Hemmingsedt_raffinerie_turm_ganz_nah

Eine Gasfackel in einer Raffinerie in Hemmingstedt, Dithmarschen, Norddeutschland. © Wikimedia Commons, Dirk Ingo Franke

Unternehmen verheimlichen umweltschädliches Abfackeln

Daniela Gschweng /  Verdeckte Verbrennungseinrichtungen sind für Satelliten unsichtbar. Vermutlich wird deshalb mehr Gas abgefackelt als bekannt.

Was an einem Ende der Welt begehrt und teuer ist, ist am anderen Abfall. Weltweit werden hunderte Milliarden Kubikmeter Abgase abgefackelt, weil sie schlicht übrig sind. Darunter vor allem Erdgas, das bei der Ölförderung anfällt und grösstenteils aus Methan besteht.

Öl- und Gasförderunternehmen gehen dabei zunehmend dazu über, ihre Gasfackeln in Gehäuse zu stecken. So können die umweltschädlichen Verbrennungseinrichtungen von Satelliten nicht mehr aufgespürt werden. Schätzungen, wie viel Gas weltweit abgefackelt wird, könnten deshalb zu niedrig sein.

Ein Ölfördergebiet oder eine Raffinerie erkannte man bisher auf Satellitenbildern auch ohne grosse Fachkenntnisse an den Gasfackeln der Öl- und Gasindustrie. Die Brenner sind meist weithin sichtbar, vor allem bei Nacht. Wird die Flamme von einer entsprechenden Einrichtung abgedeckt, werden sie für Satelliten unsichtbar.

Die Satellitendatenbanken für Methan werden ungenau

Die satellitengestützten Detektoren finden Gasfackeln, indem sie die Wärmesignaturen von hellen Lichtpunkten vergleichen. Bei versteckten Abfackeleinrichtungen ist das nicht mehr möglich. Nach einem Bericht des «Guardian» entdeckten Forschende, die mit Daten von VIIRS-Detektoren (Visible Infrared Imaging Radiometer Suite) arbeiten, die Lücken. Die VIIRS-Datenbank gilt bisher als weltweit zuverlässigste Quelle für Daten über Methanemissionen.

Eine Gasfackel ist grundsätzlich ein Rohr, an dessen Spitze ein Brenner sitzt. Verdecktes Abfackeln, (Englisch: enclosed Flaring), ist dabei nichts anderes als offenes Abfackeln. Die Flamme wird lediglich von einer Brennkammer verdeckt. «Es ist nur eine andere Infrastruktur», bestätigte Tim Doty, ein ehemaliger Regulierungsbeamter der texanischen Kommission für Umweltqualität, gegenüber dem «Guardian». Ausserdem sei es wahrscheinlich weniger effizient und reduziere Emissionen nicht.

Abfackeln ist umwelt- und gesundheitsschädlich

«Wenn man die Flamme einschliesst, sehen die Leute sie nicht, also beschweren sie sich auch nicht darüber. Das bedeutet aber auch, dass sie mit den meisten Methoden, die zur Erfassung von Fackelvolumina verwendet werden, vom Weltraum aus nicht sichtbar ist», erklärt Eric Kort, Wissenschaftler an der Universität von Michigan, ebenfalls gegenüber dem «Guardian».

Gas abzufackeln ist zwar besser, als es in die Atmosphäre abzulassen, aber dennoch umwelt- und gesundheitsschädlich. Eine Gasfackel ist nicht nur sichtbar, sondern auch laut. Manche Fackeln russen stark. Einige der Verbrennungsprodukte sind krebserregend.

Am meisten abgefackelt wird derzeit in Algerien, Iran, Irak, Libyen, Mexiko, Nigeria, Russland, den USA und Venezuela. In diesen Ländern wird rund die Hälfte des Erdöls weltweit gefördert. Drei Viertel der abgefackelten Gasmenge werden laut der Weltbank dort verbrannt. Meist deshalb, weil es zu wenig einbringt, das Gas aufzufangen und zu verkaufen.

Laut der Weltbank sinken die abgefackelten Gasmengen – aber stimmt das auch?

Regulierungsbehörden und Organisationen wie die Weltbank versuchen seit der Klimakonferenz von Paris 2015, Unternehmen dazu zu bringen, Methangas stattdessen zu verwerten, etwa als Strom- oder Wärmequelle. Nach einem Bericht der Weltbank-Initiative Zero Routine Flaring 2030 ist die Praxis zwischen 2021 und 2022 um drei Prozent zurückgegangen. Das wäre der niedrigste Stand seit 2010.

Wenn die Zahlen stimmen.

Wenn Satellitendaten nicht mehr zuverlässig sind, müssten Forschende sich in Zukunft auf die Angaben der Unternehmen verlassen, um herauszufinden, wo und wie viel Gas auf der Welt abgefackelt wird. Wie weit es mit dieser Selbstauskunft her ist, zeigt der «Guardian» an mehreren Satellitenbildern von Google Earth.

Google Earth legt nahe, dass Unternehmen Fackeln verstecken

Zwei davon zeigen eine Raffinerie in Jackson County, Colorado, in verschiedenen Jahren. Colorado ist der einzige US-Staat, in dem routinemässiges Abfackeln verboten ist. Kurz bevor das Verbot 2021 in Kraft trat, wurden viele offene Fackeln durch verdeckte ersetzt. Auf dem ersten Bild, das zwischen 2018 und 2019 aufgenommen wurde, kann man die Flamme einer Gasfackel erkennen.

Auf dem zweiten, das nach Inkrafttreten des Verbots aufgenommen ist, sei anstelle der brennenden Fackel ein Gerät aufgetaucht, «das einer geschlossenen Fackel ähnle», schreibt der «Guardian».

Fulcrum Energies, der Eigentümer des Standorts, versicherte gegenüber der Zeitung, dass man das Abfackeln dort eingestellt habe. Methan lässt sich aber nicht nur über Satelliten messen. Die Nichtregierungsorganisation Earthworks hat mit einer Spezialkamera Aufnahmen gemacht, die zeigen, dass unsichtbare Gase aus der Einrichtung kommen.

Unternehmen argumentieren mit Anwohnerfreundlichkeit

Ähnliche Beispiele gibt es auch in anderen US-Bundesstaaten, Schottland, Norwegen und Deutschland. Ein Sprecher des Unternehmens Ineos sagte, dass das geschlossene Abfackeln die Lärmbelastung für Anwohner deutlich reduziere und zu einer «geringeren Leuchtkraft» führe. Die schädlichen Emissionen bleiben aber bestehen.

Zubin Bamji, Leiter des Reduction Partnerships der Weltbank, sagte, es sei sehr wenig Methan, das in geschlossenen Fackeln verbrannt würde. Die Mengen hätten wahrscheinlich keinen signifikanten Einfluss auf regionale, nationale oder globale Schätzungen. Er bestätigte aber, dass das Satelliten-Messystem VIIRS geschlossene Fackeln nicht als Gasfackeln einstuft.

Die EU plant derzeit ein Gesetz, das Methanemissionen und damit auch das routinemässige Abfackeln generell verbieten will. Nur in Notfällen soll es weiterhin erlaubt sein. Betroffen wären sowohl geschlossene wie offene Gasfackeln.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

3719017725_8c14405266

Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

Fracking

Fracking: Gas aus tiefem Untergrund

Die neue Energiequelle macht Staaten unabhängiger vom Öl. Doch ernsthafte Risiken sind sozialisiert.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.