Wassernotstand zwingt Dorf zu Baustopp
Rund 1500 Seen, 890 km2 Gletscher und unzählige Flüsse und Bäche: Die Schweiz sollte als Wasserschloss Europas eigentlich keine Probleme mit der Wasserversorgung haben. Doch mancherorts sind Einwohner und Bauern regelmässig mit Wassermangel konfrontiert. Dieses Phänomen wird durch den Klimawandel und die prognostizierte Reduktion von Regenfällen im Sommer zunehmen.
Die Schweiz, das Wasserschloss Europas
In der Schweiz befinden sich rund 5 Prozent der Süsswasserreserven des europäischen Kontinents. Etwa 40 Prozent des Trinkwassers stammen aus Quellen, weitere 40 Prozent aus grossen unterirdischen Grundwasservorkommen und die restlichen 20 Prozent aus Oberflächengewässern, hauptsächlich aus Seen.
Quelle: Akademie der Naturwissenschaften Schweiz
Die kleine Neuenburger Gemeinde Enges mit 270 Einwohnern sorgt also vor. Mitte April beschlossen die Behörden, ein Wohnprojekt für 140 Personen zu blockieren und den Bau neuer Häuser für mindestens zwei Jahre zu verbieten. Der Grund: der Mangel an Trinkwasser.
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Enges liegt zwar nur wenige Kilometer vom Neuenburger- und Bielersee entfernt, aber auf 800 Metern Höhe. Die Gemeinde verfügt nur über eine einzige Wasserquelle. Wegen der Trockenheit der letzten Jahre reicht der Brunnen jedoch kaum aus, um den aktuellen Bedarf zu decken. Enges kann zwar auf zusätzliches Wasser aus benachbarten Gemeinden zählen, doch diese haben im Sommer und Herbst ebenfalls Schwierigkeiten, den Wasserbedarf zu decken, wie Claude Gisiger, Gemeindepräsident von Enges, dem französischsprachigen Schweizer Radio RTS erklärte.
Die Gemeinde Enges habe eine «kluge Entscheidung» getroffen, sagt Raffaele Domeniconi vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches SVGW gegenüber swissinfo.ch. «In der Schweiz haben wir das Glück, Wasser im Überfluss zu haben. Doch Quellen und Grundwasser stehen wegen der intensiven Landwirtschaft und der Ausweitung der Bautätigkeit zunehmend unter Druck.»
Laut Domeniconi gibt es Gemeinden, die sich demographisch entwickeln, ohne die Wasserleitungen zu erweitern. Er nennt als Beispiel Mergoscia, ein Dorf mit rund 200 Einwohnern im Kanton Tessin. «2018 befand sich das Dorf in einem grossen Wassernotstand. Der Aquädukt, der vor etwa vierzig Jahren gebaut wurde, reicht nicht aus, um eine Bevölkerung zu versorgen, die sich im Sommer durch den Tourismus vervierfacht».
Auch die Wasserqualität ist bedroht
Die Diskussion über Trinkwasser dürfe nicht nur quantitativ geführt werden, warnt Domeniconi. «In der Schweiz kann mehr als ein Drittel des aus dem Boden entnommenen Wassers unbehandelt getrunken werden. Wenn wir jedoch unsere Quellen nicht schützen, könnten viele von ihnen in Zukunft unbrauchbar werden.»
Besonders beunruhigend ist die Situation im Mittelland, das intensiv landwirtschaftlich genutzt wird. «70 Prozent der Einzugsgebiete enthalten Nitrate. Die Werte sind niedriger als die gesetzlich vorgeschriebenen, aber dennoch beunruhigend. Deshalb wollen wir Gemeinden und Politiker für die Thematik der Wasserqualität sensibilisieren», sagt Domeniconi.
Wenn rechtzeitig gehandelt wird, zum Beispiel durch die Vernetzung von Wasserleitungen zwischen Gemeinden oder durch die Erschliessung neuer Quellen, wird die Schweiz in Zukunft keine grösseren Wasserprobleme mehr haben, betont Domeniconi. «Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass der ‹Rohstoff› des Trinkwassers, also die Quellen, erhalten bleiben müssen.»
Dieser Beitrag erschien zuerst auf swissinfo.ch. Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Wassermangel in der Schweiz? Ehrlichkeit wäre angebrachter, als einmal mehr Panikmache wegen des Klimawandels: Bei 3 Millionen Einwanderern in den vergangenen 40 Jahren muss auch mal das Wasser knapp werden, der Strom und der Platz sind es ja schon lange. Neue Siedlungen werden auch wegen der Zweitwohnungsinitiative nicht gebaut, also ist es kein wirkliches Problem, wenn eine Gemeinde an einem Jurahang keine neuen Wohnungen baut. Weiter muss man mal den Ballenberg besuchen: Da gibt es nämlich Häuser, die haben keine Türschwellen. Warum? Weil sie im Jura standen. Da braucht es die nicht, denn der Karstboden ist so durchlässig, dass kein Wasser in die Häuser fliessen kann, weil aller Niederschlag umgehend versickert. Der Jura ist wegen seiner Geologie äusserst arm an Oberflächengewässern und Grundwasser. Ähnliches gilt auch für den Tessin. Das hat mit dem Klimawandel rein gar nichts zu tun. Das Problem fusst also eher auf einem uneinsichtigen Wachstumsdenken und auf Überbevölkerung, denn auf dem Klimawandel.
Was für eine reisserische Aufmachung und danach nichts dahinter. «Wassernotstand», ein Bild vom Rheinfall, danach einschlicht ein unbedeutendes, organisatorisches Problem eine winzigen Gemeinde.
Das törnt mich völlig ab den Infosperber zu lesen. Der Tagesanzeiger hat es vor einigen Jahren vorgemacht und gilt unterdessen bis tief in linke Kreise als nicht mehr ernst zu nehmend…
Das Problem ist nicht trivial wie die Kommentatore suggerieren, auch wenn wir in der Schweiz sehr viel komfortabler dastehen als die meisten anderen Länder. Ich kenne ein kleines Bergdorf in Graubünden auf 1500 müM, das an und für sich reich mit bestem Wasser gesegnet ist und bis vor kurzem auch nie das geringste Problem mit der Wasserversorgung hatte. Beim letzten trockenen Sommer versiegten jedoch einige der Quellfassungen und sogar der Bach führte kaum noch Wasser. Das Wasser wurde zwar nicht rationiert, aber dennoch erstmalig eine Mahnung zum sparsamen Umgang publiziert. Für die Einwohner ist das Problem natürlich nicht «unbedeutend».
Die auslösende aussergewöhnliche Trockenheit hat vermutlich schon mit der Klimaerhitzung zu tun.