Schweizer Städte bereiten sich auf Hitze ungenügend vor
Red. Die Autoren und die Autoren befassen sich wissenschaftlich mit der Städteplanung.* Der Beitrag erschien in der Zeitschrift «Proclim» der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz.
In den letzten Sommern hat die Anzahl Hitzewellen und deren Intensität zugenommen. Besonders stark betroffen davon sind Städte und Agglomerationen, weil versiegelte Flächen Sonnenstrahlen besonders gut absorbieren – mit schwerwiegenden Folgen für Lebensqualität und Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner. Deswegen müssen Städte in Zukunft klimaangepasst geplant und gebaut werden. Doch was bedeutet das genau?
Mehr Grünflächen, mehr Schatten, mehr Wasser
Städte sollten so (um)gebaut werden, dass sie weniger Wärme speichern, Abwärme reduzieren, Verdunstung und Luftzirkulation begünstigen, öffentliche Räume beschatten sowie mehr entsiegelte und bepflanzte Flächen aufweisen. Baumaterialien und Farben sollten so ausgewählt werden, dass sie Wärme möglichst wenig speichern und eher zurückstrahlen. Dächer und Fassaden sollten klimatisch ausgleichend gestaltet werden.
Für die Umsetzung solcher Massnahmen spielt die Stadtplanung eine entscheidende Rolle. Zudem könnten Städte in ihren Bau- und Nutzungsordnungen verbindliche Standards zu Hitzeanpassungsmassnahmen festlegen. In ähnlicher Form könnte auf übergeordneter Ebene die Anpassung an den Klimawandel als Mindestinhalt der Richtplanung eingefordert werden. Noch finden diese Aktivitäten jedoch zu wenig und zu wenig tiefgreifend statt. Warum ist das so?
Das Problembewusstsein ist unterschiedlich
Eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL kam im Jahr 2009 zum Schluss, dass Klimaanpassung noch keine Priorität in der Stadtplanung ist und das Bewusstsein für die Problematik in den Städten wenig und unterschiedlich stark ausgeprägt sind (1).
In einer ähnlichen Studie hat Johanna Fujara im Frühjahr 2022 Schweizer Städte zu ihrem Umgang mit zunehmender Hitze befragt (2). Sie untersuchte das Problembewusstsein in städtischen Planungs- und Entwicklungsabteilungen, um besser zu verstehen, wie Städte zur Anpassung an den Klimawandel aktiv werden, welchen Hindernissen sie dabei begegnen und wie sie sich den Herausforderungen zukünftig noch besser stellen könnten. Die Befragung fokussierte auf Areal-Entwicklungsprojekte, bei denen private und öffentliche Akteure gemeinsam Land beplanen und entwickeln.
Oft hapert es bei der Umsetzung
Die Befragung zeigt, dass das Problembewusstsein inzwischen stark ausgeprägt ist. Die grössten Herausforderungen sehen die Städte bei den gesundheitlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung und beim erhöhten Bedarf nach Klimatisierung. Doch auch die Beeinträchtigung der Attraktivität städtischer Aussenräume ist vielerorts eine greifbare Folge der Hitze. Trotz des Wissens um diese negativen Folgen bestehen weiterhin Defizite bei der Umsetzung von Konzepten und Massnahmen zur Hitzeanpassung. Erst 17 Prozent der befragten Städte haben Strategien zum Umgang mit der Hitze aufgestellt, in 36 Prozent der Städte beschäftigt sich keine Fachstelle mit dem Thema Hitze und die Hälfte der Städte gab an, das Thema Hitzeanpassung noch in keinem Arealentwicklungsprojekt eingebracht zu haben.
Weniger Flächen, die rentieren
Fehlendes Fachwissen, mangelnde Ressourcen und Entscheidungsbefugnisse sowie Zielkonflikte mit anderen Planungsbereichen erschweren die hitzeangepasste Planung. Die grössten Barrieren aus Sicht der befragten Städte sind jedoch ungenügende gesetzliche Rahmenbedingungen und Widerstände bei privaten Projektbeteiligten. Vermeintlich höhere Kosten und Einschränkungen der Planungsfreiheit bezüglich Farben, Materialien oder Bepflanzung lassen Grundeigentümer und Grundeigentümerinnen zurückschrecken.
Höhere Anteile von Grünflächen schränken den Anteil bebaubarer und damit gewinnbringender Flächen ein. Klimaausgleichende Dachflächen können bei begrenzten Gebäudehöhen ebenfalls den Anteil der gewinnbringenden Flächenausnützung senken.
Weg von Sondernutzungen, hin zu allgemeinverbindlichen Regelungen
Hitzeanpassung wird bisher meist über Sondernutzungsplanungen und qualitätssichernde Verfahren (z.B. Architekturwettbewerbe) in Arealentwicklungen eingebracht. Die Sondernutzungsplanung ergänzt die bauliche und nutzungsmässige Grundordnung eines Gemeindegebiets.
Über verschiedene Instrumente wie Baulinienpläne, Gestaltungspläne oder Sonderbauvorschriften können die Anzahl, Lage, Abmessungen und Nutzweisen der Bauten sowie die Umgebungsgestaltung bestimmt werden. So können beispielsweise die Anzahl an Bäumen auf dem Grundstück, die maximal zulässige Unterbauung, der Versiegelungsgrad, die Gestaltung der Dachebenen oder die Berücksichtigung von Lüftungsschneisen geregelt werden. Darüber hinaus können Anforderungen an eine hitze- und klimaangepasste Planung im Rahmen der Qualitätssicherung in Wettbewerbsprogramme aufgenommen werden.
Damit solche Massnahmen nicht bei jedem Projekt neu verhandelt werden müssen, sehen die befragten Städtevertreter und Städtevertreterinnen den grössten Handlungsbedarf in der Schaffung von eigentümerverbindlichen Regelungen in der Nutzungsplanung der Gemeinden. Regelungen zu Bauweise, Bepflanzung, Grünflächenerhalt, Versiegelung und Unterbauung in den kantonalen und kommunalen Bau- und Planungsgesetzen würden den Städten ermöglichen, Anstrengungen zur Hitzeanpassung von den Eigentümern und Eigentümerinnen einzufordern.
Grosses Potenzial verspricht ausserdem das Aufstellen von Hitzeanpassungsstrategien. Vertreterinnen und Vertreter von Städten mit einer eigenständigen Strategie zum Umgang mit Hitze äussern einen deutlich geringeren Bedarf nach mehr Unterstützung durch kommunale und kantonale Politik. Strategien werden zwar nicht immer konsequent umgesetzt, doch mit ihren behördenverbindlichen Wirkungen verpflichten sie dazu, Abweichungen von ihren Inhalten zu begründen.
Neben gesetzlichen Festlegungen und Hitzeanpassungsstrategien scheint zudem die Politik ein Schlüsselfaktor zu sein. Vor allem auf kommunaler Ebene wünschen sich die Vertreter und Vertreterinnen der Planungsabteilungen mehr politischen Willen sowie den konkreten Auftrag, das Thema Hitzeanpassung einzubringen.
Gefordert sind Bund, Kantone und Gemeinden
In den grössten Barrieren für die hitzeangepasste Stadtentwicklung spiegeln sich einige generelle Schwachstellen der Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz (3). Der Bundesrat versucht mit seiner Strategie zur Anpassung an den Klimawandel primär, Anpassungsziele in verschiedene sektorale Richtlinien, Strategien und Programme auf Bundesebene zu integrieren. Leider zeigt die Praxis bisher, dass Anpassung dadurch zwar breit thematisiert, aber selten priorisiert wird.
Das Problembewusstsein ist weitgehend vorhanden, aber fehlende gesetzliche Vorschriften und knappe Budgets führen dazu, dass Klimaanpassung nur dann umgesetzt wird, wenn sie mit bestehenden Zielen im Einklang steht und keinen grösseren Mehraufwand verursacht. Ähnliche Probleme beobachten wir bei der lokalen Hitzeanpassung: Mangelnde gesetzliche Grundlagen, knappe finanzielle und personelle Ressourcen und ungenügende Entscheidungsbefugnisse verhindern die flächendeckende Umsetzung wirksamer Massnahmen. Sowohl beim Thema Hitze als auch generell bei der Anpassung an den Klimawandel sind Bund, Kantone und Gemeinden gefordert, klare gesetzliche Aufträge und Vorgaben zu formulieren und die notwendigen Ressourcen bereit zu stellen, um diese auch umsetzen zu können.
Referenzen
[1] Kruse S, Truong J, Pütz M (2009) Klimaanpassung als Herausforderung für die Stadtplanung. forum raumentwicklung, 3/2009: 28-30.
[2] Fujara J (2022) Hitzeanpassung in Arealentwicklungen – Stellenwert, Umsetzungsstand und Handlungsbedarf aus städtischer Sicht. Abschlussarbeit zur Erlangung des Master of Advanced Studies in Real Estate, Universität Zürich.
[3] Braunschweiger D, Pütz M (2021) Climate adaptation in practice: How mainstreaming strategies matter for policy integration. Environmental Policy and Governance, 31(4): 361-373.
https://doi.org/10.1002/eet.1936.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
*Marco Pütz und Dominik Braunschweiger sind Wirtschafts- und Sozialwissenschafter an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
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