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Beliebt, aber nicht eben pflegeleicht: Äpfel der Sorte Gala Royal. © cc-by-sa-4 Frank C. Müller, Wikimedia Commons

Äpfel: Kleine Auswahl im Supermarkt und viele Pestizide

Daniela Gschweng /  In den Regalen liegen vor allem empfindliche Apfelsorten, die intensiv gespritzt werden müssen. Robustere Alternativen gäbe es.

Äpfel sind das beliebteste und am häufigsten angebaute Obst in der Schweiz. Pro Jahr isst eine Einwohner:in der Schweiz laut Schweizerbauer Wissen im Schnitt mehr als 16 Kilogramm Äpfel. Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz rund 104’460 Tonnen Äpfel geerntet. Äpfel werden aber recht häufig mit Pestiziden behandelt. Da lohnt es sich also, genauer hinzusehen.

Der «Verein ohne Gift» hat das getan und fordert die Detailhändler Coop und Migros dazu auf, mehr robustere und damit weniger stark behandelte Apfelsorten in ihr Sortiment aufzunehmen. Ariane statt Braeburn und Ladina statt Gala zum Beispiel. Denn gerade die meistverkauften Sorten würden intensiv mit Pestiziden behandelt.

Hoher Pestizideinsatz im Apfelanbau

Beim Anbau von Äpfeln werden oft und umfangreich Pestizide verwendet. Gifte, die hauptsächlich gegen Schädlinge und Pflanzenkrankheiten eingesetzt werden, sind aber für alle Insekten schädlich, worunter die Artenvielfalt leidet. Pestizide stellen zudem ein Risiko für die Umwelt und den Menschen dar.

Apfelsorten wiederum sind unterschiedlich empfindlich. Manche müssen häufiger gespritzt werden, andere weniger. Bei den grossen Detailhändlern Coop, Migros und Denner fänden sich aber hauptsächlich pestizidintensive Sorten, schreibt der «Verein ohne Gift» in einem Blogartikel.

Vor allem höher belastete Sorten im Verkauf

Die Autorin Solène Schaub sah bei den verschiedenen Detailhändlern nach und glich das Angebot mit einer Aufstellung des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) ab. Dieses führt zum Beispiel auf, ob eine Sorte gegen Apfelschorf und andere Krankheiten resistent ist. Die Supermarkt-Sorten habe sie nach einem Punktesystem in drei gleich grosse Gruppen eingeteilt, erklärte Schaub auf Nachfrage von «Infosperber».

Aus der Liste ist schnell ersichtlich, dass vor allem stark behandelte Sorten in den Regalen liegen. Ein Beispiel ist die Sorte Gala. Der beliebteste Schweizer Apfel muss häufig gespritzt werden. Robuste Sorten fanden sich nur im Bio-Sortiment.

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Ein Augenschein des «Vereins ohne Gift» fand kaum robuste Apfelsorten bei Migros, Coop und Denner. Und wenn, dann im Bio-Sortiment.

Alternative Sorten mit weniger Pestizidbedarf gäbe es, Rustica oder Ladina beispielsweise. Nur werden diese nicht häufig angebaut.

Wäre das so, könnte ein Teil ihrer Robustheit verloren gehen, denn Robustheit ist relativ. Wird eine Sorte über längere Zeit grossflächig angebaut, passen sich Krankheitserreger und Schädlinge an. Die Sorte wird anfälliger. In der Fachsprache heisst das «Koevolution». Mischkulturen könnten dafür eine Lösung sein, schlägt Schaub vor.

Apfelanbau ist so gesehen ein Balanceakt. Hilfreich wäre dabei eine grössere Sortenvielfalt. Deshalb bräuchte es auch eine grosszügige Reserve an robusten Sorten. Kein Problem, könnte man meinen – es gibt hunderte Apfelsorten. Selbst europäische Grosshändler bieten aber höchstens zehn Sorten an. Im Detailhandel finden sich davon vier bis fünf.

Das Problem mit Monokulturen

Bisher werden Äpfel hauptsächlich in grossen Monokulturen angebaut. Das macht sie anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Ein Beispiel dafür ist das Südtiroler Apfelanbaugebiet Vinschgau. Dessen «Spritzhefte» erlangten zweifelhafte Berühmtheit, als sie im Zuge eines Gerichtsverfahrens öffentlich wurden (Infosperber berichtete).

Es wurde publik, was die Öffentlichkeit sonst verdrängt: Die Auswertung zeigte, dass Vinschgauer Apfelplantagen in der Saison 2017 bis zu 38-mal mit Herbiziden, Fungiziden, Insektiziden und Wachstumsregulatoren behandelt wurden. Der Verband der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse wehrt sich gegen diese Zahl und erläuterte im vergangenen Jahr bei «Infosperber» seine Sicht der Dinge. Doch auch gemäss dieser Darstellung kam ein Apfel auf wenigstens 20 Behandlungen.

Schweizer Äpfel werden laut dem «Verein ohne Gift» weniger häufig, aber noch immer 14- bis 20-mal pro Saison behandelt. Und auch bei der Lagerung können Pestizide eingesetzt werden, zum Beispiel, damit ein Apfel nicht fault.

Absurde Qualitätsanforderungen sorgen für hohen Pestizideinsatz

Das Aussehen eines Apfels unterliegt teilweise absurden Qualitätsmassstäben. Selbst bei kleinsten Fehlern werden Äpfel in eine niedrigere Qualitätsklasse eingestuft. Verfehlt ein Apfel beispielsweise das Kriterium «unverletzter Stiel», wird er von «Extra» nach «Klasse I» verschoben. Dazu muss er selbstverständlich eine makellose Schale aufweisen. Solche Anforderungen sind laut dem «Verein ohne Gift» einer der Hauptgründe für den intensiven Pestizideinsatz.

Forderungen und Lösungsansätze

Für die Auswahl des Obstes im Supermarkt und damit für die Zustände in der Produktion sorgen aber auch die Konsument:innen. Der Verein ohne Gift empfiehlt

  • sich im Laden für pestizidärmere Sorten zu entscheiden,
  • Bio-Produkte und robuste Sorten zu bevorzugen,
  • Hersteller zu unterstützen, die kleinflächig seltenere Sorten anbauen und vertreiben, beispielsweise auf dem Markt oder in einem Hofladen.
  • Äpfel saisonal einzukaufen, damit ihre Lagerung nicht weitere Pestizide (und viel Energie) verschlingt,
  • auch andere Obstsorten zu konsumieren, damit sich die Produzenten breiter aufstellen.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber. entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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