Das nicht so ganz nachhaltige Trikot der deutschen Elf
Die deutsche Fussball-Nationalmannschaft ist zwar bereits zuhause. Deren Trikot gibt aber auch nach dem WM-Aus zu reden. Es bestehe zu 50 Prozent aus recyceltem Ozeanplastik, sagt Adidas. Das stimmt genau besehen nur ein bisschen, fand eine Recherche der «Zeit» und des Online-Magazins «Flip».
Die «Performance Version» des Trikots besteht laut Adidas aus Ozeanplastik. Das steht so im Halsausschnitt des Shirts. Die «Fan Version» besteht zwar ebenfalls aus recycelten Materialien, aber nicht aus Ozeanplastik.
Hersteller von Adidas bis Zara werben mit Kleidern und Schuhen aus Plastikmüll. Kunststofffasern, die sonst aus fossilen Rohstoffen hergestellt würden, werden dabei durch Recyclingfasern ersetzt.
Der dehnbare Begriff «Ozeanplastik»
Für das deutsche Nationaltrikot sammelt die Umweltorganisation Parley for the Oceans Plastik auf den Malediven und verwertet es zusammen mit Adidas weiter. Die Journalist:innen von «Flip» und «Der Zeit» reisten nach Male um sich das anzusehen und stellten fest: Der Begriff «Ozeanplastik» ist dehnbar. Das von Parley gesammelte Plastik stammt aus Resorts oder aus Sammelaktionen an Land.
Das kann man gelten lassen. Auf den Malediven gibt es keine umfassende Müllabfuhr, ein Grossteil dieses Plastikmülls würde über kurz oder lang im Meer landen. Plastik aus dem Meer sei für die Wiederverwertung zu schmutzig, schreibt «Flip».
Von 50 auf 20 Prozent
Das Garn für die Performance-Version des deutschen Nationaltrikots besteht laut Adidas zur Hälfte aus Parley-Plastik. Wörtlich: «Dieses Kleidungsstück wurde mit einem Garn hergestellt, das aus 50 Prozent Parley Ocean Plastic besteht – recyceltem Plastikmüll, der auf abgelegenen Inseln, an Stränden und in Küstenregionen gesammelt wird, um unsere Meere nicht zu verschmutzen.»
Aus internen Dokumenten, die «Flip» und «Die Zeit» von Adidas-Mitarbeitenden erhalten haben, geht hervor, dass das Plastik für Recycling-Textilien von Adidas aus vielen Ländern stammt. Der Konzern bekommt Plastikmüll aus der Dominikanischen Republik, aus Thailand und von den Philippinen. Länder, die das Unternehmen «Volume Countries» nennt und in denen Parley kein Plastik sammelt.
«Flip» rechnet nach und fragt Adidas. Der Anteil von Parley-Plastik an den Recyclingtextilien des Hauses liege allgemein bei 20 Prozent, bestätigt Adidas auf Nachfrage – ein deutlicher Unterschied zu 50 Prozent.
Was wusste Adidas von Kinderarbeit?
«Parley for the Oceans» ist weder in Thailand noch auf den Philippinen aktiv. Plastikmüll aus diesen Ländern sei heikel, sagt der deutsche Designer Cyrill Gutsch, Geschäftsführer und Gründer der Organisation. Der Grund: Kinderarbeit. Von der zweiten Plastikmüll-Lieferkette, aus der Adidas Kunststoff für seine Produkte gewinnt, weiss er nichts, obwohl Parley seinen Namen dafür hergibt.
«Flip» und «Die Zeit» begleiteten einen jugendlichen Müllsammler in der philippinischen Provinz Pampanga, nicht weit von Manila. Die PET-Flaschen, die er sammelte, gelangten über mehrere Müllhändler zu Adidas, fanden die Journalist:innen heraus.
Einer der Händler hat ein Transparent im Laden hängen, auf dem «Keine Kinderarbeit» steht. Im Gespräch gibt er zu, dass es «in der Gegend Kinderarbeit gibt». Nicht nur auf den Philippinen gibt es tausende informelle Müllsammler, die noch Kinder sind.
Schon vor zwei Jahren machte sich eine Adidas-Managerin Sorgen, dass Adidas mit Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden könnte. Das geht aus einer E-Mail hervor, die den Recherchepartnern vorliegt. Nach dem in Deutschland ab 2023 geltenden Lieferkettengesetz wäre der Konzern direkt verantwortlich.
Kinderarbeit dulde man nicht. Direkte Partner verpflichte der Konzern, die Geburtsurkunden von Beschäftigten in Kopie aufzubewahren, sagt Adidas offiziell.
Von 20 Prozent auf Null
Überhaupt stamme der Plastikmüll fürs DFB-Trikot gar nicht von den Philippinen, sondern «ausschliesslich von Stränden und aus Küstenregionen in Thailand», behauptet das Unternehmen dann.
Parley habe in Thailand Tests gemacht, sei dort aber nicht operativ tätig, sagt Gutsch den Journalist:innen am Telefon. Der Geschäftsführer ist schockiert. Weil das bedeutet, dass der Anteil an Parley-Plastik am Nationaltrikot nicht bei 50 Prozent und nicht bei 20 Prozent liegt, sondern bei null. Das Trikot besteht womöglich tatsächlich aus 100 Prozent, 50 Prozent oder 20 Prozent Recyclingplastik, aber nicht aus seinem.
Auf jedem Trikot steht aber «Made with Parley Ocean Plastics». Falls die Vorwürfe stimmen, wäre das Etikettenschwindel. Laut «Flip» überlegt sich Gutsch, den Vertrag mit Adidas zu beenden. Zumindest müsse es personelle Konsequenzen aus dem textilen Desaster geben, sagt er gegenüber den Recherchepartnern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Adidas ganz allgemein ist eine riesen Umweltsauerei!
Egal ob Ozeanplastik oder nicht, quer über die Welt zusammengesammelt und transportiert, unter Menschenunwürdigen Bedingungen und bis zu garkeinem Umweltschutz, hergestellt, wäre es besser für die Welt wenn es Adidas nicht gäbe.
Da hilft auch kein Ozeanplastik mehr….