Kaffee, Kakao, Bananen – und dann das Vogelsterben
(cm) Daniel Brockner, Student an der PH Weingarten, hat ein wunderbares Hobby: Er ist spezialisiert auf das Fotografieren von Vögeln – und darin mittlerweile ein Meister. Ein Aufenthalt in Ecuador hat ihm aber auch gezeigt, dass all diese phantastischen Tiere hochgefährdet sind. Wo immer Urwald in Landwirtschaft umgewandelt wird, wird der Lebensraum dieser wunderschönen Vögel enger. Wir zeigen hier einige seiner wunderbaren Fotos und publizieren dazu ein paar Notizen zu seiner Ecuador-Reise.
Wenn sich die ersten Sonnenstrahlen am Horizont zeigen und der Wecker klingelt, dann gibt es nichts Schöneres als eine grosse, heisse Tasse Kaffee, um den Tag zu beginnen. Millionen von Menschen beginnen ihren Tag mit purem Gold. Auch unsere Jüngsten sind schon lange auf den Geschmack gekommen. So trinken sie mit Vorliebe Kakao oder Schokoladenmilch zum Frühstück. Doch bei all den leckeren Wachmachern übersehen wir all zu leicht, woher unsere Produkte und deren Zutaten eigentlich stammen. Noch seltener wird uns bewusst, welche Auswirkungen der Anbau von Kaffee und Kakao auf die Fauna und Flora der Herkunftsländer hat. Lassen Sie uns deshalb zusammen nach Ecuador reisen, in ein Land am westlichen Rande Südamerikas, und herausfinden, was dort mit Flora und Fauna passiert, wenn wir eine frische Packung Kaffee öffnen und unsere Kaffeemaschine einschalten.
Ecuador, spektakuläre Berglandschaften, Jahrhunderte alte Kulturen und die artenreichsten Urwälder unserer Erde. Doch Ecuador ist auch ein Exportland: Bananen, Rosen, Kaffee und Kakao zählen zu den Exportschlagern des kleinen Landes, das mitten in den Anden liegt. Da Ecuador über vergleichsweise wenig Industrie verfügt, ist die Haupteinnahmequelle der 16 Millionen Einwohner die Landwirtschaft. Verlässt man die Hauptstadt Quito – sie liegt auf 2850 Meter Höhe über Meer – und fährt hinunter zur Küste, so durchquert man den legendären Nebelwald Ecuadors. Doch schon bald wird der sonst dicht gewachsene Nebelwald lückenhaft. Fortan wird das Landschaftsbild durch kahlgeschlagene Flächen bestimmt. Diese Flächen werden genutzt, um Rindern Platz zum Grasen zu bieten oder um Kaffee und Kakao anzubauen. Das Klima auf einer Höhe von 1500 Meter ist perfekt für die Landwirtschaft. Hier regnet es oft und die meiste Zeit des Jahres ist es angenehm warm. Bei diesen Bedingungen gedeiht unser Kaffee und Kakao prächtig. Doch wo nun unsere Kakao- und Kaffeebohnen spriessen, stand einst Urwald. Er musste für unseren Kaffee und Kakao weichen.
Die Auswirkungen auf das Ökosystem sind verehrend, da es kaum Aufforstung gibt und die Tierwelt immer weniger Platz findet. Unter den betroffenen Tieren ist zum Beispiel der Leistenschnabeltukan (Andigena laminirostris). Er gehört bereits zu den bedrohten Arten und leidet massiv unter der Rodung des Urwaldes. So wurde er zuletzt von der International Union for Conservation of Nature als Near Threatened (NT) eingestuft.
Betrachtet man den Lebensraum des Leistenschnabeltukans, so werden die Ausmasse der Rodung deutlich. Sein Lebensraum erstreckt sich über ein kleines Gebiet von Kolumbien und Ecuador. Nur in einer Höhenlage von 1600 bis 2600 Meter kommen die Leistenschnabeltukane vor. Durch die kontinuierliche Rodung des Nebelwaldes verliert die seltene Tukan-Art aber immer mehr seines wichtigen Lebensraums.
Zum Bild: Besonders gefährdet ist der Leistenschnabeltukan, ein absolut phantastischer Vogel. (Foto Daniel Brockner)
Nur wenige Höhenmeter tiefer sehen sich viele andere Vogelarten durch den Lebensraumverlust bedroht. Auf 1600 Meter lebt der Derby-Arassari (Aulacorhynchus derbianus). Der kleine und grüne Verwandte des grossen Leistenschnabeltukans verliert, wie unzählige andere Vogelarten, durch den Anbau von Kaffee, Kakao, Bananen und Zuckerrohr grosse Teile seines natürlichen Lebensraums.
Doch nicht nur das, denn wie der Derby-Arassari, so nutzen auch andere Vogelarten Schmarotzerpflanzen wie Bromelien oder Orchideen als Wasserquelle. Sowohl Orchideen als auch Bromelien bilden mit ihren Blättern einen Trichter im Zentrum. Dort sammelt sich durch den immer wiederkehrenden Regen und durch die dichten Nebelwolken Wasser. Neben der Vernichtung dieser natürlichen Wasserquellen ist aber auch das Nahrungsangebot in Gefahr.
Der Orangebrustkotinga (Pipreola jucunda) als Beispiel ernährt sich von Beeren und Insekten. Während die Bäume und Sträucher, an denen er seine Beeren findet, bedingt durch die Rodung immer weniger werden, reduzieren von der Landwirtschaft eingesetzte Pestizide in seinen Lebensräumen das Insektenvorkommen massiv.
Zum Bild: Der Orangebrustkotinga gehört zur Familie der Schmuckvögel. (Foto Daniel Brockner)
Immer wieder weichen die Orangebrustkotinga, die zur grossen Familie der Schmuckvögel gehören, auf die unreifen Früchte von Kaffeepflanzen aus, um genügend Nahrung zu finden. Dieses Verhalten lässt sich besonders gut auf den Höhenlagen bis 1900 Meter beobachten. Der Grund dafür ist, dass die Kaffeepflanze besonders gut ab Höhenlagen von 900 Meter über Meer gedeiht. Das milde Klima von Durchschnittlich 19 bis 22 Grad ist für die Kaffeepflanzen ideal. Aber die Monokulturen machen es den Schmuckvögeln schwer, ausreichend Nahrung zu finden.
Schaut man sich einige dieser Schmuckvögel an, wird einem schnell klar, welche beeindruckenden und aussergewöhnlichen Vögel unter dem Anbau von Kaffee, Kakao und Bananen leiden. Heutzutage ist die Beobachtung dieser Familie immer schwerer und mit immer mehr Aufwand verbunden. Dem liegt zu Grunde, dass Vögel wie der Orangebrustkotinga sich auf Grund der Monokulturen immer tiefer in die unzugänglichen Nebelwälder zurückziehen, um genug Nahrung zu finden.
Auch wenn die Landwirte in Ecuador mehr und mehr Platz benötigen, um die immer grösser werdende Nachfrage an Kaffee, Kakao, Bananen und Rosen zu decken, gibt es Gebiete, wo die Natur noch intakt ist. Im Tandayapa-Gebiet findet die Natur den Schutz und die Ruhe, die sie braucht, um zu gedeihen. Besonders beeindruckend ist hier die riesige Vielfalt an Kolibri-Arten. In Erinnerung bleibt einem wohl besonders das Männchen der Langschwanzsylphe (Aglaiocercus coelestis). Seine langen und prachtvollen Schwanzfedern versetzen Ornithologen immer wieder ins Staunen. Ebenso beeindruckend sind die Vielzahl von Tangaren, die zur Familie der Sperlingsvögel gehören. Auch sie fallen mit ihrem bunten und ausgefallenen Federkleid auf.
Zum Bild: ein Fahlschwanzkolibri. Alle hier gezeigten Fotos sind in freier Natur entstanden. (Foto Daniel Brockner)
Tangaren kommen nicht nur im Tandayapa-Gebiet vor, sondern bis hinab an die Meeresküste Ecuadors. Zu den schönsten Vertretern der Tangaren gehört der Rotstirntangare (Tangara parzudakii), der auf Höhenlagen bis zu 2650 Meter lebt. Doch er ist wie viele andere seiner Art bedroht. Nicht nur durch die Rodung der Urwälder, sondern auch durch illegalen Handel mit den besonders bunten Vögeln. Auch die Kolibris sind von illegalem Handel bedroht.
Mehr Gefahren auch für die Menschen
Wer dem Nebel und Regen der Hochebenen von Ecuador entfliehen möchte, muss weiter Richtung Tal fahren, vorbei an Kakao und Kaffee, immer Richtung Sonne und Meer. Meter für Meter scheint sich die Vegetation zu verändern. Ein Bild allerdings bleibt: die Rodung des Urwaldes. Vermehrt zeichnet das Landschaftsbild Weiden für die Rinderhaltung und Bananen-Plantagen. In diesen gerodeten Stellen kommt es auch immer öfter zu gefährlichen Erdrutschen, da es keine Bäume mehr gibt, die mit ihrem gewaltigen Wurzelwerk die Berghänge befestigen. 2001 zum Beispiel konnten die kahlgeschlagenen Hänge den Regenmassen nicht mehr standhalten und rissen mehr als 30 Menschen mit in den Tod. Der aktive Vulkan Pichincha sorgt mit wiederkehrenden Eruptionen und Erdbeben ebenfalls für Erdrutsche. Auch die Menschen sind deshalb einer höheren Gefahr ausgesetzt, weil sie für unseren Kaffee und Kakao ihren Urwald roden.
Zum Bild: Auch der Maskenhakenschnabel gehört zu den paradiesischen Vögeln im ecuadorianischen Urwald. Aber es braucht Geduld, ihn zu sehen oder gar zu fotografieren. (Foto Daniel Brockner)
Viele Ecuadorianer sind sich der Probleme, die die Urwaldrodungen nach sich ziehen, durchaus bewusst und versuchen, das Leben durch Aufforstung zurück auf die kahlgeschlagenen Flächen zu bringen. Nahe der Stadt Pedro Vicente Maldonado zum Beispiel findet man immer wieder Einheimische, die sich der Aufforstung des Gebietes verschrieben haben. Rafael Ferro und seine Frau gehören zu ihnen. Auf ihrem Grundstück der Rancho Suamox hat er auf einer Fläche von gegen 100 Hektaren den Regenwald zurückgebracht und aus der ehemaligen Kaffeeplantage und Rinderfarm neuen Lebensraum für Vögel geschaffen, wo wir heute wieder spektakuläre Vögel sehen können.
Ein Vogel, der wie kein anderer von der Wiederaufforstung profitierte, ist der Zimtbrustmotmot. Der wundervolle Vogel findet genug Lebensraum und Brutmöglichkeiten, um sich wieder fleissig zu vermehren. Auch Spechte fühlen sich hier wieder wohl. Dazu gehört der Schläfenfleckspecht oder der Olivmantelspecht. Viele weitere Arten lassen sich dank der Aufforstung wieder im dichten Geäst des Waldes beobachten. Das machen sich viele Ecuadorianer zu Nutze und bieten für naturbegeisterte Touristen Führungen und «Bird-Watching-Touren» an.
Zum Bild: Der Zimtbrustmotmot profitiert von der Wiederaufforstung. (Foto Daniel Brockner)
Geschichten wie die der Rancho Suamox machen Hoffnung. Leider bleibt der Export von Kaffee, Bananen und Rosen nicht das einzige Problem, das Ecuadors Natur hat. Auch die steigenden Erdölförderungen im Amazonasgebiet bedrohen die sensible Natur. Es ist höchste Zeit, die ältesten Urwälder unserer Erde zu schützen!
Für uns Konsumenten ist das nicht immer ganz einfach, aber es gibt Möglichkeiten, sich zu informieren, ob ein Produkt aus einem nachhaltigen Anbaugebiet stammt oder nicht. Kauft man ein Produkt mit dem Rainforest Alliance Certified™-Siegel, so kann man einigermassen sicher sein, dass man zur Erhaltung der Urwälder sogar einen Beitrag geleistet hat. Auch der WWF zeichnet Produkte aus, deren Produzenten beim Anbau auf Nachhaltigkeit setzen und den Urwald schützen. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich zu informieren. Diese phantastischen Vögel im ecuadorianischen Urwald dürfen wir wirklich nicht aussterben lassen – auch wenn wir auf unseren Kaffee oder Kakao am frühen Morgen nicht verzichten wollen.
Zum Bild: Der Blutbürzelarassari kann sich dank seinem grünen Kleid besonders gut verstecken. (Foto Daniel Brockner).
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Daniel Brockner fotografiert Vögel aus Leidenschaft. Er hat auch eine eigene Website mit weiteren Bildern.