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Sollen von Ghana nun mit eigenen Mitteln aufgekauft werden: Kakaobohnen. © cc-by pixabay

Knall beim wichtigsten Kakao-Lieferanten der Schweiz

Philippe Stalder /  Ghana verzichtet beim Bohnenankauf nach drei Jahrzehnten erstmals auf ausländische Kredite. Ein Akt der Unabhängigkeit?

Cocobod, Ghanas staatliche Absatzorganisation für Kakao, wird für die Erntesaison 2024/25 zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrzehnten keinen ausländischen Kredit aufnehmen. Dies verkündete Geschäftsführer Joseph Boahen Aidoo am Dienstag auf einer Pressekonferenz. «Das Geld wird aus der Region kommen. Wir werden uns selbst finanzieren», so Aidoo. 

Er fügte hinzu, dass dieser Schritt das Land davor bewahren werde, hohe Zinsen an ausländische Gläubiger zu zahlen, und dass die finanziellen Gewinne aus den Kakaokäufen nun direkt an Cocobod fliessen würden.

Ghana ist der wichtigste Kakaobohnen-Lieferant für die Schweizer Schokoladenindustrie. Rund 60 Prozent der hier verarbeiteten Bohnen stammen aus dem westafrikanischen Land. Cocobod kontrolliert den internationalen Handel mit ghanaischen Kakaobohnen und setzt jährlich fixe Preise für seine Bauern fest. 

Cocobod nahm während der letzten 32 Jahre bei mehreren ausländischen Banken jedes Jahr meist im August oder September einen Kredit auf. Seit 2007 bewegte sich die Höhe der Kredite zwischen ein und zwei Milliarden US-Dollar. Mit dem Geld kaufte Cocobod den ghanaischen Bauern ihren Kakao zu einem festen Preis ab und schützte sie so vor Veränderungen der Weltmarktpreise.

Die regelmässige Einnahme von Fremdwährungen in Milliardenhöhe ermöglichte es der Regierung ausserdem, die eigene Währung, den Cedi, zu stabilisieren.

Ein Akt der Unabhängigkeit

Doch damit ist jetzt Schluss. Die Regierung stellt diesen Schritt als Akt der Unabhängigkeit dar. Sie erwartet, dass der neue Ansatz die ghanaische Wirtschaft, die in den letzten Jahren mit steigenden Schulden zu kämpfen hatte, erheblich entlasten wird. So musste sie für ihre Kredite Zinsen von rund acht Prozent bezahlen. Doch nicht alle Beobachter beurteilen den geplanten Schritt in die Unabhängigkeit ähnlich optimistisch.

Für die laufende Saison hat Cocobod im Voraus internationale Kaufverträge für rund 820’000 Tonnen Kakao abgeschlossen. Cocobod hinterlegt diese sogenannten Future Contracts als Sicherheit für die internationalen Kredite. Trockenheit, Schädlinge, informeller Goldabbau sowie Bohnenschmuggel in Nachbarländer haben dieses Jahr jedoch zu einem riesigen Ernteausfall von rund 250’000 Tonnen Kakao geführt. Cocobod sah sich derweil gezwungen, die Lieferverträge mit den Händlern neu zu verhandeln und die Lieferungen auf die nächste Ernte im Oktober zu verschieben.

Kreditwürdigkeit im Keller

Kritiker gehen deshalb davon aus, dass es nicht etwa Cocobod war, das freiwillig auf die Aufnahme des nächsten Kredits verzichtete. Vielmehr gehen sie davon aus, dass die internationalen Banken die Kreditwürdigkeit Ghanas aufgrund des Ernteausfalls und der hohen Staatsverschuldung als zu tief einschätzen, und deshalb dem Land die Kredite verwehrten.

Handelt es sich bei Aidoos Unabhängigkeits-Statement also bloss um ein gewieftes Framing? Dafür würde sprechen, dass noch im Juni aus Regierungskreisen zu vernehmen war, dass Cocobod fürs nächste Jahr bei ausländischen Banken einen Kredit über 1,5 Mrd. US-Dollar beantragen wollte. 

Cassiel Ato Forson, Parlamentarier der Oppositionspartei NDC, verkündete am Mittwoch in einer Pressemitteilung: «Im Juni 2024 stellte Cocobod einen Antrag auf ein Darlehen in Höhe von 1,5 Mrd. US-Dollar für den Kauf von bis zu 650’000 Tonnen Kakao für das Erntejahr 2024/2025. Die Banken kamen offensichtlich zu dem Schluss, dass von der prognostizierten Produktion von 650’000 Tonnen Kakao, 250’000 Tonnen zur Bedienung bestehender Verträge verwendet werden, so dass nur 400’000 Tonnen übrig bleiben, um die Verpflichtungen Cocobods für das Erntejahr 2024/2025 zu erfüllen. Dies warf für die Banken die Frage der Zahlungsfähigkeit auf, weshalb sie sich weigerten, sich zu beteiligen.»

Cocobod widersprach dieser Darstellung in einer Pressemitteilung am Donnerstag:

«Die Behauptung, die internationalen Banken hätten den Antrag des Cocobods abgelehnt und dieses vom Markt ‹weggejagt›, ist falsch. Um jeden Zweifel auszuschliessen, sei gesagt, dass die vorgeschlagene Entscheidung, eine Finanzierung ohne Kreditaufnahme zu prüfen, Teil einer breiter angelegten Strategie ist, die darauf abzielt, unsere Finanzierungsquellen zu diversifizieren und die Organisation mittel- bis langfristig selbstfinanzierend und nachhaltig zu machen, um mehr Wert für die Bauern zu schaffen und mehr Wert in der ghanaischen Wirtschaft zu halten.»

Höhere Zinsen als erwartet

Ähnlich sieht es eine Quelle aus dem Bereich EM-Kredite (emerging markets). Gegenüber der Branchenplattform Globalcapital sagte die Person am Mittwoch: «Ich bin über die Entscheidung von Cocobod nicht überrascht. Ich gehe davon aus, dass Cocobod angesichts der Staatsschulden für den Kredit einen höheren Zins als erwartet hätte zahlen müssen, und sich deshalb von sich aus gegen die Kreditaufnahme entschieden hatte.»

Tatsächlich war die Sicherung von Finanzierungen für Cocobod aufgrund der wirtschaftlichen Probleme Ghanas und wegen eines Zahlungsausfalls der Regierung Ende 2022 schwieriger geworden.

2022 erhielt Cocobod noch 1,1 Mrd. US-Dollar von insgesamt 19 Banken. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 800 Mio. US-Dollar von vier Banken. Es war das erste Mal seit 2007, dass der jährliche Kredit weniger als eine Milliarde betrug und Cocobod konnte sich den Kredit erst im November sichern, später im Jahr als üblich.

Drittgrösstes Exportprodukt

Ob autonom entschieden oder aufgezwungen: Dieser Kurswechsel bei der Finanzierung der Kakaokäufe wird den wichtigsten Zulieferer der Schweizer Schokoladenindustrie noch einige Zeit in Atem halten.

Denn die Kakaoindustrie ist für die ghanaische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Nach Angaben des ghanaischen Statistikamtes waren Kakaobohnen und -erzeugnisse im Jahr 2023 Ghanas drittgrösstes Exportprodukt nach Gold und mineralischen Brennstoffen. Die Kakao-Ausfuhren hatten einen Wert von 1,3 Mrd. US-Dollar.

Cocobod hat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht auf eine Bitte um Stellungnahme reagiert.


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