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Wäre eigentlich sparsam – wenn er denn an die Steckdose angeschlossen würde: VW Golf GTE. © vwpress.ch

Neue Plug-in-Hybride – kein Grund zum Jubel

Marco Diener /  Dank grösserer Batterien können Plug-in-Hybride länger mit Strom fahren. Die «Sonntags-Zeitung» ist begeistert. Zu Unrecht.

«Auf der Überholspur: Plug-in-Hybride sind kein schlechter Kompromiss mehr.» So titelte die «Sonntags-Zeitung» kürzlich. Sie schwärmte von den technischen Fortschritten bei den Plug-in-Hybriden (PHEV). Das sind Autos, die sowohl über einen Verbrennungs- als auch über einen Elektromotor verfügen. Die Batterien lassen sich an Steckdosen aufladen.

Die «Sonntags-Zeitung» hat nun also beobachtet: «Super-PHEV erobern die Strassen.» Denn: «Dank immer grösserer Batterien können die neuen Modelle sehr weit rein elektrisch fahren.» Sie schaffen 100 Kilometer rein elektrisch – «sofern man sie regelmässig ans Kabel hängt». Das ist ein wichtiger Einwand. Aber dazu später mehr.

Vor allem aus China

Die «Sonntags-Zeitung» berichtet weiter: «Besonders aus China kommt nun ein Super-PHEV nach dem anderen auf den Markt.» Doch auch in Europa hat die «Sonntags-Zeitung» einen «Super-PHEV» ausgemacht: den neuen VW Golf. Er soll 143 Kilometer rein elektrisch schaffen.

Das führt zu phänomenalen Verbrauchswerten – zumindest auf dem Papier. So kommt der neue Golf E-Hybrid je nach Ausführung angeblich mit 0,3 bis 0,4 Litern Benzin auf 100 Kilometer aus. Das Vorgängermodell verbrauchte noch 1,2 Liter. Der CO2-Ausstoss soll von 26 auf 7 Gramm gesunken sein.

Die Werte sind Theorie

Aber eben: Das ist die Theorie. Die Werte träfen zu, wenn die Besitzer und Besitzerinnen die Batterien bei jeder Gelegenheit an der Steckdose aufladen würden. Doch die meisten tun es nicht – sei es, weil es ihnen zu mühsam ist, sei es, weil sie keine geeignete Steckdose zur Verfügung haben.

Die EU-Kommission hat die Daten der On-Board-Diagnose-Geräte (OBD) von 600’000 Autos, die 2021 zugelassen wurden, ausgewertet. Die wichtigsten Ergebnisse der grossen Untersuchung:

  • Die Plug-in Hybride mit Benzinmotor verbrauchen in der Praxis 238,1 Prozent mehr als in der Theorie.
  • Bei den Plug-in-Hybriden mit Dieselmotor sind es sogar 312,1 Prozent mehr. Konkret: Auf dem Papier verbrauchen Plug-in-Diesel im Durchschnitt 1,4 Liter auf 100 Kilometer. In der Praxis sind es 5,8 Liter.

Das wissen eigentlich auch die Leute von der «Automobil-Revue», von denen der «Sonntags-Zeitungs»-Artikel ursprünglich stammt. Sie räumen sogar ein, dass «viele PHEV-Besitzer ihr Fahrzeug nie ans Ladenetz anschliessen».

Schwer und teuer

Tatsache ist: Plug-in-Hybride sind für die meisten Leute keine sinnvolle Anschaffung. Denn sie sind schwer und teuer. Die neuen VW-Golf-Hybride sind fast 300 Kilo schwerer als die Modelle, die nur über einen Verbrennungsmotor verfügen. Und sie sind gegen 50 Kilo schwerer als ihre Vorgängermodelle. Wer sein Auto nicht regelmässig an die Steckdose anschliesst, fährt mit einem Plug-in-Hybrid sinnlos eine Batterie und einen Elektromotor spazieren.

Treffend zitiert die «Sonntags-Zeitung» den deutschen «Auto-Papst» Ferdinand Dudenhöffer. Der soll über die Plug-in-Hybride gesagt haben: «Hosenträger und Gurt – das braucht kein Mensch.» Genau so wenig wie ein Auto einen Verbrennungs- und einen Elektromotor braucht.

Warum die «Sonntags-Zeitung» und die «Automobil-Revue» trotzdem die Werbetrommel für die Plug-in-Hybride rühren – das erfahren die Leser und die Leserinnen nicht.

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9 Meinungen

  • am 15.08.2024 um 11:10 Uhr
    Permalink

    Wer sein Auto nicht an einer eigenen Steckdose aufladen kann, soll auch kein solches Hybrid-Auto kaufen. Ich kaufe auch kein Pferd mit Kutsche, wenn ich keinen Stall dafür habe.

    • am 16.08.2024 um 08:17 Uhr
      Permalink

      Aber wenn das Nutzerprofil stimmt und die Technik dann entsprechend eingesetzt wird bzw werden kann, ist ein solches Fahrzeug durchaus sinnvoll. Es ist bewiesen, dass ein Großteil der täglich gefahren Strecken im Bereich der Akkuleistung eines Plug-in-Hybrids liegt. Wer gelegentlich darüber hinaus unterwegs ist, der ist mit dieser Technik bestens bedient. Insofern ist mal wieder (leider) die Vernunft und Weitsicht des Halters gefragt. Tatsächlich ist der «Missbrauch» dieser Technik eher umweltfeindlich und wird steuerlich vom Gesetzgeber auch noch unterstützt. Nur die sinnvolle Nutzung sollte steuerlich gefördert werden. Das wäre über den Nachweis der Nutzung bei den verbauten Mess- und Statistiksysteme sicherlich machbar. Da werden die Lobbyisten aber massiv ihr Veto einlegen, denn die Plug-in-Hyprid fester Bestandteil des Umweltwertes der Flotten der Hersteller sind.

  • am 15.08.2024 um 13:46 Uhr
    Permalink

    Ein Produkt wegen falscher Anwendung des Benutzers (hier: Ladefaulheit) oder unpassender Rahmenbedingungen zu beurteilen halte ich für fragwürdig.
    Der Vergleich zu einem reinen Verbrenner ist unter Anbetracht der Zielsetzung (reduziertem Import von fossilen Energieträgern und reduzierten Emissionen) unter der Prämisse eines zwingenden Einsatzes eines PKW nicht zielführend.
    SCHWER UND TEUER
    Da bietet sich ein Vergleich mit reinen BEV an. Man kann zB ein BEV mit 100 kWh oder 5 Hybrid-PKW mit 20 kWh Batteriekapazität bauen. Mit fertig entwickelten kleinen Verbrennungsmotoren die sprichwörtlich griffbereit in den Regalen liegen werden diese PKW für den (seltenen) Langstreckeneinsatz tauglich gemacht.
    Wer täglich Langstrecke fahren muss kann auf einen bereits gebauten und auf dem freien Markt (gebraucht sogar für relativ schmale Münze) erhältlichen Diesel-PKW zurückgreifen.

    Dies sind nur ein paar konstruktiv gemeinte Anregungen

    Hochachtungsvoll
    Moritz Heinzel

  • am 15.08.2024 um 16:25 Uhr
    Permalink

    Die Zahlenwürgerei mag ja richtig sein. Die Verbrauchzahlen passen so wie bei normalen Diesel und Benziner auch; viel zu tief angegeben. Der Gewichtsunterschied ist 140 Kilo, nicht 300 Kilo.

    Bei normalem Stadt- und Überlandverkehr habe ich einen Verbrauch von 4,5 l, zusätzlich werden 30-40 % der Strecke elektrisch gefahren, generiert durch Rekuperation, das mit einer 225 PS Maschine; den geringen Verbrauch habe ich nicht mal mit einem Diesel geschafft.

    Volllastfahren von München bis Salzgitter: Verbrauch 8,9 l Superbenzin. Da schluckt jeder Polo mehr.

    Des Weiteren kann ich das Auto problemlos über Solarpanel ohne Wallbox laden. Das geht mit jedem Balkonkraftwerk.

    Falls die Grünen in Deutschland Ernst machen und in den Städten nur noch mit E-Autos gefahren werden darf; kein Problem. Ich habe ein „E „auf dem Nummernschild.

    Ich sehe da einen Haufen Vorteile. Und für mich ist es das beste Auto, welches ich je gefahren habe.

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 15.08.2024 um 16:43 Uhr
      Permalink

      Die neuen Golf-Benziner wiegen im Durchschnitt 1382 Kilo. Die neuen Golf-Plug-in-Hybride wiegen im Schnitt 1661 Kilo. Differenz: 279 Kilo. Oder wie im Artikel geschrieben: fast 300 Kilo.
      Laut dem Bericht der EU-Kommission sind die Unterschiede zwischen dem Verbrauch auf dem Papier und dem Verbrauch in der Realität bei Autos mit Verbrennungsmotoren deutlich kleiner als bei Plug-in-Hybriden:
      – Benziner: plus 18 Prozent.
      – Diesel: plus 24 Prozent.
      – Plug-in-Hybrid (Benzin): plus 238 Prozent.
      – Plug-in-Hybrid (Diesel): plus 312 Prozent.

      • am 16.08.2024 um 09:10 Uhr
        Permalink

        Ich bin ein Freund des „selber erfahrens“ und nicht des Berichte-Lesens. Ich fahre seit Jahrzehnten dieselbe Marke. Alle angegebenen Verbrauchswerte der geleasten Autos waren deutlich zu niedrig nicht nur 18 %. 50 % waren schon realistischer. Und wenn ich schon vergleiche, muss sich auch die Grundbedingungen erfüllen. Zum Beispiel den Akku laden. Ansonsten ist der Vergleich ein Witz.

      • am 16.08.2024 um 09:18 Uhr
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        Die Mehrzahl der in Deutschland zugelassenen Neuwagen sind in den ersten zwei (Leasing-) Jahren nicht im Privatbesitz. Hier wurden durch Subventionen und Steuererleichterungen Hybride in den Markt gedrückt. Die Erstbesitzer haben in der Mehrzahl das Fahrzeug in den Flaschen Rahmenbedingungen gehalten.

        Wollen wir gemeinsam hoffen, dass diese Hybride über den Gebrauchtwagenmarkt noch in die richtigen Hände gelangen und dann zu 80-90% rein elektrisch bewegt werden.

  • am 15.08.2024 um 22:25 Uhr
    Permalink

    Das Fahren mit dem eigenen Automobil ist initial der falsche Denkansatz.
    Analog ist der ganze Konsum, das soziale Miteinander neu zu denken.
    Wir sind eine Herumfahr- und Herumfliege-Gesellschaft – und wissen das immer gut zu rechtfertigen.
    Dafür ist der Verstand ja auch da: Dinge die Lust machen oder doch nur ein lächerliches Kompensationsdingsbums sind, mit hoher Intelligenz zu untermauern.
    Es gibt keine Technik gegen die Lust am Verschwenden und ausgeprägte Wurschtigkeit.

    • am 16.08.2024 um 11:26 Uhr
      Permalink

      „Das Fahren mit dem eigenen Automobil ist initial der falsche Denkansatz.“
      Ja, wenn die Strecke oder der Transport ohne PKW möglich ist, sollte man eine andere Lösung (die auch Spaß machen kann) präferieren.

      „Analog ist der ganze Konsum, das soziale Miteinander neu zu denken.“
      Nein, in dieser Absolutheit steckt die Vorstellung eine Gesellschaft durch Reduzierung von Freiheiten zum Besseren verändern zu können. Jeder muss für sich selber zu dieser Weisheit gelangen. Sonst wird es ganz schnell freudlos totalitär.

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