Milliardär will neue Gas- und Ölförderung in den USA verhindern
Er heisst Michael Bloomberg, war Bürgermeister von New York und ist der elftreichste Mensch auf unserem Planeten. Seitdem er kein öffentliches Amt mehr bekleidet, zeigt er sich mit seinen 81 Jahren umso kämpferischer. Für seinen Kampf gegen die Kohle- und Gasindustrie hat er bisher eine halbe Milliarde US-Dollar aufgewendet, mit sichtlichem Erfolg. Nun stellt er eine weitere halbe Milliarde für seinen Kampf gegen Plastik, bzw. die petrochemische Industrie, die auf Erdöl aufbaut, in Aussicht.
Eine kämpferische Persönlichkeit
Inzwischen ist Bloomberg Feind Nummer Eins der petrochemischen Industrie in den USA. Seine neue Kampagne mit dem Namen «Beyond Petrochemicals» (jenseits von Erdölprodukten) hat zwar erst Fahrt aufgenommen, konnte aber bereits ein paar Erfolge verbuchen. So konnte etwa der Bau der Formosa Anlage der US-Armee in St. James Parish im Bundesstaat Louisiana gestoppt werden, eine riesige petrochemische Anlage zur Herstellung von Verpackungen und Wegwerfplastik.
Bloomberg hat sich vorgenommen, insgesamt 120 solcher geplanter Anlagen zu Fall zu bringen. Allerdings ist das viel schwieriger als der Kampf gegen die Kohle- und Gasindustrie.
Dem früheren Präsidentschaftskandidat Bloomberg weht von der petrochemischen Industrie ein viel rauherer Wind entgegen, als dies noch bei seinem Kampf gegen die Kohle der Fall war, deren Abbau sich sowieso als unrentabel erwies. Alle benötigen Plastik, und auch der Umstieg auf erneuerbare Energien kommt nicht um petrochemische Produkte herum, wie die Elektro-Auto-Branche zeigt. Die Gegner von Bloomberg schwingen natürlich auch die Keule des Abbaus von Arbeitsplätzen, wie etwa Chris Jahn, Geschäftsführer des US-Chemie-Rates zum Ausdruck bringt: «Die Kampagne von Bloomberg führt zum Verlust vieler Arbeitsplätze, bedroht die Führungsposition der USA bei der Innovation und verzerrt den Wettbewerb mit Ländern wie China.»
Bloomberg, dessen Vermögen auf hundert Milliarden US-Dollar geschätzt wird, möchte mit seinem Kampf einen Beitrag zur Verringerung des Klimawandels leisten, den er als existentielle Bedrohung für die Menschheit sieht: «Wenn es etwas gibt, das die Erde zerstören und alle lebenden Menschen töten kann, dann kann man doch nicht dagegen argumentieren, sich darauf zu fokussieren. Ich möchte, dass meine Kinder, eure Kinder, in der Lage sind, ein Leben zu haben.»
Petrochemie als Treiber der Klimaerhitzung
Bloomberg begann seine Kampagne gegen fossile Brennstoffe, bevor er aus dem öffentlichen Dienst ausschied. Im Jahr 2011 begann seine Stiftung Bloomberg Philanthropies mit der Finanzierung von Beyond Coal, der vom Sierra Club geführten Kampagne zur Abschaltung von Kohlekraftwerken im ganzen Land. Aus Steuerunterlagen geht hervor, dass die Stiftung seit 2014 mehr als 120 Millionen US-Dollar an die Gruppe und weitere Millionen an andere gemeinnützige Organisationen vergeben hat.
Vor zwei Jahren kündigte Bloomberg eine Kampagne an, um den Bau von 120 geplanten petrochemischen Anlagen zu verhindern, die meisten davon in Texas, Louisiana, Pennsylvania, Ohio und West Virginia, und versprach, 85 Millionen Dollar für diese Bemühungen auszugeben. Inzwischen möchte er dafür bis zu einer halben Milliarde aufwenden.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur entwickelt sich die Petrochemie schnell zum grössten Treiber der weltweiten Erdölnachfrage und ist ein wachsender Verbraucher von Erdgas. Die Branche erwirtschaftet bereits jetzt jährlich mehr als 580 Milliarden US-Dollar, und es wird erwartet, dass diese Zahl in den nächsten zehn Jahren auf mehr als eine Billion US-Dollar pro Jahr ansteigen wird. Zugleich ist die Produktion von Plastik für einen grossen Teil der weltweiten Klimaerwärmung und die Verschmutzung der Weltmeere verantwortlich, ganz zu schweigen vom Nano-Plastik in den Organismen der Lebewesen.
Philanthropie ist undemokratisch
Die USA sind dafür bekannt, dass Milliardäre und Millionäre philanthropische Stiftungen errichten oder Präsidentschaftskandidaten mit Millionen in ihrem Wahlkampf unterstützen. Die hierzulande bekannteste Stiftung ist die Bill and Melinda Gates Foundation, mit rund 67 Milliarden Stiftungskapital auch die grösste und einflussreichste der USA. Michael Bloomberg könnte ihr schon bald den Rang ablaufen, plant er doch, 88 Prozent seines Vermögens in seine Stiftung Bloomberg Philanthropies zu übertragen.
Bei der Kritik am Kampf von Bloomberg gegen die Petrochemie spielen nicht nur das Argument des Arbeitsplatzverlusts und der Konsum von Plastikprodukten eine Rolle, sondern auch die «undemokratische» Natur der Philanthropie. So haben lokale Zeitungen in Pennsylvania Bloomberg bezichtigt, «seinen Reichtum zu benutzen, um den Menschen im Ohio-Tal seinen Willen aufzuzwingen». Und ein Dutzend Unternehmen, die im Bereich fossiler Energie tätig sind (darunter auch Exxon Mobil und Chevron), haben in einem gemeinsamen Dokument festgehalten: «Nicht-staatliche Eliten schicken fast 100 Millionen US-Dollar nach Louisiana, um unsere Zukunft und unseren Lebensstil zu bestimmen». Gemeint war natürlich Michael Bloomberg.
Tatsächlich spiegelten solche Angriffe die wesentlich undemokratische Natur der grossen Philanthropie, meint David Callahan, Gründer von Inside Philanthropy, einer unabhängigen Informationsplattform für Grossspender. «Das trifft den Kern der mangelnden Rechenschaftspflicht der Philanthropie», sagte er. «Denn, ja, wer ist Mike Bloomberg, dass er auftaucht und anfängt, die Bürger von Louisiana herumzuschubsen?»
Allerdings sehen das die von Bloomberg finanzierten NGOs anders. Die New York Times zitiert verschiedene Klima-Aktivististen, Anwaltskanzleien und Vertreter lokaler NGOs, die dank den Zuwendungen der Bloomberg Foundation in der Lage waren, den fast 10 Milliarden teuren Bau der erwähnten Formosa-Anlage in Lousiana zu verhindern. Die 71-jährige Sharon Lavigne ist dabei die treibende Kraft des Widerstands: «Es war ein sehr teurer Kampf. Und das Geld von Bloomberg hat geholfen».
Bloomberg gibt nicht auf
Als Bürgermeister von New York ging Bloomberg schon gegen zuckerhaltige Getränke, fetthaltige Lebensmittel, Zigaretten und Styropor vor. Er nutzte seine Position, um die Verwendung alltäglicher Produkte einzuschränken, von denen er glaubte, dass sie sich negativ auf das Leben seiner Wähler auswirkten, ob sie es wollten oder nicht.
Auch in seinem Kampf gegen Plastik ist Bloomberg unerbittlich. Die zusätzlichen 500 Millionen US-Dollar, die er zugesagt hat, sollen dazu verwendet werden, seine Bemühungen um die Schliessung von Kohle- und Gaskraftwerken im ganzen Land fortzusetzen und saubere Energieprojekte zu fördern. Und er sei bereit, noch mehr auszugeben, um den Bau neuer petrochemischer Anlagen zu bekämpfen.
«Ich glaube nicht, dass wir das tun sollten, nur weil es wirtschaftlich gut für uns ist, wenn es Menschen tötet», sagte er.
Er wies Bedenken zurück, dass seine Bemühungen das Wirtschaftswachstum in Gebieten fern von New York einschränken könnten. «Die Menschen sind innovativ», sagte er. «Wenn sie es auf diese Weise nicht schaffen, einen Gewinn zu erzielen, werden sie einen anderen Weg finden, ihn zu erzielen».
Allerdings werden auch die Milliarden von Michael Bloomberg die petrochemische Industrie nicht zum Verschwinden bringen. Gerade einmal fünf der geplanten 120 Anlagen sind bis heute blockiert worden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Womit hat Bloomberg seine 100 Milliarden gemacht? Bestimmt nicht mit Umweltschutz und Philanthropie. Wie ist sein Geld gerade angelegt? Pusht er durch seinen Aktivismus auch seine Gewinne? Wie erwirtschaftet seine Stiftung die von ihm dort geparkten Gelder? Bei Bill und Melinda wird kräftig in Aktien investiert – die verschenken keinen Cent. Wie schaut das bei Bloomberg aus? Tut mir leid, ich glaube einem Milliardär kein einziges Wort, vor allem nicht, wenn es in den USA soviele Arme, Unterernährte, Wohnungslose und chronisch Kranke wie nie zuvor gibt , sich das Einkommen immer weiter auseinander spreizt und Normalverdiener sich im illustren New York keine vernünftige Wohnung leisten können.
Seit rund drei Jahren befasse ich mich beruflich mit Plastikrecycling. Vor ein paar Tagen traf ich mich mit einem der grössten Plastikrecycler in der Schweiz. Wie er mir erzählte, hatte seine Firma 2021 das beste Ergebnis der Firmengeschichte, die letzten zwei Jahre allerdings waren die schlechtesten. Ursache ist die Ölindustrie, die gewaltige Mengen Öl in die Plastikproduktion pumpt, weil die «Fossilen» als Energieträger aus der Mode kommen. Das Problem dabei: es macht, vor allem in der CO2-Bilanz, kaum einen Unterschied, ob Erdöl direkt als Energielieferant verbraucht, oder zuerst als kurzlebige Plastikware in Umlauf gebracht und dann als Müll verbrannt wird. Das wird eben auch nicht besser, wenn diese Verbrennung wie in der Schweiz zur Energieerzeugung genutz wird. Was aber geschieht, ist, dass Plastikrecycling unrentabel bleibt, solange die Ölindustrie die Preise für den Rohstoff zur Plastikherstellung drückt. Bloombergs Initiative ist absolut richtig.
‹Philanthrop› ist eine euphemistische Falschbezeichnung für ‹Oligarch›.