen» stellte Infosperber den «brisanten Befund» der Tamedia-Zeitungen am 11. Juli in Frage.
In erster Linie kritisierten wir, dass die als Quelle benutzte Studie unter den Teilzeit arbeitenden Väter nicht unterschied, ob die Väter ihr Arbeitspensum freiwillig reduzierten, um mehr Zeit für Kinder und Familie zu haben, oder ob die Väter gegen ihren Willen keine vollen Stellen hatten.

Auswertung des Schweizer Haushaltpanels

Für die allgemeine Lebenszufriedenheit ist es sehr wichtig zu unterscheiden, ob Väter gezwungenermassen oder freiwillig Teilzeit arbeiten. «Tages-Anzeiger», «Bund» und «20 Minuten» übernahmen den «brisanten Befund» unkritisch vom deutschen Soziologieprofessor Martin Schröder, der Resultate der jahrelangen und repräsentativen Befragung des Schweizer «Haushalt-Panels» ausgewertet habe. Es blieb unbemerkt, dass Schröder nicht unterschied, ob die angeblich weniger zufriedenen Teilzeit-Väter freiwillig oder gegen ihren Willen Teilzeit erwerbstätig waren.
Diese Unterscheidung hat jetzt Ursina Kuhn, verantwortliche Wissenschaftlerin für die Umfragen des Schweizer Haushalt-Panels, gemacht und das Resultat auf «DeFacto» des «Instituts für Politikwissenschaft» der Universität Zürich veröffentlicht. Kuhn verglich die Angaben der Väter mit Kindern bis zum Alter von 15 Jahren in den Umfragejahren 2012 bis 2016. Das Resultat:

  • «Teilzeit arbeitende Väter sind [mit ihrem Leben] nur unglücklicher als Vollzeit arbeitende, wenn sie die Teilzeitarbeit nicht freiwillig gewählt haben.»

Weiter verdeutlicht Ursina Kuhn: «In der Schweiz sind Väter, die Vollzeit arbeiten, insgesamt tatsächlich zufriedener als diejenigen, die Teilzeit arbeiten. Sobald wir aber zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Teilzeitarbeit unterscheiden, zeigt sich ein anderes Bild … Freiwillige Teilzeitarbeit geht nicht mit einer tieferen Lebenszufriedenheit einher.»
Lebenszufriedenheit von Vätern nach Anzahl wöchentlicher Arbeitsstunden und freiwilliger resp. unfreiwilliger Teilzeitarbeit

Lebenszufriedenheit auf einer Skala von 0–10 (hier nur der Ausschnitt zwischen 7,0 und 8,5). Gelb: Väter, welche freiwillig Teilzeit arbeiten. Blau: Alle Väter. Leider zeigt die Grafik nicht, wie zufrieden Väter sind, die unfreiwillig Teilzeit arbeiten. Die schwarzen Striche zeigen die statistische Unsicherheit. Grössere Auflösung der Grafik hier.
Väter mit Kindern im Alter bis zu 15 Jahren, die freiwillig nur 34 bis 38 Stunden pro Woche arbeiten (gelber Balken), erklären sich sogar tendenziell leicht zufriedener als vergleichbare Väter, die 44 bis 48 Stunden erwerbstätig sind.
Erstaunlicherweise zeigt die Panel-Auswertung, dass Väter, die Überstunden machen (zwischen 54 und 59 Arbeitsstunden pro Woche), die höchste durchschnittliche Zufriedenheit mit ihrem Leben aufweisen. Über die Gründe sagen die Umfrageergebnisse nichts aus. Vielleicht identifizieren sich Männer mit stark überhöhten Arbeitszeiten besonders stark mit ihrem Beruf und mit ihrer Arbeit.
Nach Gründen der allgemeinen Zufriedenheit wurde nicht gefragt
In den regelmässigen Umfragen des Haushalt-Panels werden die Väter nicht gefragt, wie zufrieden sie im Leben wegen ihrer vollen, halben oder fehlenden Erwerbsarbeit seien.
Beim vorliegenden Vergleich der allgemeinen Lebenszufriedenheit mit dem Arbeitspensum bleibt deshalb zu beachten, dass die Lebenszufriedenheit noch von etlichen andern Faktoren abhängt als von den Stunden der Erwerbsarbeit: von Bildungsstand, Gesundheit, Wohnsituation, Nationalität, Alter und, wie oben dargelegt, vor allem von der unfreiwillige Kurzarbeit.


Fazit: Väter, die ihre Erwerbsarbeit freiwillig etwas reduzieren und mehr Zeit für ihre Kinder haben, sind deswegen nicht unzufriedener als Väter die ihre Vollzeitarbeit behalten. Ausnahme: Die wohl besonders motivierten Arbeitssüchtigen in hoch bezahlten Stellungen.

NACHTRAG
Ein Infosperber-Leser hat die Zahlen von Ursina Kuhn des Schweizer Haushalt-Panels einmal in einem verzerrten Massstab dargestellt, ähnlich wie ihn der deutsche Soziologieprofessor Martin Schröder und die Tamedia-Zeitungen brauchten. Dann die identischen Zahlen in einer zweiten Grafik, wenn der Zufriedenheits-Massstab vollständig von 0 bis 10 gezeigt wird. Es ist ersichtlich, dass die Zufriedenheits-Unterschiede minim sind, wie Infosperber bereits unter dem Titel «Die reizende Schlagzeile steht auf wackligen Füssen» geschrieben hatte.
Extrem kleiner Zahlenausschnitt von 7,7 bis 8,3:

Ganzer Massstab von 0 bis 10:


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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3 Meinungen

  • am 18.07.2018 um 12:11 Uhr
    Permalink

    Urs P. Gasche beanstandet den fehlenden Einbezug der Freiwilligkeit der Teilzeit-Arbeit bei Vätern in diese wichtige Studie + präsentiert dafür nun quasi den Gegen-Beweis von Ursina Roth. Darf ich dazu einen weiteren Punkt beifügen?

    Dieser Soziologie-Prof. Martin Schröder erkennt einen weiteren Pferdefuss bei seinen Studien nicht.
    – Er geht von einem (grossen) Datenstamm aus, welcher zu einem doppelt vergangenen Selbstverständnis unserer Frauen + Männer gehört.
    — sowohl bei der vergangenen Studie: Das Selbstverständnis der 70-er-Jahre
    — wie auch bei seiner neuen Studie: Das Selbstverständnis von heute
    – Der Fehler besteht nun darin, diese Resultate unbedacht in die Zukunft zu übertragen, welche ’seine Frauen + Männer› ja noch gar nicht wirklich leben, also in einem gesellschaftlich relevanten Sinn noch gar nicht kennen können.

    Gesellschaftliche Veränderungen dieser Art brauchen viel Zeit + Geduld.
    – Es geht um neue Gender-Rollenbilder, welche einer neuen Arbeitsteilung zwischen Frau + Mann entsprechen.
    – Wir können heute für die Schweiz noch nicht aussagen, wie sich ‹die Frauen› + ‹die Männer› mit Teilzeit-Arbeit fühlen werden, wenn diese Gender-Rollenbilder dann irgendwann in der Zukunft im gesellschaftlichen Sinn zur neuen Arbeitsteilung passen.

  • am 18.07.2018 um 13:38 Uhr
    Permalink

    Danke für die wichtige Berichtigung; die ursprüngliche TA Berichterstattung war demnach tatsächlich eher recht irreführend.
    Zwei Kritikpunkte allerdings:
    1. Schade, werden am Schluss des Beitrages die Vielarbeitenden unnötig pauschal als Arbeitssüchtig verunglimpft. Genauso wie pensionierte Redakteure teilweise statt 0 Stunden, teilzeit für Infosperber arbeiten, gibt es im Arbeitsalter viele, die aus in vielerlei Hinsicht sehr lobenswerten Gründen Lebensphasen mit >42h/W Arbeit haben, ich kenne viele Beispiele: Sie sind tatsächlich Glücklich über die Möglichkeiten, über die Arbeit direkt oder den Verdienst davon indirekt gesellschaftlich oder persönlich etwas zu erreichen, arbeiten in Wissenschaft oder in der Privatwirtschaft, aber haben Gemeinsam, dass sie nicht Arbeitssüchtig sind, und bei weitem nicht alle sind überbezahlt.
    2. Statistische Zahlen sind nie genau, sondern mit Unsicherheit behaftet, diese wird vernachlässigt. Es ist z.B. nicht klar, ob die höheren Zufriedenheitswerte der Vielarbeitenden in der Studie auch nur zufälliger Natur sein könnten oder nicht. Siehe schwarze Punkte in der Grafik; sie suggerieren eine erhebliche Unsicherheit der Resultate, auch wenn leider fehlende Angaben hier keine eindeutigen Aussagen zulassen.

  • am 18.07.2018 um 23:05 Uhr
    Permalink

    @Staudacher: Ich kann Ihnen nur zustimmen! Sie legen den Finger in die – effektiv klaffende – Wunde dieser Studie.

    Analogie: Eine Umfrage unter Männer würde unzweifelhaft aufzeigen, dass sie sich in Röcken massiv weniger wohl fühlen als in Hosen. Nun zu schlussfolgern, dass für Männer das Kleidungsstück ‹Rock› ungeeignet respektive ungeeigneter ist als für Frauen, wäre jedoch vollkommener Quatsch. Denn: Nicht der Rock per se – so wenig wie die Teilzeitarbeit per se – ist die Ursache für das Unglücklich-Sein der Männer, sondern einzig und allein ihr Rollenbild (das Männer – und auch die überwiegende Zahl der Frauen – von einem Mann haben).

    Gerade weil die meisten Männer (und Frauen) dieses ‹männliche› Rollenbild als derart selbstverständlich/völlig bzw. einzig richtig/normal/natürlich empfinden, löst ein Abweichen davon (z.B. einen Rock zu tragen bzw. Teilzeit zu arbeiten) ein Gefühl des Unbehagens aus. Es ist dieses Unbehagen ("Identitätsverlust"/"Aus-der-Rolle-Fallen"/"Neben-den-Schuhen-Stehen"), das in der Umfrage als Bewertung «unglücklicher» manifestiert.

    Dass Soziologie-Professoren solche Basics (aus dem Grundstudium) bei ihren «Studien» so leicht verdrängen können, lässt sich wohl nur damit erklären, dass sie hierfür von den Mainstream-Medien (und in der Folge auch anderweitig, z.B. von «Think Tanks», «Kommissionenposten") belohnt werden.

    Vielleicht einmal eine Studie wie die Aussicht auf Publizität und Mammon sogar basale Überlegungen korrumpieren kann? …

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