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Sollte den Vitamin-A-Mangel in Südostasien bekämpfen: Im Vergleich zu herkömmlichem Reis schimmert goldener Reis goldgelb. © International Rice Research Institute

Philippinen verbieten genmanipulierten ETH-Reis

Philippe Stalder /  Goldener Reis sollte den Vitamin-A-Mangel in Asien bekämpfen. Nun pfeift ein Gericht das an der ETH entwickelte Saatgut zurück.

«Die Saat ist aufgegangen», verkündete die ETH Zürich vor anderthalb Jahren. Erstmals hätten Bauern auf den Philippinen den sogenannten goldenen Reis in grösserem Stil angebaut und Ende 2022 rund 70 Tonnen Körner geerntet. Der emeritierte ETH-​Professor Ingo Potrykus feierte die Ernte als Durchbruch: «Nach Jahrzehnten […] wird jetzt das erste Beispiel für ein humanitäres Projekt zur Lösung eines grossen Gesundheitsproblems Realität.»

Potrykus gilt als geistiger Vater und Erfinder des mit Provitamin-A angereicherten Reises und sah darin ein wirksames Mittel im Kampf gegen Vitamin-A-Mangelerkrankungen, die in Südostasien weit verbreitet sind und zu Erblindung oder sogar zum Tod führen können. Dass ein philippinisches Gericht seine Erfindung anderthalb Jahre nach der Zulassung bereits wieder zurückpfeifen würde, konnte Potrykus damals noch nicht ahnen.

Syngenta erwirbt Patentrechte

Bis zur ersten Ernte des goldenen Reises war es ein langer Weg: Bereits 1999 präsentierte Potrykus zusammen mit seinem Kollegen Peter Beyer einen Prototypen. Dieser enthielt Gene der Osterglocke, die im Reiskorn Provitamin-A produzierten und es dadurch goldgelb schimmern liessen. In Zusammenarbeit mit dem Agro-Riesen Syngenta entwickelten die Forscher 2005 eine zweite Variante. Statt mit Erbgut der Osterglocke war diese mit Mais-Genen angereichert, die eine noch höhere Vitamin-A-Menge produzierten. 

Syngenta erwarb durch seine finanzielle Beteiligung die Patent- und Vermarktungsrechte. Der Basler Agro-Riese versprach aber, das Saatgut kostenlos an Bauern abzugeben, die weniger als 10’000 Dollar jährlich erwirtschafteten. Die Hoffnung war, dass die Sorte innerhalb von acht Jahren so zehn Prozent der Reisernte des Landes ausmachen würde. Genug für alle Haushalte mit Vitamin-A-Mangel.

Umweltorganisationen wie Greenpeace stellten jedoch in Frage, ob die Provitamine im Reiskorn durch mangelernährte Menschen überhaupt aufgenommen werden könnten. So würde der menschliche Körper das Provitamin-A nur verwerten, wenn ihm ausreichend Fett zur Verfügung stünden – was gemäss Greenpeace bei mangelernährten Menschen oft nicht der Fall sei. Ausserdem bestehe die Gefahr, dass sich der gentechnisch veränderte Reis, einmal aufs Feld gebracht, selbständig fortpflanzen, verbreiten und dadurch andere Reissorten verunreinigen könne. Wegen solcher Bedenken dauerte es nochmals 16 Jahre, bis die philippinischen Biosicherheitsbehörden dem Anbau von goldenem Reis 2021 schliesslich grünes Licht erteilten. 

Gericht widerruft Genehmigung

Doch nun macht ein neues Gerichtsurteil der Verbreitung der transgenen Reissorte bereits einen Strich durch die Rechnung. So widerrief ein philippinisches Berufungsgericht die Genehmigung am 17. April mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip: «Da es keinen wissenschaftlichen Konsens über die Sicherheit von goldenem Reis gibt, sollte er nicht weiter kommerziell angebaut werden.» Das Verbot erstreckt sich zudem auf den Anbau einer gentechnisch modifizierten Aubergine. Der kommerzielle Anbau sei so lange nicht erlaubt, «bis die betroffenen Regierungsbehörden den Nachweis der Sicherheit und der Einhaltung aller rechtlichen Anforderungen erbringen», so das Gericht.

Das Gericht hielt ausserdem fest, dass die Regierung keine Überwachungsmechanismen zur Sicherheit des Anbaus und des Verzehrs von goldenem Reis eingerichtet habe. Das Urteil blockiert daher vorerst auch neue Feldversuche in Gewächshäusern oder auf offenen Feldern.

Das Urteil wurde gefällt, nachdem der philippinische Bauernverband MASIPAG gemeinsam mit anderen Organisationen gegen die Zulassung des Anbaus von goldenem Reis geklagt hatte. Die Klage, die im Jahr 2022 eingereicht wurde, beruht auf einem philippinischen Rechtsinstrument namens Writ of Kalikasan. Dieses schützt das verfassungsmässig verankerte Recht auf eine «ausgewogene und gesunde Ökologie» und hält fest, dass dieses Recht Vorrang vor menschlichen Aktivitäten hat, die die Umwelt beeinträchtigen könnten.

Würde ein Einspruch Früchte tragen?

Wie Aldrich Fitz Dy, ein beratender philippinischer Anwalt, auf Anfrage der Fachzeitschrift Science sagt, habe die philippinische Regierung nun zwei Möglichkeiten. Entweder könne sie Berufung einlegen oder das Urteil an den obersten Gerichtshof weiterziehen. Ersteres sei gemäss Dy unwahrscheinlich, Letzteres würde mindestens zwei Jahre dauern.

Adrian Dubock, Mitglied des Golden Rice Humanitarian Boards, sieht dies anders. Er erwartet, dass die philippinische Regierung beim Gericht Einspruch einlegen wird: «Ich gehe davon aus, dass der Einspruch erfolgreich sein wird», so Dubocks Einschätzung gegenüber der Wissenschaftsplattform New Scientist.

Ob es am aktuellen Anbauverbot von goldenem Reis noch etwas zu rütteln gibt, wird sich erst noch zeigen. In der Zwischenzeit dürfte das Urteil Bewegungen inspirieren, die sich in anderen Ländern gegen die Einführung von goldenem Reis und anderen gentechnisch veränderten Sorten wehren. So zum Beispiel in Bangladesch, wo der Antrag für den Anbau von goldenem Reis seit 2017 geprüft wird.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • am 10.05.2024 um 07:45 Uhr
    Permalink

    Oh du schöne neue Welt!
    Was erwartet uns noch alles?
    Oder noch besser: Heinrich, mir graut vor dir!

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