In der Schweiz rosten 65 Skilifte vor sich hin
Was tun mit diesen Infrastrukturen? Wie können die Reste und die Ruinen entsorgt werden? Die Frage der Stilllegung beschäftigt alle Bergregionen. Laut einer Untersuchung der NGO Mountain Wilderness, die in der RTS-Sendung «Mise au Point» präsentiert wurde, sind heute 65 Anlagen in der Schweiz ausser Betrieb.
Die NGO hat alle stillgelegten Skilifte erfasst, bei denen die Masten sowie die Tal- oder Bergstation noch sichtbar sind. Das Phänomen nimmt zu. Die Gründe dafür sind die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Skigebiete und Probleme mit der Schneesicherheit.
Die Karte der verlassenen Skilifte
«Wir sind von dem Ausmass des Phänomens überrascht. Diese Strukturen haben einen enormen Einfluss auf die Landschaft. Mit dem Klimawandel werden aber immer mehr Skigebiete schliessen müssen. Wir müssen über eine nationale Abbaustrategie nachdenken», sagt Luisa Deubzer, Projektmanagerin bei Mountain Wilderness.
Für ihre Studie verwendete die NGO Satellitenbilder und liess sich vor Ort bestätigen, dass jede Anlage ausser Betrieb ist.
Die meisten stillgelegten Skilifte befinden sich in den Kantonen Waadt (10), Graubünden (9), Bern (9), Wallis (9) und Neuenburg (7). Die meisten von ihnen befinden sich auf einer Höhe von weniger als 1500 Metern über dem Meeresspiegel.
RTS besuchte unter anderem das Skigebiet Super-Saint-Bernard, das 2010 geschlossen wurde. Die 20 riesigen Masten des Gondelbahntrassees rosten in den Bergen vor sich hin.
Die Talstation ist zum Ziel von Hausbesetzer:innen, Migrant:innen und Partygänger:innen geworden. Der Ort ist mit Müll übersät, die Fenster sind zerbrochen und die Wände mit Graffiti beschmiert.
«Es ist schrecklich für das Image des Wallis. Es ist das erste Gebäude, das man sieht, wenn man aus Italien kommt. Es ist eine Warze in der Landschaft. Mir wäre es lieber, wenn es abgerissen würde», sagt Claude Lattion, der letzte Betreiber der Ski-Anlage. Das Gebäude selbst ist eine Gefahr: Die Wände sind voller Asbest und der Boden ist wahrscheinlich mit Schwermetallen verseucht.
Trotz der Aufforderungen des Bundesamts für Verkehr haben bisher weder der Kanton noch die Gemeinde die Anlagen abgebaut. Die Akteure schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Niemand will die Kosten für eine Baustelle in Höhe von mehreren Millionen Franken übernehmen.
Ratlose Gemeinden
Nach den Regeln des Bundes muss jede Anlage, die seit fünf Jahren stillgelegt ist, zwangsläufig abgebaut werden. In der Praxis sind solche Baustellen aus finanziellen Gründen selten.
Rechtlich gesehen ist es die Liftgesellschaft, die den Abbau vornehmen muss. Häufig sind diese Unternehmen jedoch in Konkurs gegangen. Die Last fällt dann auf die Gemeinden zurück, die Eigentümer des Geländes sind.
Dies ist auch im Walliser Skiort Torgon der Fall, wo zwei Sesselbahnen und ein Skilift seit 2015 stillgelegt sind. Die Gemeinde hat bereits 600’000 Franken für die Stilllegung zurückgestellt, aber die Rechnung könnte noch weiter steigen, wenn Umweltverschmutzungen festgestellt werden.
Erhaltung als Kulturgüter?
Abgesehen von der finanziellen Frage, die mit dem Abbau verbunden ist, können sich manche Menschen nicht von den Anlagen verabschieden, weil sie diese als Kulturerbe ansehen.
In Château-d’Œx (VD) hat eine Gruppe von Bürger:innen eine Seilbahn und einen Sessellift für einen symbolischen Franken von der Gemeinde gekauft. Sie hoffen, die Infrastruktur wieder in Betrieb nehmen zu können.
«Der Stillstand der Skilifte hat zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität im Ort geführt. Viele Geschäfte haben geschlossen. Wir wollen diesen Niedergang mit Anlagen stoppen, die auf einen nachhaltigen Tourismus mit vier Jahreszeiten ausgerichtet sind», sagt Jean-Pierre Bach, ein Hotelier aus dem Ort und Mitglied des Vereins Edelweiss Paradise, der die Anlagen gekauft hat.
Theoretisch haben sie bis nächstes Jahr Zeit, um die Seilbahn und den Sessellift wieder in Betrieb zu nehmen, sonst könnte das Bundesamt für Verkehr eine Demontage verlangen, die auf 2 Millionen Franken geschätzt wird.
Um die Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen, müsste der Verein jedoch zwischen 6 und 10 Millionen Franken aufbringen.
Dieser Beitrag ist am 8. November auf swissinfo.ch erschienen.
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Keine
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Eigentlich wäre die Sache relativ einfach zu lösen: Die Gemeinde als Landeigentümerin verlangt beizeiten eine finanzielle Garantie der Betreiberin für den Rückbau. Nur wird wohl vielerorts der Dörfli-Tourismus-Filz eine solche Lösung zu verhindern wissen.
… wenn es dann sooo einfach wäre!
Danke für diesen wichtigen Artikel, der auf ein elementares Prinzip aufmerksam macht: das Verursacherprinzip. Wer Geld aus einem Unternehmen verdient, sollte per Gesetz verpflichtet sein, ein Rückstellungskonto zu speisen vor der Gewinnausschüttung für die Behebung der Schäden/Rückstände, die er erzeugt und das Konto müsste vor Konkurs geschützt und den Standortgemeinden zugänglich sein. Schlimme Schäden könnten so vermieden werden siehe Lonza, denn die Unternehmen wären bemüht, den Schaden für sich selber möglichst gering zu halten. Jeder von uns zahlt Kehrrichtgebühren, so arm er auch immer ist. Nur Unternehmen dürfen jahrzehntelang Zerstörung anrichten und daraus Gewinne abführen. Eine Volksinitiative hierzu wäre m.M.n. zu gewinnen.
endlich mal eine Stellungnahme mit Inhalt, das tatsächliche Problem ist wirklich anzugehen und zwar so, dass es dann auch lösbar ist.
Wenn wir Schweizer im nahen Ausland sind, empören wir uns in Italien, Frankreich um nur 2 Beispiele zu nennen, über die mangelnde Sorgfalt der Strassen und der Naturwege.
Vielleicht müssen wir von unserem hohen Ross runter, da wir jetzt sehen, wir haben die gleichen Probleme und auch nicht fähig sie zu lösen.
Und die gleichen Kreise die den Abbau dieser Rosthaufen nicht wollen wehren sich gegen Windturbinen. Lachhaft.
Industriebrachen gibt’s überall auf der Welt. Ein zu ertragender Nachteil der Wohlstandsgesellschaft. Wo kämen wir hin, wenn jedes neue Unternehmen zuerst einen Liquidatonsfonds hinterlegen müsste?
Zu verantwortungsvollem, zukunftsgerichtetem, nachhaltigem Handeln, wo jeder seinen Dreck selber wegräumt und den Platz für seinen Nachfolger sauber verlässt, nachdem er zuvor Profit gemacht hat, kämen wir hin.
Globale Multi’s profitieren schamlos und nutzen über ihre Firmen 3. Weltländer massiv aus. Korruption ist da im Spiel. Für mich ist das nie ein zu ertragender Nachteil sondern eine skrupellose Haltung .
Und dann gibt es noch Anlagen, die regelmässig hohe Defizite machen.
Da kommen jede Menge fauler Tricks,um weiter zu wursteln und weiter Gemeinde und Kantonsgelder zu verschleudern.
Immerhin sparen wir das Geld für den Abbruch.
Derweil steigen die Gebühren für die Ferienhausbesitzer dauernd,
so dass nächstens jedes Zweite zum Verkauf ausgeschrieben ist.
Eigentlich sollte die Anlage, die Gemeinde attraktiv, für die Hausbesitzer machen!