Globales Herbizid-Hüpfen: Brasilien erlaubt Dicamba
Der Saatgutkonzern Bayer kommt seit dem Kauf von Monsanto kaum noch aus den Schlagzeilen. Nach umfangreichen und teuren Auseinandersetzungen um das Herbizid Glyphosat muss sich Bayer nun auch mit den Unzulänglichkeiten des Nachfolgeprodukts Dicamba auseinandersetzen. Auch das verspricht teuer zu werden.
Da kommt es gerade recht, die voraussichtlich anstehenden Millionenzahlungen anderswo zu kompensieren. Brasilien hat am 9. Juli 2020 mehrere Produkte neu zugelassen, die Dicamba enthalten, darunter auch solche von Bayer, berichtete unter anderen die Nachrichtenagentur «Reuters». Brasilien baut in grossem Umfang Agrarprodukte für den Weltmarkt an, beispielsweise Soja und Baumwolle.
Beides wird in Monokulturen kultiviert, die gegen Unkräuter gespritzt werden müssen. Nutzpflanzen, die auf gentechnischem Weg gegen Dicamba resistent gemacht wurden, überstehen die Behandlung mit Dicamba ohne Probleme, die meisten anderen Pflanzen nicht. Dicamba soll das Herbizid Glyphosat ablösen, denn gegen Glyphosat bilden sich zunehmend Resistenzen.
Kann man machen: Ein gerade verbotenes Herbizid einführen
Gerade erst war das Herbizid in den USA verboten worden. Nur einen Monat zuvor, am 3. Juni 2020, wurde dort die von der US-Umweltbehörde EPA 2018 vorläufig verlängerte Zulassung Dicamba-haltiger Produkte widerrufen. Die Risiken im Zusammenhang mit Dicamba würden unterschätzt, urteilte ein US-Gericht. Der Verkauf von Dicamba in den USA wurde damit sofort, die Verwendung ab 1. August 2020 verboten. Betroffen sind unter anderem die Produkte XtendiMax (Bayer), Engenia (BASF) und FeXapan des US-Konzerns Corteva. Die sechs in Brasilien registrierten Produkte stuft die EPA als «sehr gefährlich für die Umwelt» ein.
Dicamba seinerseits ist ein in den 1960er-Jahren entwickeltes und daher ein bestens bekanntes und effizientes Herbizid – mit einem kleinen Geburtsfehler: Die Chemikalie lässt sich gerne vom Wind davontragen. So schädigt sie neben natürlichen Flächen auch Nachbars Felder, wenn dieser keine Dicamba-resistenten Sorten kultiviert. In der Folge kam es bereits zu handfesten Auseinandersetzungen und zu zahlreichen Klagen wegen Ernteausfällen. (Infosperber berichtete: «Wenn Du es nicht kaufst, wird es Dir schaden»)
Dicamba (3,6-Dichlor-2-methoxybenzoesäure) ist ein älteres Herbizid, das von der US-Umwelt-Behörde EPA 1967 für die Behandlung der meisten Getreidesorten und von Sojapflanzen zugelassen wurde. Dicamba ist für Säugetiere schwach giftig, leicht flüchtig und bekannt für seine grosse Mobilität. Im Wasser wird Dicamba kaum abgebaut, im Boden in ein bis vier Wochen. Die ersten gegen Dicamba resistenten Nutzpflanzen wurden 2015 zugelassen. Die US-amerikanische Non-Profit-Organisation «Center for Food Safety» bringt Dicamba mit einer erhöhten Krebserkrankungsrate und mit Geburtsschäden in Verbindung.
Die erste Klage wurde Mitte Februar verhandelt. Im Fall des Pfirsichbauern Bill Bader aus Missouri, dessen Pflanzen durch Dicamba geschädigt wurden, wurde Bayer zur Zahlung von 265 Millionen Dollar verurteilt. Die endgültige Summe dürfte nach Expertenmeinungen niedriger ausfallen. Noch aber sind mehr als 100 Klagen offen. Nach diesem ersten Urteil dürften neue Verfahren dazukommen, sagte Alexandra Lahav, Rechtsexpertin an der Universität von Connecticut, gegenüber der «WirtschaftsWoche».
Schädlichkeit Dicambas wurde verschwiegen
Die Hersteller von Dicamba hatten sich lange gegen eine solche Feststellung gewehrt. Nach Berichten des «Guardian» war ihnen das Schädlichkeitspotential Dicambas aber wohlbekannt. Man hoffte auf zahlreiche Kunden, die sich der Dicambawolke entziehen würden, indem sie selbst resistentes Saatgut kauften.
Bayer und die BASF, die ebenfalls Dicamba produziert, führten das Verwehungs-Problem zunächst auf Anwendungsfehler zurück. Durch neue Formulierungen sei die Gefahr gebannt, sagten sie dann. Damit überzeugten sie 2016 auch die EPA. 2018 verschärfte diese die Anwendungsbedingungen, aber die Schäden gingen nicht zurück.
Auf die Agrargesetzgebung in Brasilien hat die US-Behörde keinen Einfluss. Da Brasiliens Bauern meist grossflächig wirtschaften, sind Klagen aus Nachbars Gärtchen kein so grosser Störfaktor. Um die umgebende Natur sorgt sich das brasilianische Agrarministerium dabei eher weniger.
In der EU ist Dicamba vorerst bis Ende 2020 zugelassen Auch in der Schweiz sind Produkte mit Dicamba erlaubt. Das Verbot in den USA gilt zunächst bis Ende des Jahres.
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Lesen Sie dazu:
«Wenn Du es nicht kaufst, wird es Dir schaden», Infosperber 10/2017
«Nach der Glyposat-Resistenz die Dicambawolke», Infosperber 09/2017
«USA verbieten Herbizid gegen Glyphosat-Resistenzen», Infosperber 12/2015
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine