Verkehrsschilder: Manchmal hilft nur anhalten und überlegen
Manchem Autofahrer wäre es am liebsten, wenn es auf den Strassen gar keine Velofahrer gäbe. Die stören ja nur. — So dürften in der damaligen DDR auch die Leute in der Verkehrsabteilung von Markgrafenheide bei Rostock gedacht haben.
Einen Radweg legten sie zwar nicht an. Aber sie steckten eine Metallstange in den Sand — mit dem Signal «Gemeinsamer Rad- und Fussweg». Hauptsache, die Velofahrer waren weg von der Strasse.
Hinter dem Riesenbusch
Um skurrile Signalisationen zu finden, muss man allerdings weder in die Vergangenheit noch an die Ostsee reisen. Verkehrsschilder zum Kopfschütteln gibt es nämlich auch bei uns. An der Reichenbachstrasse in Bern steht eine Riesentafel.
Nur lässt sie sich nicht lesen, weil vor der Riesentafel ein Riesenbusch wächst.
Durchs Schiebedach
Wenn es in der Breite nicht genügend Platz für all die Verkehrsschilder hat, die offenbar nötig sind, dann formiert man sie halt übereinander. So wie an der Postgasse in Bern.
Das Fahrverbot mit Ausnahme für den Zubringerdienst ist auf einer Höhe von 4,50 Metern angebracht. Wer hier mit dem Auto um die Ecke kommt, kann es unmöglich sehen – ausser vielleicht durchs offene Schiebedach.
Mit dem Feldstecher
Manche Verkehrsschilder sind riesengross, andere klitzeklein. Wie jenes, das in Düdingen FR an der Strasse zum Schiffenensee steht.
Von weitem sieht es ganz danach aus, als müssten die Velofahrer auf die linke Strassenseite wechseln, um hinunter zum Staudamm zu gelangen. Doch auf der Tafel steht in Mikroschrift: «Indirektes Linksabbiegen.» Und es bedeutet: Wer links zum Campingplatz abbiegen will, soll zuerst rechts am Strassenrand anhalten und eine Lücke in der Autokolonne abwarten. Wer zum Staudamm will, fährt einfach geradeaus weiter. Aber das steht da nicht.
Nach eigenem Ermessen
Meist warnen Verkehrssignale vor Gefahren, verbieten etwas oder schreiben etwas vor. Selten haben die Verkehrsteilnehmer viel Ermessensspielraum. Ausser vielleicht beim Marzilibad in Bern.
Für Motorfahrzeuge gilt dort von 8 bis 22 Uhr ein Parkverbot — aber nur «bei regem Badebetrieb». Nur: Was ist «reger Badebetrieb»? Kann das jeder selber entscheiden? Muss man zuerst im Bad nachsehen? Oder sogar nachzählen?
Fragen über Fragen
Eigentlich beträgt in der Schweiz «das höchstzulässige Gewicht für Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen 40 Tonnen». So steht es im Strassenverkehrsgesetz. Trotzdem dürfen Fahrzeuge mit einem Gewicht von bis zu 73 Tonnen die Brücke, die in Bundkofen BE über die Autobahn Bern – Biel führt, überqueren. Der Grund: In der Nähe befindet sich eine Firma für Spezialtransporte. Ausnahmetransporte dürfen nach Angaben des Bundesamts für Strassen (Astra) mit Sonderbewilligung auch mit Fahrzeugen unterwegs sein, die mehr als 40 Tonnen wiegen.
So weit, so klar. Für Lastwagen-Chauffeure ist die Fahrt über die Brücke trotzdem eine knifflige Sache. Lastwagen bis 40 Tonnen müssen einen Mindestabstand von 50 Metern einhalten. Aber welchen Abstand müssen Lastwagen über 40 Tonnen einhalten? Offen ist auch: Welcher Mindestabstand gilt beim Kreuzen? Fragen über Fragen.
Mit einem kurzen Halt
Wer die Nebenstrasse von Wiggiswil nach Moosseedorf BE befährt, sollte einen kurzen Halt einlegen. Denn sonst lassen sich die vier eng bedruckten Zeilen auf der Zusatztafel nicht entziffern. Und dann hat es da ja auch noch eine zweite Zusatztafel.
Wie Signale, Zusatztafeln und Vorwegweiser aussehen müssen, ist in der Signalisationsverordnung auf 126 Seiten detailliert geregelt. Trotzdem lässt sie viele Fragen offen. Deshalb wollte Infosperber vom Bundesamt für Strassen (Astra) anhand einiger Beispiele wissen, ob die Signalisation verständlich und zweckmässig sei.
Doch das Astra verwies auf die Signalisationsverordnung und schrieb sonst nur: «Bei der Ausgestaltung der Zusatztafeln haben die Vollzugsbehörden einen grossen Ermessensspielraum. Wichtig ist, dass die Aufschrift klar und verständlich ist.» Den Ermessensspielraum nutzen die Gemeinden ganz offensichtlich. Der Klarheit und der Verständlichkeit ist das jedoch nicht zuträglich.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Cooler Einfall, Verkehrsschilder über das Schiebedach zu betrachten! Wenn ein Fokus auf die verkehrsberuhigte Zonen gelegt wird, dann ist das allgemeine Fahrverbot mit einer skalierbaren Zahl Ausnahmeregelungen, z.B. auf kleinen Kacheln auf Augenhöhe dargestellt, wirklich sinnvoller. Wie das aussieht, kann man im Innerortsbereich italienischer Städte sehen. Als Nebeneffekt hat es dort auch eine grössere Vielfalt an Fahrzeugkategorien als in der Schweiz. Kleinst-Elektroautos sind dort im Vorteil, hier in der Schweiz nicht. Weiter gedacht wären sogar QR-Codes für Fremdsprachige oder zur Interaktion mit smarten Autos denkbar.
Ein Paradigmawechsel bei der Signalisation in verkehrsberuhigter Zone, die überall in der Schweiz anzutreffen sind, kann unmöglich von den zuständigen Ämter angestossen werden. Dafür wäre das ASTRA zuständig. Auf meine Anregung, sich anlässlich der Revision des StVG. dem Thema ‹Verkehrssignale in verkehrsberuhigter Zone› anzunehmen, hat das ASTRA nicht reagiert.