Panzer, Bomben, Raketen – wie Kriege den Klimawandel befeuern
In Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen werden gigantische Mengen Kohlendioxid und andere Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt. Ein Beispiel dafür ist der Ukraine-Krieg: Eine Studie namens «Climate damage caused by Russia`s war in Ukraine», die im Juni 2023 von der Initiative On Greenhouse Gas Accounting Of War veröffentlicht wurde, untersuchte alle Emissionen rund um die militärischen Aktivitäten in der Ukraine während der ersten zwölf Kriegsmonate.
Das Wissenschaftlerteam um den niederländischen Klimaforscher Lennard de Klerk schätzt die Emissionen während des ersten Kriegsjahres auf insgesamt rund 120 Millionen Tonnen Kohlendioxid – dieselbe Menge, wie sie das Land Belgien im selben Zeitraum verursachte.
Allein durch direkte Kriegsaktivitäten addieren sich die Emissionen auf nahezu 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Der grösste Anteil davon wird mit 19 Millionen durch den Kraftstoffverbrauch der Truppen beider Seiten verursacht. Die Nutzung von Munition, militärischem Equipment sowie der Bau kilometerlanger militärischer Befestigungsanlagen verursachen insgesamt drei Millionen Tonnen.
Emissionen durch Brände und Explosionen
Die Emissionen durch Feuer schätzen die Autoren auf rund 20 Millionen Tonnen. Feuer waren vor allem in unmittelbarer Nähe der Frontlinie zu beobachten, wobei viele Waldgebiete zerstört wurden. Die Zahl der Brände, die mehr als ein Hektar umfassten, erhöhte sich um das 36-fache im Vergleich zum Vorkriegszeitraum.
Auch Explosionen emittieren gigantische Mengen an Kohlendioxid. Das gilt sowohl für russische Angriffe auf ukrainische Energieinfrastruktur als auch umgekehrt. So wurden im Januar eine russische Ölraffinerie in Rjasan sowie mehrere kleinere Öldepots von Drohnen angegriffen, ebenso wie die Pumpstation einer Ölpipeline. Ausserdem griffen ukrainische Truppen die Infrastruktur eines Flugzeugwerkes im russischen Oblast Smolensk an.
Hinzu kommen Explosionen und Gaslecks der zerstörten Nord-Stream-Pipelines. Das dabei emittierte Methan ist als Treibhausgas 21-Mal wirkungsvoller als Kohlendioxid.
Ökologischer Fussabdruck verlagert sich ins Ausland
2022 führte der Krieg zu einem Rückgang der Wirtschaft des Landes um fast 30 Prozent, wegen knapper Energie, unterbrochener Versorgungsleitungen und der Zerstörung von Fabriken. Infolge dessen verlagerte sich die Produktion von Konsumgütern mitsamt deren Emissionen ins Ausland.
Auch die Luftraumsperren über Russland tragen indirekt zu Emissionen bei. Denn die Fluggesellschaften sind gezwungen, Umwege auf den wichtigen Strecken nach Ost- und Südostasien zu nehmen, was zu längeren Flugzeiten und höheren Treibstoffkosten führt. Die Menge an zusätzlich emittierten Kohlendioxid beziffern die Autoren auf zwölf Millionen Tonnen.
Wiederaufbau verursacht mehr als die Hälfte aller Emissionen
Den grössten Anteil an Emissionen mit rund 50 Millionen Tonnen Kohlendioxid oder 32 Prozent aller Emissionen umfasst der Wiederaufbau der zerstörten zivilen Infrastruktur nach dem Krieg. Denn um die zerstörten Gebäude, Verkehrswege, Industrieanlagen und Energieinfrastruktur wieder aufzubauen, werden energieintensive Baumaterialien wie Beton und Stahl benötigt. Die müssen auch transportiert werden. Auch zerstörte Maschinen und Fahrzeuge, die ersetzt werden müssen, werden in der Bilanz berücksichtigt.
Rüstungskonzerne profitieren vom Krieg und heizen das Klima an
Nach drei Jahren Krieg ist davon auszugehen, dass die Gesamtemissionen die Menge von 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid längst übersteigen. Denn mit jedem Kriegsmonat steigt der Treibstoffverbrauch und der Bedarf an Waffen und Munition.
Nicht nur in Russland und der Ukraine, sondern auch in den unterstützenden Ländern werden immer mehr Waffen und Munition hergestellt. Das verursacht enorme Mengen an Treibhausgas-Emissionen. So konnte sich das Rüstungsunternehmen Krauss Maffei Wegmann 2023 über hundert Aufträge für neue Panzerhaubitzen freuen.
Um die Lager aufzufüllen, werde Artilleriemunition benötigt, schreibt die Tageszeitung «Welt». Davon profitiert der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall. Dieser erhielt im vergangenen Jahr Aufträge im Wert von mehr als 60 Milliarden Euro. Das Munitionsgeschäft werde auch nach dem Krieg nicht einbrechen, freut sich Vorstandschef Armin Papperger. Denn das Land müsse sich gegen weitere Invasionen wappnen. Europa beabsichtigt, mehr Geld in Militär und Rüstung zu investieren. Die Wiederaufrüstung in Europa und anderen Teilen der Welt wird somit zu einem weiteren Anstieg der Emissionen führen.
Krieg im Nahen Osten verpestet das Klima
Ein anderes Beispiel ist der Krieg Israels in Gaza. Mehr als 99 Prozent der geschätzten 281`000 Tonnen Kohlendioxid, die allein in den ersten 60 Tagen nach dem Hamas-Angriff emittiert wurden, lassen sich auf Israels Luftangriffe und die Bodeninvasion in Gaza zurückführen. Das ist das Ergebnis der im Januar 2024 veröffentlichten Studie «Eine multitemporale Momentaufnahme der Treibhausgasemissionen aus dem Israel-Gaza-Konflikt» eines britisch-amerikanischen Teams um Benjamin Neimark von der Queen Mary University of London.
Demnach sind die gigantischen Kohlendioxid-Emissionen, die allein in den ersten zwei Monaten des Krieges durch Bombenangriffe, Aufklärungsflüge und Raketenangriffe entstanden, höher als die jährlichen Emissionen von 26 Ländern. Wenn man die von Israel und der Hamas errichtete Kriegsinfrastruktur mit einbezieht, steigen die Gesamtemissionen auf die von mehr als 36 Ländern.
Wiederaufbau in Gaza wird teuer und klimaschädlich
Zwei Drittel aller Gebäude wurden seit Beginn des Krieges beschädigt oder zerstört. Betroffen sind mehr als 150`000Gebäude, darunter Häuser, Schulen, Moscheen und Krankenhäuser, wie das UN-Satellitenzentrum Unosat im August 2024 mitteilte. Mit rund 42 Millionen Tonnen Trümmer fiel vierzehnmal mal so viel Schutt an, wie in allen vorherigen Kampfperioden seit 2008 zusammen. Rund hundert Quadratkilometer – das sind zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen – sind zerstört.
Der Wiederaufbau werde rund 50 Milliarden Dollar kosten und mindestens bis 2040 dauern, schätzen die Vereinten Nationen. Die damit verbundenen Emissionen werden voraussichtlich höher sein als die jährlichen Emissionen von 135 Ländern. Insgesamt liegen die Emissionen aller Aktivitäten aus Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegszeiten in Gaza ähnlich hoch wie die aus der Verbrennung von 31 Millionen Tonnen Kohle – ausreichend, um ein Jahr lang 16 Kohlekraftwerke zu betreiben.
Umweltfolgen von Kriegen müssen in Klimabilanzen einberechnet werden
Global ist das Militär klimaschädlicher als die Luft- und Schifffahrtsindustrie zusammen. Nach Schätzungen der «Scientists for Global Responsibility» verursachen die globalen Militärapparate 5,5 Prozent der globalen Emissionen. Hinzu kommen Emissionen aus militärischen Lieferketten, die etwa ein Fünffaches des militärischen Kraftstoff- und Energieverbrauchs ausmachen.
Eine genaue Zahl der durch Militär verursachten Emissionen gibt es nicht, da durch Auslandseinsätze verursachte Emissionen gemäss dem Kyoto-Abkommen von 1997 nicht erfasst werden. Im Pariser Abkommen von 2015 wurde beschlossen, die Meldungen darüber den einzelnen Staaten zu überlassen. Diese haben ein grosses Interesse daran, dass genaue Angaben darüber nicht ins öffentliche Rampenlicht gelangen. «Wir möchten nicht, dass jeder weiss, wie viel Treibstoff wir bei diesen Einsätzen verbrauchen – wie weit wir fliegen, wie weit wir fahren und wie unsere Übungsmuster aussehen», sagt ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.
Doch der Druck von Wissenschaft und Zivilgesellschaft wird grösser, die militärischen Emissionen zu messen und öffentlich zu thematisieren. So forderte ein internationales Wissenschaftlerteam im Weltklima- und Sicherheitsbericht 2022 eine «Dekarbonisierte Verteidigung». Weil die Welt mit einer Doppelkrise von Klimawandel und militärischen Konflikten zu kämpfen hat, sei es wichtig, die Umweltfolgen von Kriegen in die Klimaberechnungen einzubeziehen, meint Studien-Autor und Humangeograf Benjamin Neimark.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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