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Fyllingsdalstunnelen: Drei Kilometer lang ist der längste Velotunnel der Welt. Er unterquert den Løvstakken, den Hausberg der norwegischen Stadt Bergen. © Miljøløftet

Norwegen baut Velotunnel, die Schweiz schliesst Veloroute

Marco Diener /  Obwohl klimatisch nicht begünstigt, macht Norwegen vor, wie Veloförderung geht. Die Schweiz könnte lernen.

Bergen ist die Stadt mit dem meisten Niederschlag von ganz Norwegen. 2250 Millimeter fallen jährlich. Zum Vergleich: In der Stadt Bern sind es 1000 Millimeter. Und trotzdem fördert Bergen – wie auch die finnische Stadt Oulo – den Veloverkehr mehr als manche andere Stadt, die klimatisch günstiger liegt.

Drei Kilometer

Das wurde letztes Jahr wieder deutlich, als die Stadtbehörden den Fyllingsdalstunnelen eröffneten. Mit einer Länge von drei Kilometern ist er der längste Velotunnel der Welt. Er unterquert den Hausberg Løvstakken und verbindet die beiden Quartiere Fyllingsdalen und Mindemyren. Er verkürzt die Fahrt von einer guten halben Stunde auf 10 bis 15 Minuten.

Eigentlich ein Fluchtstollen

Ursprünglich hatten die Stadtbehörden gar keinen Velotunnel geplant. Vielmehr mussten sie entlang einer Bahnlinie einen Fluchtstollen bauen. Erst nach und nach entstand die Idee, den Tunnel auch für Velofahrer und Fussgänger nutzbar zu machen.

Mit Tartanbelag

Im Tunnel gibt es einen Radweg, der 3,50 Meter breit ist, sowie einen Gehweg, der 2,50 Meter misst. Der Radweg ist asphaltiert; der Gehweg ist mit einem Tartanbelag, wie man ihn aus der Leichtathletik kennt, versehen. Der Tartanbelag federt leicht und ist auch für Lauftrainings geeignet. Aber nur tagsüber. Von 23.30 Uhr bis 5.30 Uhr ist der Tunnel aus Sicherheitsgründen geschlossen.

Überall Handyempfang

Auch sonst haben die Verantwortlichen für Sicherheitsmassnahmen gesorgt. Der Tunnel ist videoüberwacht. Alle 250 Meter hat es eine Notrufsäule. Und auf der ganzen Länge gibt es Handyempfang. Wer den Tunnel durchfährt, erzeugt eine Lichtwelle. Entgegenkommende sind so vor Gegenverkehr gewarnt.

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Rastplätze bieten sich für eine Pause an.

25 Millionen Franken

Damit die Fahrt oder der Marsch nicht langweilig werden, haben die Verantwortlichen unterwegs immer wieder Rastplätze eingebaut. Zudem sorgen Kunstwerke und Lichtinstallationen für Abwechslung. Eines der Kunstwerke symbolisiert eine Sonnenuhr, obwohl die Sonne das Tunnelinnere nie erreicht. An den Wänden hat es immer wieder Distanzangaben, damit sich die Benützer orientieren können. Gekostet hat der Tunnel rund 25 Millionen Franken.

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An den Wänden lässt sich ablesen, wie weit es noch geht.

Auch in Frankreich

Als Vorbild für den Fyllingsdalstunnelen könnte der Tunnel du Chat nördlich von Chambéry in Frankreich gedient haben. Der Tunnel du Chat, ein nur 1,5 Kilometer langer Autotunnel, wurde nach der Brandkatastrophe im Mont-Blanc-Tunnel von 1999 einer Prüfung unterzogen. Danach galt er als einer der gefährlichsten Tunnels von ganz Frankreich.

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Nur halb so lang wie der Tunnel in Norwegen, aber ursprünglich auch als Fluchttunnel gebaut: Der Velotunnel durch den Mont du Chat.

Für Touristen

Von 2015 bis 2017 baute das Departement Savoyen deshalb einen Fluchtstollen, der gleichzeitig als Velotunnel dient. Anders als in Norwegen allerdings nicht für Pendler, sondern für Velotouristen.

Bald in Zürich

Etwas bescheidener wird der Velotunnel in Zürich. Er soll 320 Meter lang werden und ab Ende Jahr unter dem Hauptbahnhof hindurch die Stadtkreise 4 und 5 verbinden – und zwar zwischen Konradstrasse und Kasernenstrasse. Zudem soll es eine Velostation mit 1200 Plätzen geben. Die Stadt Zürich rechnet mit Baukosten von knapp 39 Millionen Franken.

Seit über 30 Jahren

Das ist ein stolzer Preis. Denn der Tunnel existiert schon seit über 30 Jahren. Er ist ein Überbleibsel der Nationalstrassen-Planung aus den 50er-Jahren. Ursprünglich hätte die Sihlhochstrasse weiterführen und den Bahnhof als Teil der «Y-Lösung» überqueren sollen.

Angesichts des grossen Widerstandes schlug der Bund aber bald eine unterirdische Lösung vor: die Sihltiefstasse.

Rohbau-Stadttunnel
Während Jahrzehnten existierte der Stadttunnel unter dem Zürcher Hauptbahnhof als Rohbau.

Abstimmung 2021

Ende der 80er-Jahre wurde der Stadttunnel tatsächlich gebaut. Doch in Betrieb genommen wurde er nie. Während Jahrzehnten existierte er lediglich als Rohbau. 2011 verlangte «Pro Velo» mit einer Petition, dass der Stadttunnel zu einem Velotunnel ausgebaut werde. 2021 sagten die Zürcher Stimmberechtigten mit 74 Prozent ja.

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So soll der Velotunnel unter dem Zürcher Bahnhof ab Ende 2024 aussehen.

Zwei Millionen für nichts

Seit über zehn Jahren spricht man in Bern von der Idee einer Velo- und Fussgängerhochbrücke von der Länggasse über die Aare in den Breitenrain. Die Stadtregierung hat auch schon fleissig geplant. Und dafür bislang 1,95 Millionen Franken ausgegeben. Gleichzeitig hat sie «beschlossen, vorerst auf die Projektierung (…) zu verzichten». Oder anders gesagt: Zwei Millionen sind weg. Aber die Velofahrer müssen noch immer hinunter zum Stauwehr, um die Aare zu überqueren, oder den Umweg über die Lorrainebrücke machen.

Gefährliche Axenstrasse

Andernorts ist die Veloförderung noch weniger ambitioniert. Die Veloland-Route Nummer 3 von Basel nach Chiasso existiert seit 25 Jahren. Ihr Problem: Die Axenstrasse. Dort gibt es nur einen bruchstückhaften Radweg. Richtung Süden ist die Fahrt sehr unangenehm. Richtung Norden ist sie richtig gefährlich. Denn die Velofahrer und Velofahrerinnen müssen die Hauptstrasse mehrmals überqueren.

Die Lösung: Veloverbot

Lange wollte das Bundesamt für Strassen (Astra) von einer besonderen Gefahr auf der Axenstrasse nichts wissen. Bis im Sommer 2022 beim Wolfsprung ein Auto in den Vierwaldstättersee stürzte. Nun gilt zwischen Brunnen SZ und Sisikon UR eine Höchstgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde. Zudem hat das Astra kurzerhand ein Veloverbot erlassen. Zwar gibt es seither einen kostenlosen Bustransport für Velofahrer. Doch der Bus fährt selten. Und er bietet nur 16 Plätze.

Für zehn Jahre

Mit anderen Worten: Eine der neun nationalen Veloland-Routen ist einfach unterbrochen. Und weil die Realisierung der Sicherheitsmassnahmen viel Zeit braucht, wird das sicher zehn Jahre lang so bleiben. Der Urner Mitte-Nationalrat Simon Stadler beklagt: «Uri ist somit für die nächsten zehn Jahre im Sommer mit dem Velo nur noch über die Pässe erreichbar.» Das heisst: Susten, Furka, Gotthard, Oberalp oder Klausen. Die Pässe liegen alle auf einer Höhe zwischen 1948 und 2429 Metern über Meer.

Probleme auch im Kleinen

In der Schweiz tun sich die Verkehrsplaner nicht nur mit den grossen Würfen zugunsten der Velofahrer und Velofahrerinnen schwer. Manchmal zeigen sie guten Willen, schaffen damit aber neue Gefahren. Zum Beispiel auf der Länggassstrasse in Bern. Dort haben sie die Radstreifen verbreitert. Aber nicht etwa nach links, sondern nach rechts.

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Der Radstreifen führt viel zu nahe an den parkierten Autos vorbei.

Gefährliche Türen

Das heisst: Der Radstreifen führt noch näher an den Parkfeldern vorbei. Velofahrer riskieren, in Türen zu prallen, wenn Autofahrer sie unvorsichtig öffnen. Vorsichtige Velofahrer fahren deshalb ganz links auf dem Radstreifen. Doch darüber ärgern sich manche Auto- und Busfahrer, weil sie dann einen Bogen machen müssen.

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Sicher ist, wer ganz links fährt. Doch das ärgert manche Autofahrer.

Weiterführende Informationen


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Keine
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Eine Meinung zu

  • am 21.01.2024 um 17:02 Uhr
    Permalink

    Also was Bern da mit den Velowegen auf den Hauptstrassen bezwecken wollte ist mir schleierhaft! Diese sollten möglichst in Quartierstrassen verlegt werden oder zumindest fernab von Motorfahrzeugstrecken sein. Ich kann ja nicht sagen wie viele Unfälle es dort gab oder gibt aber für mich als Autofahrer ist es extrem unübersichtlich geworden. Das war früher besser. Heute schiebt man die ganze Verantwortung auf die Motorfahrzeuglenker ab. Dies ist aus meiner Sicht sehr gefährlich. Man könnte z.B. die Parkplätze auf Hauptstrassen aufheben und im Gegenzug Gratisparkplätze im Untergrund anbieten da die Velofahrer auch gratis Verkehrsraum bekommen. So wäre allen geholfen. Die Andere Variante wäre man macht Bern Verkehrs frei und baut einen riesigen Umschlagplatz und ein 10`000er Parkhaus im Wankdorf wo sie alles mit Velo und Anhänger abholen könnten. So hätte es genug Platz für Velo, Tram, Bus und ein paar Bäume auf der Strasse.

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