PFAS: Giftige Chemie in Kinderkleidung
Kleidung für draussen soll warm und schmutzunempfindlich sein, trocken halten und in allen Wetterlagen schützen. Vor allem Kinder sind damit bei Schmuddelwetter bestens ausgestattet. Mit der praktischen Kleidung holt man sich aber womöglich ein anderes Problem ins Haus: die chemischen Stoffe, die sie so praktisch machen.
Forschende, die Regenkleider, Schneehosen und andere Produkte für Kinder aus den USA und Kanada untersuchten, fanden in 65 Prozent potenziell gefährliche Chemikalien. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hatten 72 verschiedene Produkte auf PFAS (per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe) untersucht. Darunter Schuluniformen, Regenkleidung, Schneeanzüge, Schneeschuhe, Fäustlinge, Lätzchen, Mützen und Kinderwagenabdeckungen. Die gefundenen Konzentrationen bezeichnen die Forschenden in der im September im Magazin «Environmental and Science Technology» veröffentlichten Studie als «hoch».
Ungemein praktisch wegen «ewiger Chemikalien»
Die Fluorchemikalien sorgen meist für den bekannten Abperleffekt. Stoffe werden damit behandelt, damit sie wasser- und schmutzabweisend oder knitterfrei werden. Es gibt Hinweise darauf, dass PFAS oder PFC das Hormonsystem stören, Organe angreifen, das Immunsystem beeinträchtigen und Krebs auslösen können. In der Natur sind PFAS quasi unzerstörbar, die Herstellung und Verwendung einzelner PFAS ist in vielen Ländern verboten. Insgesamt gibt es mehrere Tausend verschiedene PFAS.
In 65 Prozent aller getesteten Produkte wies das Team aus den USA und Kanada Fluor nach – ein sicherer Hinweis darauf, dass sie mit PFAS behandelt worden waren. Die höchsten PFAS-Konzentrationen fanden die Forschenden in Schuluniformen, besonders in solchen, die laut Etikett aus «100 Prozent Baumwolle» bestanden.
Am meisten belastet: Schuluniformen und Outdoorkleidung
Zusätzlich suchten sie gezielt nach 49 Einzelverbindungen. In Schuluniformen am häufigsten fand sich dabei eine Chemikalie namens 6:2 FTOH, die auch in wasser- und fettabweisenden Lebensmittelverpackungen vorkommt.
Ähnlich hoch waren die Konzentrationen in Outdoorkleidung, in der sich unterschiedliche PFAS fanden. Höhere PFAS-Konzentrationen als in der Studie habe er bisher nur in der Einsatzkleidung von Feuerwehrleuten gefunden, sagte Graham Peaslee, einer der Co-Autoren, gegenüber dem «Guardian». Peaslee hält das für unverantwortlich.
Die Chemikalienbelastung von Menschen in Europa ist ohnehin bedenklich hoch, ergab kürzlich ein grossangelegter Test, vor allem bei Kindern und Jugendlichen.
Die potenziell giftigen Chemikalien können über die Haut in den Körper gelangen, verschluckt oder eingeatmet werden. Bei der Wäsche gelangen sie ins Wasser. Kinder sind für ihren Einfluss besonders empfindlich, weil sie weniger wiegen als Erwachsene, einen schnelleren Stoffwechsel haben und sich noch im Wachstum befinden.
Auch in der Schweiz finden sich PFAS in Outdoorkleidung
Nur etwa ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler in den USA und Kanada tragen Schuluniformen, grössere Beachtung fand das Resultat in Grossbritannien, wo die meisten Schüler einheitliche Kleidung tragen. Hierzulande sind vor allem Outdoor- und Skibekleidung betroffen.
«In Outdoorkleidung findet sich auch in der Schweiz ganz sicher PFAS», sagt Juliane Glüge, die seit Jahren zu PFAS forscht und unter anderem Produkte, die PFAS enthalten, in einer detaillierten Liste sammelte. «Alle Jacken mit Gore-Tex enthalten PFAS, denn Gore-Tex ist ein PTFE (Polytetrafluorethylen), also PFAS», schreibt die ETH-Umweltchemikerin auf Anfrage. Aber auch Schuhe und andere Kleidung können laut Glüge PFAS enthalten.
Alternativen zur schädlichen Fluorchemie
Bis auf einige wenige Ausnahmen sind PFAS bei der Herstellung von Kleidung, Rucksäcken oder Schuhen nicht verboten. Dabei ist die Imprägnierung von Kleidern mit Fluorchemikalien in vielen Fällen gar nicht zwingend notwendig. Viele Hersteller sind in den letzten Jahren auf Alternativen ausgewichen.
Einige haben bekannt schädliche PFAS durch weniger erforschte ersetzt, wie 8:2 FTOH durch das oben erwähnte 6:2 FTOH. Damit hat sich das Problem nur verschoben. Andere Hersteller suchten komplett fluorfreie Alternativen.
Bei einigen Kleidungsstücken haben die Anstrengungen bisher Grenzen. Manche Arbeitskleidung von Feuerwehrleuten, Forstwirten und Polizisten ist beispielsweise zwingend auf PFAS angewiesen. Da gilt mangels Alternativen oft «lieber giftig, aber sicher» (Infosperber berichtete).
Auch bei Sportkleidung, die über einen längeren Zeitraum stark beansprucht wird wie beim Segeln, sei es schwer, Ersatz zu finden, sagen die Hersteller. Eine lesenswerte Zusammenfassung zum Stand von Wissenschaft und Regulierung in Deutschland hat «Spektrum der Wissenschaft» 2021 veröffentlicht.
So finden Sie Kleidung ohne PFAS
Für Kleidung, die nicht ganz so extreme Ansprüche erfüllen muss, gibt es aber bereits Alternativen. Die Imprägnierung muss dann häufiger erneuert werden – mit PFAS-freien Stoffen. Sonst sei das Kleidungsstück nach Gebrauch genau genommen Sondermüll, erklärte die Vaude-Qualitätsmanagerin Bettina Roth.
Vaude, Jack Wolfskin, Fjallräven und der Schweizer Hersteller Rotauf verzichten laut dem Nachhaltigkeitsportal «Utopia» bei der Herstellung von Outdoorkleidung bereits auf PFC. Gore-Tex will demnach bis 2024 ohne die problematischen Stoffe auskommen, Mammut bis 2025.
Auch andere Hersteller versehen ihre Produkte zunehmend mit Labels, die sie als «PFC-frei», «PFOA-frei» oder «PFOS-frei» (zwei spezielle, inzwischen verbotene PFAS), «frei von Fluorchemikalien» oder ähnliches ausweisen. Laut «K-Tipp» ist das aber keine absolute Garantie dafür, dass sie keine Fluorchemikalien enthalten.
Drinnenbleiben ist keine Option
Nähere Angaben dazu finden Konsumentinnen und Konsumenten am ehesten auf der Homepage des Herstellers. Auch der Kundenservice kann weiterhelfen, um herauszufinden, womit die Kleidung behandelt wurde. Drinnenbleiben ist für Kinder übrigens keine gute Alternative – neben vielen anderen Gründen auch wegen der Chemikalienbelastung. Diese ist in geschlossenen Räumen nämlich weitaus höher als draussen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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