Das Leben im Mittelmeer ist von allen Meeren am meisten bedroht
Das Mittelmeer ist nicht nur eines der beliebtesten Urlaubsziele der Welt, es bietet auch Lebensraum für zehn Prozent aller weltweit existierenden Arten. Doch Erderwärmung, Industrie und Tourismus gefährden dieses fragile Ökosystem zunehmend. Das «Mare Nostrum» erwärmt sich um 20 Prozent schneller als der weltweite Durchschnitt der Ozeane. Im Sommer erreicht es Rekordwerte von fast 30 Grad Celsius. Auch der pH-Wert des Wassers sinkt schneller als in anderen Meeren, es wird immer saurer. Erwärmung und Versauerung bedrohen die Existenz vieler mariner Lebewesen. Das zeigt die 3Sat-Videodokumentation «Hitzestress im Mittelmeer – Ökosystem in Gefahr» vom 17. November 2022.
Vielen Arten droht der Hitzetod
Meeresbiologe Frédéric Gazeau vom «Institut Français de la Mer» in Villefranche warnt besonders vor den immer häufiger auftretenden Hitzewellen: «Viele Arten haben eine Wärmetoleranz, die auf etwa 25 bis 28 Grad begrenzt ist. Wenn die Wassertemperatur mehrere Wochen lang über diesen Wert hinausgeht, werden wir mit Sicherheit eine hohe Sterblichkeitsrate bei diesen Organismen haben.» Mit zunehmender Wassertemperatur verbreiten sich Bakterien und Viren stärker.
Die Lebensgefahr, welche das zu warme Wasser zur Folge hat, zeigt sich besonders eindrücklich bei den Austern. Sie können ihre Körpertemperatur nicht selber regulieren, sind komplett von der Wassertemperatur abhängig. Ideal wären 20 bis 21 Grad, doch diese Werte werden immer öfter massiv überschritten. Wegen Hitze und Krankheit ist es wiederholt zu Massensterben von Milliarden Jungaustern gekommen.
Die Versauerung setzt eine Kettenreaktion in Gang
Das Mittelmeer wird nicht nur immer wärmer, auch seine Chemie verändert sich: Kommt CO2 mit Wasser in Kontakt, entsteht Kohlensäure, was letztlich den pH-Wert des Wassers senkt und es somit saurer macht. Die steigende CO2-Konzentration in der Luft bewirkt direkt eine Übersäuerung der Gewässer. Dies schadet besonders den Meeresbewohnern, die Kalkschalen bilden, wie Muscheln und Flügelschnecken, Korallen, Seeigeln, Seesternen und Krebsen. Diesen Lebewesen fällt es zunehmend schwer, ein widerstandsfähiges Kalkskelett aufzubauen.
Nur Nesseltiere, allen voran die Quallen, kommen gut klar mit Temperaturanstieg und Versauerung. Meeresbiologe Fabien Lombard vom «Laboratoire d’Océanographie de Villefranche» an der Côte d’Azur sagt: «Die natürlichen Feinde der Quallen sind überfischt, deshalb steigen die Quallenpopulationen.» Diese fressen mehr Jungfische, was das natürliche Gleichgewicht zusätzlich kippen lässt und in einen Teufelskreis mündet.
Seegras: Das wichtigste Bollwerk gegen die CO2-Belastung wankt
Dramatisch ist die Entwicklung auch beim Seegras, einem der ältesten Organismen der Erde. Dieses ist besonders wichtig zur Eindämmung der steigenden CO2-Belastung. Am «Laboratoire d’Océanographie» in Villefranche erforscht die Meeresbiologin Anaïs Barrera Montoro, inwieweit Seegras dazu beiträgt, das Klima zu regulieren und die Umweltveränderungen in den Meeren abzumildern. Die Bedeutung von Seegras kann gar nicht überschätzt werden. Durch Photosynthese speichert es geschätzt 20-Mal so viel CO2 aus der Atmosphäre wie alle Wälder der Erde zusammen. Dabei produziert es im Wasser nicht nur den wichtigen Sauerstoff, sondern es setzt den Kohlenstoff dauerhaft im Meeresgrund ab, sodass er nicht mehr in Form von CO2 in die Umwelt gelangen kann. Das geschieht 35-Mal schneller als in den Regenwäldern.
Doch die Umweltbelastungen führen zu physiologischen Veränderungen bei vielen Seegras-Arten. Anaïs Barrera Montoro hat bereits beobachtet, dass sich bei gewissen Arten der Stoffwechsel umkehrt, dass diese Arten also mehr CO2 absondern als aufnehmen. Meeresbiologe Manuel Marinelli hat beobachtet, dass viele Seegraswiesen im Mittelmeer schrumpfen. Grosse Bestände in den Küstengewässern vor Nordkroatien seien innert der letzten 15 Jahre geradezu kollabiert. Die Gründe reichen von Umweltgiften und Verschmutzung bis zu Schädigung durch die Anker von Touristen- und Fischerbooten.
Seegraswiesen brauchen Jahrzehnte, um sich zu erholen und auszubreiten. Die Pflanze bildet nur alle sieben Jahre neue Samen. Mit dem «Projekt Manaia» will Marinelli zur Rettung der Seegraswiesen beitragen. Er sammelt die Samen von speziell resistenten Sorten, um sie an geeigneten Stellen auszusäen. Zu diesem Zweck baut er rund um die Inseln im westlichen Mittelmeer ein Netzwerk mit Tauchschulen auf, die aktiv mithelfen sollen, neue Seegraswiesen anzupflanzen.
Es mangelt an Schutzzonen und strengen Kontrollen
Schon länger wird gefordert, 30 Prozent der Meerflächen unter Schutz zu stellen. Derzeit sind es gerade mal 8 Prozent. Wolfgang Cramer, Umweltgeograph und Ökologe, fordert: «Es muss mehr unter Schutz gestellt werden, als das zur Zeit der Fall ist.» Und er stellt fest, dass bei den bestehenden Schutzgebieten vor allem im Mittelmeer die Überwachung und auch die Restriktionen nur mangelhaft sind. Die Politiker würden allesamt den Eindruck erwecken, dass niemand irgendwelche Nachteile werde in Kauf nehmen müssen. Das sei ein grosses Märchen, das die Politik erzähle.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Die Verschmutzung des Mittelmeeres scheint nicht gross auf Interesse zu stossen. Vielleicht weil der einfache Bürger nur machtlos zusehen kann? Die grössten Verschmutzer sind einige EU-Länder. Natürlich auch einige nordafrikanische Länder. Aber die EU schickt lieber Waffen in korrupte Länder, als Kläranlagen zu bauen und Kunststoffverpackungen zu verbieten. Es ist eben grüne Politik: statt für saubere Gewässer und sauberes Trinkwasser zu sorgen, will man auf Teufel komm raus, Elektrofahrzeuge produzieren. Bevor wir das Klima retten wollen, solllte die Natur in unserer unmmittelbaren Umgebung im Gleichgewicht sein. Dazu gehört auch das Mittelmeer.