deadfish2197138__340

Während des Perm-Zeitalters starben mehr als neun von zehn Arten aus. Das könnte wieder passieren. © CC

Geophysiker warnt vor Massensterben in diesem Jahrhundert

D. Gschweng /  Ursache ist zu viel CO2 in der Luft. Ob der Klimawandel menschengemacht sei, spiele dabei keine Rolle.

Wird weiter so viel Kohlendioxid in die Meere eingetragen, könnten die Meere in den kommenden hundert Jahren einen Kipppunkt erreichen. Dieser kann ein Massenaussterben auslösen, sagt der Geowissenschaftler Daniel H. Rothman. Ob der Klimawandel menschengemacht sei oder nicht, spiele dabei keine Rolle.

Rothmans Aussage stützt sich auf die Analyse vergleichbarer Ereignisse in der Geschichte. In einer im US-Magazin «PNAS» veröffentlichten Studie untersuchte Rothman die Brüche im Verhalten des Kohlenstoffkreislaufs der Meere in den vergangenen 540 Millionen Jahren. Nur einige davon führten zu einem Massensterben im Meer. Bei insgesamt fünf solcher Ereignisse gingen jedoch drei Viertel der marinen Arten verloren, stellte Rothman schon 2017 fest. Die Veränderung der Umweltbedingungen geschah so schnell, so heftig oder unter so ungünstigen Umständen, dass die Evolution nicht Schritt halten konnte.

Die Ursache der CO2-Katastrophen spielt keine Rolle

Die Ursachen für den CO2-Eintrag waren verschieden. Ob Methanansammlungen, Vulkanausbrüche oder Meteoriteneinschläge, die Brüche verhielten sich jedoch immer gleich. Das sei nicht weiter verwunderlich, sagt der Professor der Geophysik und Co-Direktor des Lorenz-Zentrums im MIT Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences. In einem Interview mit «The Real News» beschreibt er, warum. Im Grunde ist seine Untersuchung die mathematische Abbildung eines dynamischen Systems, hinter dem immer der Kohlenstoffkreislauf steckt.

Nur vergleichsweise wenige Klimaveränderungen haben zu einem Massensterben im Meer geführt. Rothman stellte fest, dass es zwei Arten dieser fatalen Veränderungen gab. Die, die schnell und intensiv geschahen, und die, die sich langsam vollzogen. Bei den langfristigen Änderungen, die Zehntausende von Jahren dauerten, spielte es eher eine Rolle, in welcher Geschwindigkeit CO2 ins System eingebracht wurde. Bei kurzfristigen Brüchen war die Menge entscheidend.

Ist die Schwelle überschritten, setzt eine Kettenreaktion ein

Was beiden Kategorien noch gemein war: Wurde eine Schwelle überschritten, setzte dies eine Kettenreaktion in Gang. Rothman erklärt das damit, dass der Kohlenstoffkreislauf der Ozeane in einem gewissen Rahmen pendeln kann. Wird dieser Rahmen überschritten, setzt eine Kaskade weiterer Ereignisse ein.

Geologen rechnen in Zeiträumen von Hunderten, Tausenden oder Zehntausenden Jahren. Die derzeitige Änderung des CO2-Gehaltes der Luft und damit der Ozeane hat nach diesen Massstäben also gerade erst begonnen. Die Geschwindigkeit, mit der sie geschieht, ist höher als alles bisher Dagewesene, was jedoch eine untergeordnete Rolle spielt. Bei schnellen Veränderungen sei die CO2-Menge entscheidend, die ins System kommt, betont Rothman. Sollte also noch mehr CO2 in die Ozeane gelangen, könnten wir noch in diesem Jahrhundert einen fatalen Kipppunkt erreichen.

Es könne zu einem «sechsten Massensterben» kommen

Ganz exakt ist diese Aussage nach zeitlichen Massstäben nicht. Am besten übersetzt wird sie mit «sollten die Ozeane weiter versauern, haben wir in 50, 100 oder vielleicht auch 200 Jahren den Point of no return erreicht, bei dem es zu einem sechsten Massenaussterben kommen kann». Was – wissenschaftlich gesehen – danach geschieht, sei noch nicht genau erforscht, erklärt Rothman. Seine Studie sei ein erster Versuch, das herauszufinden. Sicher sei nur, dass, sollte sich nichts ändern, es einen Bruch geben werde, der sich erst in etwa zehntausend Jahren voll auswirken werde. Ob dieser Prozess von Menschen umkehrbar sei, hänge davon ab, wie gut man ihn verstehe.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Plünderung Weltmeere

Die Plünderung der Weltmeere

Das reichhaltige und wundervolle Leben im Meer wird dezimiert. Industriell und rücksichtslos bis zum Ende.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

6 Meinungen

  • am 3.08.2019 um 12:09 Uhr
    Permalink

    Habe kürzlich einen Beitrag von 2001 Alpha Centauri gesehen, wo Harald Lesch erklärt, warum Eiszeiten immer wieder auftreten. Seine damaligen Erklärungen: Kontinentaldrift unterbindet warme Meeresströmungen. Weiter erklärte er, aufgrund der Verteilung schwerer Sauerstoffisotope könne bewiesen werden, dass sich in geraumer Vorzeit die Temperatur der Erde innert eines Jahrzehnts um 14 °C erhöht habe, was mit dem Aussterben der Saurier in Zusammenhang gebracht wird. Anzusehen unter https://www.br.de/mediathek/video/alpha-centauri-wieso-kommt-es-zu-eiszeiten-av:5c1adf28b72b8b001a217b6d

  • billo
    am 3.08.2019 um 12:10 Uhr
    Permalink

    Die meisten Menschen, egal, ob sie am Meer leben oder fern von ihm, verstehen das komplexe Geschehen in den Meeren nicht – noch gar, dass es die ganze Erde und uns alle existenziell betrifft.
    Egal, wie viel CO2 durch menschliche Einwirkung in die Atmosphäre gelangt und von dort in die Meere, den grössten CO2-Puffer überhaupt: Wenn das so weiter geht wie seit geraumer Zeit, wird Irgendwann die Elastizitätsgrenze selbst des geduldigsten Ozeans überschritten sein, und dann werden die Prozesse chaotisch: Es sterben nicht nur ganz viele Tier- und Pflanzenarten in den Meeren aus, es verändert sich auch deren chemische Zusammensetzung und damit deren zentrale Funktion, die Atmosphäre mit Sauerstoff zu versorgen. Darum ist es zwingend, den menschgemachten CO2-Eintrag rasch und drastisch zu reduzieren, gerade auch dann, falls der Anstieg der CO2-Konzentration teilweise nicht menschgemacht sein sollte – der Streit hierüber ist lächerlich und lenkt von dem ab, was jetzt zu tun ist.
    Wer die komplexen Prozesse in den Meeren und deren existenzielle Bedeutung für jedes Leben auf der Erde verstehen will, lese das fantastische Buch des britischen Naturwissenschafter Callum Roberts:
    https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Mensch-und-das-Meer/Callum-Roberts/DVA-Sachbuch/e357900.rhd

  • DSCF8389
    am 3.08.2019 um 13:29 Uhr
    Permalink

    @Billo Heinzpeter Studer: Herrliche Erklärung, vielen Dank! Bleibt nur hinzuzufügen, dass eine solch drastische Veränderung der Meere an Land fatale Folgen haben wird.

  • am 4.08.2019 um 11:29 Uhr
    Permalink

    Das Problem der Menge

    Vorbei ist’s mit der alten Ruh,
    Umweltprobleme nehmen zu.
    Wir können sie nicht schlittern lassen.
    Wir müssen uns damit befassen:

    Das Artensterben muss uns schrecken.
    Ozonschicht kann uns nicht mehr decken.
    Das Gleichgewicht mit der Natur
    Das bleibt für uns ein Fernziel nur.

    Die Meere sind bald leer gefischt.
    Altlasten bringt der Abfallmist.
    Atommüll stellt uns viele Fragen;
    Niemand will Langzeitlager haben.

    Der Feinstaub kratzt in unsern Lungen;
    Ozon ist auch schon eingedrungen.
    Der Klimawandel bringt Orkane.
    Es steigen an die Ozeane.

    Ressourcen, nicht erneuerbare,
    Gezählt sind die Verfügungsjahre.
    Recycling ist zum Teil nicht möglich;
    Das sehen wir beim Abfall täglich.

    Der Mangel an trinkbarem Wasser
    Wird vieler Orten immer krasser.
    Die Wüsten schreiten ständig weiter.
    Wird denn die Menschheit nie gescheiter?

    Gefährdet sind die Regenwälder;
    Man braucht das Land für Sojafelder.

    Durch CO2, die Forschung spricht,
    Verlieren Meere ’s Gleichgewichturch CO2.

    Denn das ist leider unser Los:
    Die Welt ist nicht unendlich gross.
    Drum achtet, dass man’s nicht verdränge
    Und einbezieht ’s Problem der Menge.

    Markus Zimmermann, Kastanienbaum 2008

  • am 6.08.2019 um 15:17 Uhr
    Permalink

    Das könnte euch so passen! Ihr lässt einfach «offen», ob die Umweltkatastrophe menschengemacht ist oder nicht. Mit diesem «Argument» beweist ihr, dass ihr nicht Willens seid, der Ursache auf den Grund zu gehen. Es ist das System. Das System muss weg. Ich sag Sozialismus. Wer einen besseren Vorschlag hat, soll sich bei den Massen melden, die als Lohnsklaven das Hamsterrad drehen. Schaumermal, ob die mit machen!

  • am 6.08.2019 um 15:21 Uhr
    Permalink

    Es ist genug der Analyse! Jeder weiss es. Ist wie beim Rauchen, jeder weiss, dass es ungesund ist. Und? Weiter? Nix? Ich sag: Schluss mit dem Kapitalismus! Eine sozialistische Umwälzung ist überfällig! Hört endlich auf, von irgend einem Parlament etwas zu erwarten!

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...