SRF-Tagesschau: Die drei sträflich fehlenden Klicks
Eine Abgabe von 50 Franken auf jedem Flugticket ins Ausland, wie es die Energiestiftung fordert, hätte für die Schweizer Wirtschaft «negative Konsequenzen», erklärte Swiss-Sprecherin Karin Müller in der SRF-Tagesschau: «Die Fluggäste würden über das nahe Ausland auf Flughäfen ausweichen», durfte sie ohne Gegenfrage ins Tagesschau-Mikrophon zum Besten geben. Urs Ziegler vom Bundesamt für Zivilluftfahrt konnte nachdoppeln: «Wenn jedes Land seine eigene Steuer einführt», würden «einzelne Länder umflogen».
- Für die Zuschauerinnen und Zuschauer der Tagesschau entstand der falsche Eindruck, dass unsere Nachbarländer keine solche Steuer kennen. Wegen dieser Irreführung konnte man sich trotz des über fünf Minuten langen Beitrags keine informierte eigene Meinung bilden.
Das Gegenteil ist der Fall: Deutschland, Frankreich, Österreich und etliche andere Länder haben schon seit Jahren eine Ticketsteuer unterschiedlicher Höhe eingeführt. Bereits im Oktober 2013 titelte Infosperber: «Unsere Nachbarstaaten besteuern Flugtickets mit Milliarden. Die Schweiz ist nicht solidarisch und will nicht mitmachen.»
Es ist die Schweiz, die von einem Wettbewerbsvorteil auf Kosten der Umwelt profitiert.
In den Ländern, die eine Ticketsteuer eingeführt haben, lobbyiert die Flugindustrie hartnäckig für ein Abschaffen der Steuer, weil sie Nachteile bringe gegenüber Ländern ohne eine solche Steuer wie die Schweiz! Diesem Druck haben einige Länder insofern nachgegeben, als sie die Höhe der Ticketsteuern senkten.
Warum die genannte Tagesschau-Autorin Angélique Beldner weder das Bundesamt für Zivilluftfahrt noch die Swiss-Sprecherin zur Ticket-Abgabe im Ausland befragte, bleibt unverständlich. Folgende oder ähnliche drei Eingaben ins Google-Suchfeld mit nachfolgenden drei Klicks hätten genügt [oder noch schneller: Das Wort «Ticketsteuer» oder «Ticketabgabe» ins Suchfeld von Infosperber eingeben]:
- «Ticketabgabe Flugverkehr»
- «Taxes billets d’avoins Wikipedia»
- «Ticket Tax Great Britain»
Hier das Sofortresultat der Google-Suche:
Deutschland
Distanzklasse 1 = blau; Klasse 2 = rot; Klasse 3 = grau:
Frankreich
In Frankreich wird die Ticket-Abgabe auch «Chirac-Steuer» genannt. Sie kommt einer UN-Hilfsorganisation zugute.
Grossbritannien
Österreich
Diese bescheidenen Umweltabgaben schenken ein: Grossbritannien nimmt damit rund 3,5 Milliarden Franken jährlich ein, Deutschland etwa 1 Milliarde, Frankreich 240 und Österreich 100 Millionen Franken.
Ein Klacks im Vergleich zur Subventionierung
Die Mini-Abgaben auf Flugtickets im Ausland kompensieren noch in keiner Weise die enorme Umweltbelastung und die enorme Subventionierung des Flugverkehrs mit Steuergeldern.
Das fängt mit verbilligten Krediten, günstigen oder kostenlosen Landabgaben und Steuererleichterungen an den Herstellungsorten der Düsenflugzeuge an und hört mit vergünstigten staatlichen Krediten für die Flughäfen auf. Flugtickets sind von der Mehrwertsteuer ausgenommen, und auf dem Treibstoff zahlen die Flugzeuge keinen Rappen Steuern.
Doch die Schweiz will nicht einmal eine «ökologische Luftverkehrsabgabe» nach deutschem Muster einführen. Die Einnahmen würden die Steuerbelastungen insgesamt nicht erhöhen, weil die Einnahmen an die Bevölkerung zurückbezahlt werden können, wie es zum Beispiel der WWF vorschlägt.
Die Interessen der Luftfahrt gehen vor
Das Abseitsstehen der Schweiz führt zur grotesken Situation, dass Abfliegende im französischen Teil des Flughafens Basel-Mülhausen eine Ticketsteuer zahlen müssen, diejenigen im Schweizer Teil aber nicht.
Doch die Pressesprecherin von Verkehrsministerin Doris Leuthard hatte total abgeblockt und beschied: «Eine Ticketsteuer ohne Lenkungseffekt macht keinen Sinn und verschlechtert international lediglich die Wettbewerbsfähigkeit der Luftfahrt.»
Das ist wörtlich das Argument der Luftverkehrslobby. Dass der Wettbewerb gegenwärtig hoch subventioniert und auf Kosten der Umwelt stattfindet, ist der Verkehrsministerin, die gleichzeitig auch Umweltministerin ist, offensichtlich egal: «Eine Ticketsteuer ist für den Bund kein Thema», erklärte die Pressesprecherin. Punkt.
Bereits Verkehrsminister Moritz Leuenberger hatte abgeblockt und erklärt, eine «abwartende Haltung» einzunehmen: «Die Schweiz vertritt den Standpunkt, dass eine derartige Regelung (eine Ticketsteuer) nur wirkungsvoll sein kann, wenn sie weltweit eingeführt wird.» Diese Position entspricht derjenigen der Fluglobbys, die genau wissen, dass eine weltweit einheitliche Kerosin- oder Ticketsteuer erst am St. Nimmerleinstag beschlossen wird.
Heute mache der Luftverkehr fast 19 Prozent der Klimabelastung in der Schweiz aus. Bis 2020 dürfte dieser Wert gemäss WWF-Schätzungen auf 22 Prozent ansteigen, hatte Patrick Hofstetter, Leiter Klima- und Energie beim WWF Schweiz, erklärt. Die Schweizerinnen und Schweizer würden für Ferien und Freizeit besonders häufig das Flugzeug benutzen. Patrick Hofstetter: «Wenn ich in der Schweiz reise, zahle ich Mehrwertsteuer, Mineralölsteuern und andere Abgaben. Wenn ich fliege und die Umwelt viel stärker belaste, zahle ich nichts. Das ist doch absurd.»
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Siehe auch
- «Schweizer Wettbewerbsvorteil auf Kosten der Umwelt» vom 3. Oktober 2013
- «Verlockung: Rom oder Hamburg retour für 99 Franken» vom 5.7.2012
- «NZZ-Verirrung über verzerrten Wettbewerb» vom 8.2.2012
- «Beruhigende Nachrichten vom Flughafen Zürich» vom 4.11.2012
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine