Mit Cannabis-Pflanzen Häuser bauen statt Joints kiffen
Hanfblöcke sind zwar teurer als herkömmliche Bauelemente, aber sie tragen zur Lösung von Umweltproblemen bei und können einen typischen Bauzeitplan um 20 bis 30 Prozent verkürzen – und den Bau dadurch verbilligen. Das verdeutlicht eine Reportage von Kevin Williams in der New York Times vom 21. Februar 2023.
Die NYT besuchte 2022 die kleine Gemeinde Croissy-Beaubourg am Rande von Paris anlässlich der Eröffnung ihrer neuen Sporthalle «Pierre Chevet». Es ist dies das erste kommerzielle Bauprojekt in Frankreich, das fast ausschliesslich aus Hanfblöcken gebaut wurde. «Für alle war es das erste Mal», zitiert Williams Sonia Sifflet, die leitende Architektin, «das Sportzentrum ist eine Zusammenarbeit zwischen den Architekten, den Materialherstellern, den Bauunternehmen und den Verantwortlichen der Stadt». Und jetzt, wo alle wüssten, wie man ein Hanfblockprojekt realisiert, so Sonia Sifflet, erwarte sie, dass es in Frankreich noch viele weitere Projekte geben werde. «In fünf Jahren wird es normal sein, Hanfblöcke zu verwenden», sagt sie, «es gibt keine Grenzen für das, was gebaut werden kann». Viele Hanfenthusiasten, so die NYT, würden voraussagen, dass Hanfbacksteine die Zukunft des Bauens seien.
Bauhanf punktet bei den Umweltvorgaben
Das Interesse an Hanf als praktikablem Ersatz für traditionelles Baumaterial wächst, da Bauherren nach umweltfreundlicheren Baumöglichkeiten suchen müssen. Hanf kann in Blockform verwendet werden, wie es beim Bau des französischen Sportzentrums der Fall war. Es können auch Hanfplatten verwendet werden oder eine Gussmischung wie beim herkömmlichen Beton mit einer Kombination aus Kalk, Hanffasern und einem chemischen Bindemittel. Hanfprodukte bieten auch bautechnisch manche Vorteile, denn sie sind feuer-, schimmel- und witterungsbeständig wie kaum etwas sonst.
Hanf wird bereits für eine Vielzahl von Industrieprodukten verwendet, darunter Seile, Textilien und Biokraftstoff. Die Gewinnung von Hanf wird jedoch durch hohe Kosten und eine noch nicht vollständig ausgebildete Lieferkette behindert. Ausserdem müssen die Befürworter den Widerstand gegen ein Produkt überwinden, das oft fälschlicherweise mit dem Rauschmittel Marihuana oder Haschisch in Verbindung gebracht wird.
Hanf eliminiert die CO2 Belastung im Bau
Im Kanadischen Kelowna, einer Stadt mit 130’000 Einwohnern im Weinland von British Columbia, besuchte die NYT die Baustelle eines grossen Lagerhauses, das aus Hanfblöcken errichtet wird. Der Geschäftsführer des Bauunternehmens Don Redden sagt: «Hanf ist bahnbrechend». Er rechnet vor, dass jeder Hanfblock etwa 13 Pfund Kohlenstoff binde, was mehr sei, als für die Herstellung und den Transport der Blöcke aufgewendet werde. Das Gebäude werde der Umwelt tatsächlich Kohlenstoff entziehen.
Hanf macht das Bauen weniger aufwändig
Es gebe noch weitere Vorteile, so die französische Architektin Sonia Sifflet. Die Hanfblöcke «lassen sich wie Legosteine zusammensetzen». Dies erfordere keine besonderen Fähigkeiten, was die Anzahl der benötigten Arbeiter und deren Qualifikationsanforderungen reduziere und entsprechend kostensenkend wirke. Die Einfachheit ermöglicht Schnelligkeit: Ein Gebäude, das aus gebrauchsfertigen Hanfblöcken errichtet wird, kann 20 bis 30 Prozent des typischen Produktionszeitplans einsparen, da keine Zementfugen und die bei herkömmlichen Betonblöcken erforderliche Trocknungszeit benötigt werden.
Die Hanfblockbauweise habe es den Entwicklern des Sportzentrums in Croissy-Beaubourg, ermöglicht, jeden Quadratzentimeter auszunutzen und die Nutzfläche zu maximieren, sagt Sonia Sifflet. Durch die Verwendung von Hanfblöcken habe die Dicke der Wände reduziert werden können, da keine Isolierung oder Deckschichten benötigt worden seien, wodurch etwa 100 zusätzliche Quadratmeter für die Nutzung frei geworden seien. Und obwohl die Verwendung von Hanfblöcken die Materialkosten um 30 bis 40 Prozent höher getrieben habe als bei herkömmlichen Schlackenblöcken, sei die Baufirma dank des schlankeren Produktionsplans schneller fertig geworden als sonst, so Sifflet weiter, und die zusätzlichen Umweltvorteile hätten einen weiteren Teil der höheren Materialkosten ausgeglichen. «Wir haben dies nicht getan, weil es billiger wäre, sondern um beim Bau öffentlicher Einrichtungen mit einem neuen Material wie Hanf relevant und innovativ zu sein», sagt Sonia Sifflet.
Die Hanfinnovation ergreift auch die USA
Auch in den USA gebe es einen neuen Fokus auf Hanf, zitiert die NYT Petros Sideris, einen Assistenzprofessor für Bau- und Umwelttechnik an der Texas A&M University. Die Hochschule hat vom US-Energieministerium erst kürzlich einen Zuschuss von 3,74 Millionen Dollar für die Erforschung und Entwicklung von 3-D-gedruckten Hanfgebäuden erhalten. Es wird die gesamte Lieferkette untersucht, vom Hanfanbau bis zur Verwendung im Bauwesen. «Eine enorme Chance», ist Sideris überzeugt. Doch die irreführende Gleichsetzung von Hanf mit Marihuana, dem Rauschmittel der Jugend- und Gegenkultur, sei nur allmählich zu überwinden. Das verlangsame die Akzeptanz in Baukreisen.
Die NYT besuchte auch eine Hanfproduzentin, Rachel Berry, die mit dem Anbau von Hanffasern auf ihrer Farm in Illinois experimentiert. Als Gründerin der «Illinois Hemp Growers Association» konzentriert sie sich auf die Pflanze selbst und den Aufbau einer tragfähigen Versorgungs- und Verarbeitungskette. «Es gibt viele Beteiligte: Landwirte, Verarbeiter, Hersteller und Unternehmen, die den Hanf verwenden», sagt Rachel Berry. Aber der erste Schritt bestehe darin, das Interesse der Landwirte zu wecken. Doch die Assoziation von Hanf mit Marihuana und Haschisch könne dazu führen, dass sie abwinkten. «Das Stigma von Cannabis ist hier immer noch präsent», stellt sie fest. Doch die NYT ist zuversichtlich, dass die jüngst erfolgte Zulassung von Hanf für den Einsatz in Ein- und Mehrfamilienhäusern in den Vereinigten Staaten das Profil von Hanf schärfen und den Weg für Wolkenkratzer und Lagerhäuser ebnen werde. Diese Zukunft nimmt andernorts bereits Gestalt an.
Südafrika baut das erste Hanfhochhaus
Im südafrikanischen Kapstadt besichtigt die NYT den Hanf-Wolkenkratzer mit dem Namen «84 Harrington». Er ist mit 12 Stockwerken das höchste Gebäude der Welt, das weitgehend aus Hanf besteht. Wegen der begrenzten Tragfähigkeit ist zwar immer noch ein herkömmlicher Rahmen erforderlich, aber alle Wände sind aus Hanfblöcken gefertigt. Das Gebäude sei der Höhepunkt der jahrzehntelangen Hanfbegeisterung seines Besitzers, Duncan Parker, Mitbegründer und Geschäftsführer von «Hemporium», einem Hanfproduzenten in Kapstadt. Er berichtet der NYT, dass die Kosten für den Bau hoch gewesen seien, weil der Hanf aus England habe importiert werden müssen. Doch die ersten Lizenzen für den Hanfanbau in Südafrika seien 2022 erteilt worden und die ersten Pflanzen könnten im Folgejahr geerntet werden, so dass die Blöcke inskünftig vollständig in Südafrika hergestellt werden könnten. «Wir sind dabei, eine Industrie aufzubauen», erzählt er dem NYT-Reporter, es werde nur ein paar Jahre dauern bis zur Klärung der Versorgungsprobleme. Sobald dies der Fall sei, werde Hanf zu einem Grundrohstoff im Bauwesen. Wolf Wolf, der Architekt des Gebäudes sagt, der Hanf-Wolkenkratzer stelle eine fantastische Mischung aus Holzrahmenbau und Mauerwerk dar. Sein Büro bereite sich jetzt darauf vor, eine Wohnsiedlung mit 25’000 Häusern aus Hanfblöcken zu errichten. «Die kritische Masse ist erreicht. Wir haben eine Schwelle überschritten», sagt Wolf und fügt hinzu, dass jetzt fast alle grösseren Bauträger nach hanfbasierten Lösungen fragten. «Angesichts des Klimawandels nehmen die Leute das Thema ernst», sagt er.
Der Markt für Bauhanf gewinnt an Dynamik
Mehrstöckige Gebäude brauchen immer noch ein Stützsystem, aber Hanfbeton kann für den Grossteil eines Gebäudes verwendet werden, sagt Professor Sideris von der Texas A&M. Auf der Suche nach den besten Möglichkeiten für den Einsatz von Hanf im Bauwesen beschäftigt er Materialspezialisten, Architekten, Bauingenieure, Experten für die Lebensdauer von Materialien, Fakultätsmitglieder und Doktoranden. Er fügt hinzu, dass die steigende Nachfrage die Verwendung von Hanf im Bauwesen und in anderen Bereichen der Industrie schnell vorantreiben und dazu beitragen werde, dass das Material wirtschaftlicher eingesetzt werden könne: «Sobald wir eine klare Nachfrage haben, wird sich der Markt selbst regulieren, und der Preis für Hanfblöcke und Hanfbeton wird sinken».
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Bauen mit Hanf in der Schweiz:
Dank einem Forschungsprojekt der ETH und einigen Pionieren stösst Hanf auch im Schweizer Architektur- und Bauwesen seit einigen Jahren auf wachsendes Interesse. Nachfolgend einige Links zu entsprechenden Informationen:
ETH Zürich:
Industriehanf als regenerativer Baustoff in der Schweizer Kreislaufwirtschaft
Espazium:
Hanf am Bau
Circular Hub:
Nachfrage nach regenerativen Hanfbaustoffen steigt
Gesundes Haus:
Der Stein aus Hanf; wie die Pflanze in den Baustein kommt
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Hanf ist eine wunderbare, vielseitige Pflanze. Danke für den Artikel. Aber warum nicht mit Canabis Häuser bauen und kiffen?
Danke für den Beitrag. Wir haben sehr viele umweltfreundliche und menschenfreundliche Baustoffe. Menschenfreundlich, weil sie ein Raumklima erzeugen, das uns Menschen gesundheitlich gut tut. Im Gegenteil zu Beton, der schadet uns, weil er nicht mit der Raumfeuchtigkeit umgehen kann.
Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie früher um die Getreidefelder herum Hanf gepflanzt haben als Schutz vor Insektenbefall. Das hat 100% gewirkt. Das Wissen ist da. Wir können viel im guten Sinne verändern, weg von der Technologisierung zurück zur Natur.