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Mobilfunkstrahlung kann ihr Verhalten beeinflussen: zwei Bienen im Flug © cc-by-sa-3 Waugsberg

Mobilfunkstrahlung kann Bienen schaden

Pascal Sigg /  Eine Studie des BAFU zeigt: Handystrahlung kann Insekten schädigen. Doch es wird viel zu wenig geforscht.

Mobilfunkstrahlung kann Insekten schädigen. Doch wie genau und unter welchen Umständen sie dies allenfalls tut, ist wissenschaftlich weitgehend ungeklärt. Dies sagt eine vor wenigen Wochen veröffentlichte Studie des Bundesamts für Umwelt (BAFU). Die sogenannte «Übersichtsstudie» fasst den gegenwärtigen Wissenstand zusammen. Gemäss Schweizer Mediendatenbank hat bisher erst die Zeitschrift «Schweizer Bauer» kurz und knapp darüber berichtet.

Die Ergebnisse der Studie sind auch international von Bedeutung. Es ist nämlich erst die zweite Übersichtsstudie über die Wirkung von nicht ionisierender Strahlung (NIS) auf Insekten. Aber es ist die erste, welche die untersuchten Forschungsberichte auch nach deren Qualität bewertet. Eine kürzlich veröffentlichte Literaturübersicht der EU weise, so die Autoren der BAFU-Studie, «methodische und analytische Mängel auf». Zudem sei jene Abhandlung nicht in einer Zeitschrift mit Peer-Review-Verfahren veröffentlicht worden.

Mögliche Wirkungen unterhalb der bestehenden Grenzwerte

Die Studie dokumentiert: Es gibt wenig gesichertes Wissen zur Wirkung von NIS auf Insekten. Dennoch liefert sie Anhaltspunkte dafür, dass gewisse spezifische Wirkungen existieren können. Die Autoren konnten «potenzielle Wirkungen auf Verhalten, Stoffwechsel, Zellstress, Fortpflanzung und DNA-Schädigung für Frequenzen bis 6 Gigahertz feststellen.» Die Wirkungen seien vor allem identifiziert worden, wenn Insekten experimentell einer Strahlungsintensität unterhalb der bestehenden Immissionsgrenzwerte ausgesetzt wurden. So stellen die Autoren beispielsweise fest, dass NIS die Orientierungsfähigkeit und Fortbewegungsgeschwindigkeit von Insekten beeinträchtigen können. Dies könne sich wiederum auf die Nahrungssuche auswirken. Die Verlässlichkeit dieser Wirkungen sei hoch.

Trotzdem bleiben die Autoren vorsichtig in ihrer Interpretation der Ergebnisse. Das Problem: Auch viele der wenigen verlässlichen Studien beruhen auf Laborexperimenten mit Käfigen, aus welchen die Insekten nicht entkommen können. Ein möglicherweise entscheidender Unterschied zu den Bedingungen in der freien Natur.

Anders ausgedrückt: Auch 15 Jahre nach der breiten Einführung von Smartphones weiss man immer noch viel zu wenig über die Wirkung von Mobilfunkstrahlung auf Insekten. «Auch wenn die Wirkung von NIS auf Arthropoden zumindest teilweise nachgewiesen wurde, so bleibt es schwierig, das Ausmass dieser Wirkung auf grösserer Skala (Population, Ökosysteme usw.) abzuschätzen», so die Autoren.

Das BAFU sagt, man habe die Studie in Auftrag gegeben, weil der Rückgang der Insekten in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich breit dokumentiert sei. Als Hauptursachen würden die intensive Landnutzung, die fehlenden Strukturen in der Landschaft, die Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung und die Lichtverschmutzung gelten. Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung hingegen seien weitgehend unerforscht. Zudem habe es Interpellationen zu dieser Frage von den Nationalrätinnen Claudia Friedl (SP-St.Gallen) und Priska Wismer-Felder (Mitte-Luzern) und eine Anfrage des ehemaligen Aargauer SVP-Ständerat Maximilian Reimann gegeben. Das BAFU gibt an, die Studie aus dem eigenen Forschungsbudget finanziert zu haben.

Sehr dünner Forschungsstand

Die Studie stammt von einem Team um Wissenschaftler des Instituts für Biologie der Universität Neuenburg. Die Autoren identifizierten insgesamt 127 Studien, welche Wirkungen von NIS auf Arthropoden (Gliederfüssler) wie Insekten, Krebse oder Spinnen ermittelt hatten. Jürg Fröhlich ist einer der Studienautoren. Der Dosimetrieexperte ist auch Mitglied der beratenden ExpertInnengruppe des Bundes zu nicht-ionisierender Strahlung (BERENIS). Er sagt auf Infosperber-Anfrage: «Bei der Arbeit an dieser Studie verblüffte mich vor allem die mehrheitlich schlechte Qualität der bereits publizierten Studien.»

Der Forschungsstand ist offenbar so dünn, dass ihn nicht einmal spezialisierte Bienenforscher kennen. Lars Straub, Bienenforscher an der Uni Bern sagt auf Infosperber-Anfrage, er müsse ehrlich gestehen, dass er sehr wenig zur Wirkung von NIS auf Bienen wisse. «Die wenigen Studien, die es gibt, kenne ich leider nicht im Detail.»

Die Studienautoren schreiben auf Anfrage: «Die Exposition in natürlicher Umgebung und die potenziellen Wirkungen auf das Verhalten von Arthropoden-Populationen wurden nicht oder sehr wenig untersucht. Auch bei den potenziellen Wirkmechanismen von NIS wie z.B. auf Calciumkanäle bzw. Wechselwirkung mit der Magnetorezeption mangelt es an soliden Studien bei Arthropoden.»

«Kein Beweis dafür, dass es Wirkung nicht gibt»

Heute werden 5G-Anwendungen erst bis zum Frequenzbereich von 3,6 Gigahertz genutzt. Die Nutzung höherer Frequenzen ist noch nicht freigegeben. BERENIS, die vom BAFU beauftragte ExpertInnengruppe für NIS kam 2020 in einem Sondernewsletter zum Schluss, dass im Zusammenhang mit Millimeterwellen, also Frequenzen im Bereich zwischen 30 und 300 Gigahertz noch viele Ungewissheiten existierten: «Diese Frequenzen werden auf der Körperoberfläche absorbiert und entsprechend stehen beim Menschen Auswirkungen auf die Haut und Augen im Vordergrund. Da diese hohen Frequenzen von Insekten und anderen kleinen Tieren effektiver absorbiert werden als die gegenwärtig benutzten Frequenzen, sollte auch den ökologischen Auswirkungen vermehrt Beachtung geschenkt werden.»

Auf der Informationsplattform «5G-Info» des Bundes steht derzeit: «Bisher wurden keine schädlichen gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung auf Tiere und Pflanzen nachgewiesen.» Doch die Autoren ordnen in der Studie auch den dürftigen Wissensstand unmissverständlich ein: «Selbst, wenn es derzeit keinen Beweis für eine bestimmte Wirkung bei einer bestimmten Frequenz gibt, so ist dies kein Beweis dafür, dass es diese Wirkung nicht gibt.»

Forschung ist politisch brisant – doch es braucht mehr davon

Forschung über die Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung ist politisch brisant, weil das Schweizer Umweltgesetz allenfalls einen vorsorglichen Schutz davor vorsieht – sofern Schädlichkeit denn belegt ist. Im Gesetz steht:

«Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist.» Zudem sollen die entsprechenden Emissionsbegrenzungen – in diesem Fall die Grenzwerte «verschärft werden, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden.»

Die Studienautoren fordern unmissverständlich: «Es bedarf der Durchführung solider, reproduzierbarer und grossangelegter weiterer Studien.» Dass diese bisher nicht existieren, erklärt Studien-Mitautor Jürg Fröhlich so: «Risikoforschung ist aufwändig, führt nicht zu schnellen Publikationen und ist meistens fächerübergreifend. Zudem ist Risikoforschung wenig attraktiv für die persönliche Profilierung im akademischen Umfeld. Forschung zu solchen Fragen ist auch meistens politisch motiviert und kommt nicht aus dem universitären Umfeld. Das zeigt ein Blick auf die europäische und internationale Forschung im Bereich potenzieller Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern (EMF). Diese wird meistens von staatlichen Stellen oder im Länderverbund gefördert.»

Auf Infosperber-Anfrage sagt «Pro Natura», die wichtigste Naturschutzorganisation der Schweiz, die Studie sei intern bekannt. Für die Organisation sind die Studienergebnisse klar: «Elektromagnetische Wellen sind für Insekten nicht harmlos. Dies muss bei der Weiterentwicklung unseres Strom- und Mobilfunknetzes berücksichtigt werden.» Konkretere politische Forderungen äussert die Organisation nicht.

Das BAFU gab letzten Frühling ein Forschungsförderungsprogramm im Bereich Mobilfunk und Strahlung und deren Auswirkungen auf menschliche Gesundheit und Umwelt bekannt. Die ausgewählten Projekte würden in den nächsten Wochen kommuniziert. Ein Forschungsvorhaben werde sich auch mit den Auswirkungen von NIS auf Insekten beschäftigen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

5GNetz

5G-Netze: Nutzen und Risiken

Langzeitwirkungen bleiben unerforscht. Offene Fragen öffnen Raum für Mutmassungen und Angstmacherei.

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

4 Meinungen

  • am 16.02.2023 um 20:07 Uhr
    Permalink

    Gestatten Sie einen kleinen Versuch:
    Rufen sie Landkarte mit den Sendeanlagen auf: https://map.geo.admin.ch/?topic=funksender
    Studieren Sie auf der Karte während 10 Minuten die herumschwirrenden Signale bei ihnen Zuhause, am Arbeitsplatz, und auf dem Arbeitsweg – angefangen bei 5G bis runter zum Richtfunk. Haben Sie Kopfweh bekommen?
    Dann ist das Kopfweh eindeutig vom studieren der Karte, weil die Funksignale waren vorher auch schon da. So, und nach diesem kleinen Experiment soll ich nun Forscher finanzieren, die einen Nocebo-Effekt bei Bienen studieren wollen.
    Könnte es sein, dass die Forscher schlicht nur arbeitslos sind, und der Gang zum RAV scheuen?

  • am 17.02.2023 um 23:29 Uhr
    Permalink

    Ein Forschungsbericht zu Auswirkungen auf Honigbienen gibt es schon seit Jahren http://link.springer.com/article/10.1007/s13592-011-0016-x
    Aber solches will eigentlich niemand wissen, weshalb derartige Forschung weder finanziert noch publiziert wird.
    Wer Geld verdienen will muss sich Themen widmen, welche der Industrie zudienen und keinesfalls die allgemeine Sorglosigkeit der Bevölkerung in Frage stellen. Forschungsergebnisse von Idealisten welche diese Kriterien nicht erfüllen, werden von wirtschaftskonformen Kreisen reflexartig als „unwissenschaftlich“ gebrandmarkt.

    • am 26.02.2023 um 18:29 Uhr
      Permalink

      Es gibt sehr wohl weitere Infos bezüglich Bienensterben durch Mobilfunk:
      https://ul-we.de/bienensterben-durch-elektrosmog/ . Auf der Website von Uli Weiner gibt es auch noch weitere interessante Infos über die Auswirkungen und Schäden durch Mobilfunk, aber wie oben ausgeführt will es keiner wissen. Von Anfang an stand die technische Machbarkeit einer flächendeckenden Mobilfunktechnik im Vordergrund und nicht der gesundheitliche Schutz der Bevölkerung . Um dieses Ziel zu erreichen wurde eine unheilige Allianz zwischen dem demokratisch nicht legitimierten privaten Verein „Internationale Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung e.V.“ kurz ICNIRP e.V. (dessen Mitglieder überwiegend aus der Industrie oder industrienahen Forschungseinrichtungen kommen und sich zudem gegenseitig ernennen), der Strahlenschutzkommision (SSK) und dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) geschlossen.Wie soll da eine unabhängige Beurteilung des Mobilfunks möglich sein? Wen interessieren Insekten?

  • am 26.02.2023 um 12:10 Uhr
    Permalink

    Ausser das 5G nur zur Überwachung notwendig wäre weil 4G völlig ausreichend ist um Internet völlig flüssig auf Endgeräten wie Smartphones und Tablets zu realisieren, verstehe ich den Hype um die Netze nicht wirklich.
    Wir sollten uns mal damit beschäftigen mit dem was man braucht und dem was andere brauchen. Andere, Fahrzeughersteller für die Überwachung von Fahrzeugen, Datensammelkraken zum Abschöpfen persönlicher Informationen sind hier die Nutzniesser der höherfrequenzierten 5G Netze. Der Normalbürger kann selbst im Ausnahmefall die Datenkapazität eines 4G Netzes nicht ausschöpfen. Auch mit Homeoffice bei gleichzeitigem Streamen von Musik und Filmen und gleichzeitiger Updates von mehreren Endgeräten kann das nicht.
    Entwicklung, Forschung und Weiterentwicklung auf immer mehr trägt nicht immer zu einer Verbesserung bei.
    Angesichts der Tatsache schon heute die Erde mehrfach zu leben und der Umwelt sehr grossen Schaden zu zu fügen, sollten wir uns selbst mehr beschränken.

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