Mikroplastik im Boden: Niemanden kümmert’s
Die meisten Schweizer Zeitungen schreiben einander ständig ab. Wenn eine «aufdeckt», dass SVP-Bundesratskandidatin Michèle Blöchliger nicht nur Schweizerin, sondern auch Engländerin ist, dann steht das am nächsten Tag auch in den anderen Zeitungen. Wenn aber die Konsumentenzeitschrift K-Tipp aufdeckt, dass in unseren Ackerböden enorme Mengen an Mikroplastik stecken, dann interessiert das kaum jemanden. Der «Schweizer Bauer» druckte zwar eine Kurzmeldung. Ansonsten blieb das Medienecho aber aus. Deshalb liefert Infosperber hier die wichtigsten Informationen.
Aus Siloballen und Tunnelfolien
Zunächst die Frage: Was ist Mikroplastik überhaupt? Plastik ist ausgesprochen stabil. Die Natur baut es nicht ab, es zerfällt aber zu kleinen Teilchen. Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimetern gelten als Mikroplastik. Der K-Tipp liess nun zehn Ackerboden-Proben analysieren. Eine Probe aus Felben-Wellhausen TG war mit über 100 000 Partikeln belastet, eine Probe aus Kölliken AG mit über 50 000, eine weitere aus Weinfelden TG mit über 30 000. Das ist sehr viel. Laut dem österreichischen Umweltbundesamt wurden weltweit noch nie Belastungen von mehr als 18 760 Plastikteilchen pro Kilo Ackerboden gemessen. Alle Schweizer Proben enthielten Polyethylen. Dieses kann von Siloballen, Tunnelfolien oder Vogelschutznetzen stammen. Mikroplastik stammt aber auch aus Pneuabrieb, aus dem Asphalt und aus Staub, der bei der Kehrichtentsorgung entsteht. Neuerdings auch aus dem Granulat, das auf Kunstrasen gestreut wird.
Bis ins Hirn
Das Problem beim Mikroplastik im Ackerboden: Es gelangt über Gemüse und Früchte in unsere Körper. Die Universität im sizilianischen Catania untersuchte 36 Gemüse- und Früchteproben. In allen konnte sie Mikroplastik nachweisen. Am meisten in Karotten und Äpfeln, am wenigsten im Salat. Besonders problematisch sind die kleinsten Mikroplastik-Teilchen. Sie können sich übers Blut im ganzen Körper verbreiten. Und zwar bis ins Hirn. Die Partikel reichern sich in den Zellen an und können Entzündungen auslösen.
Bafu tut nichts
Laut K-Tipp hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) noch nie Ackerböden auf Mikroplastik untersucht. Das Bundesamt sehe auch keinen dringenden Handlungsbedarf. Massnahmen würden erst ergriffen, wenn die EU solche beschliesse.
Bis zu 120 000 Teile pro Kilo Erde
Je zwei Kilo Erde grub der K-Tipp auf zehn Äckern in der Deutsch- und der Westschweiz aus – und zwar in einer Tiefe von 30 Zentimetern. Das beauftragte Labor kann Plastikteilchen ab einem Durchmesser von einem Tausendstel-Millimeter nachweisen.
Die Ergebnisse: Bei weitem am stärksten belastet war die Erde im thurgauischen Felben-Wellhausen mit 118 416 Mikroplastik-Partikeln pro Kilo Erde. Vier weitere Proben enthielten mehr als 10 000 Partikel: in Kölliken AG, in Weinfelden TG, in Payerne VD, in Mägenwil/Birr AG. Niedriger war die Belastung in Roggwil BE, Zürich-Witikon, Walterswil BE, in Domdidier FR und in Ottikon ZH.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor war fast 23 Jahre Redaktor beim K-Tipp.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die Entzündungsproblematik durch unzählige Kleinstfremdkörper bemerkte ich spätestens seit Lancierung der Nanotechnologie sowie Rückständen aus Autoabgasen und -Pneus. Jedoch für alles, inklusive Artensterben, Doomsdayclock (USA-Aufrüstungsüberblähung und Doktrin Full Spectrum Dominance) finde ich eine Erklärung in
1) dieser Filmsequenz
https://www.youtube.com/watch?v=EKl05Rmc1YE
Kommentar von Kaz: «Ich finde das echt stark. Was er sagt, ist wahr. Wir hypen die schiefgelaufenen Dinge, wir sprechen aus, wie furchtbar wir sie finden, aber was tun wir dagegen? Und ist es nicht seltsam, dass dieser Kerl, der so direkt die Wahrheit ausspricht, im Film den Platz des Gegners einnimmt? Des Bösen? DAS gibt mir auch zu Denken.»
2) und im aktuellen Statement von ETH Klimaphysiker Reto Knutti: «Mensch ist dumm, faul, egoistisch und kurzsichtig».
Plastik aus Siloballen auf den Aeckern!? Eher unwahrscheinlich! Siloballenfolien werden als Ganzes entsorgt, diese werden nicht zerstückelt und dann auf dem Acker verteilt!!!???
Lieber Franz Steiner. Sind Sie schon einmal nach der Ballenpresse und dem Wickler über das gemähte Feld gelaufen? Ich sammle regelmässig Plastikfolienstücke und vor allem ca 5 cm lange, blaue oder weisse Schnurschnipsel ein, welche beim Pressen aus der Maschine fallen. Wenn die Abschnitte (pro Balle werden fünf Schnüre maschinell verknotet) von der Pressmaschine aufgefangen werden könnten, wäre viel gewonnen. (Maschinenentwickler strengt Euch an). Pro 1.5 Hektaren fülle ich, beim einsammeln, mengenmässig schon mal eine halbe Einkaufstüte mit Folienstücke und Schnurschnipsel.
Guter Tipp von Urs Altmann. Merci.
Dank auch an Marco Diener, dass er die Plastik-Problematik auf Feldern und Wiesen thematisiert.
Da drohen die gleichen Auzswirkungen wie bei den Meeren.
Erst essen wir die mit Plastik genährten Fische, dann trinken wir die Milch von Kühen, Ziegen, Schafen (nicht mal die Hafermilch bleibt verschont) und essen schlussendlich plastik-verseuchten Käse, Gemüse und Getreide etc..
Mich würde interessieren, was für Folgen für Mensch und Tiere da auf uns zukommen werden? Und zwar längerfristig und bis ins Detail!
Dass der Bund noch nie Ackerböden auf Mikroplastik hin untersucht hat, scheint nicht zu stimmen. Mittels Googlen bin ich auf ein laufendes Agroscope-Projekt gestossen:
https://microplastics.ch/microplastics-ch-iii/
Merci für den Link. Da geht es aber erst um die Entwicklung einer Analysemethode und eine erstes Screening. Resultate liegen unseres Wissens noch nicht vor.
Sehr geehrter Herr Diener
Vielen Dank für ihren Artikel.
Haben sie Kenntnisse von eingebrachten Rekursen, durch Umweltschutzorganisationen oder Konsumentenschutzorganisationen zum Thema Mikroplastik, z.B. wegen Verstosses gegen das Umweltschutzgesetz?
Schönen Gruss
Nein, mir wäre nichts bekannt.