Kreatives Versicherungs-Geschäft mit dicker Luft
Nicht schon wieder! Chinas verschmutzte Luft war in den letzten Wochen und Monaten nur allzu oft Thema in den Nachrichten. Was man dabei gerne ausblendet: Auch Mexiko-Stadt und Mumbai sind keine Luftkurorte. Von Paris, wie neulich zu lesen war, ganz zu schweigen. Trotzdem soll der Smog in Chinas Städten noch einmal thematisiert werden. Aus gegebenem Anlass.
Ein Dienstleister hat sich nämlich, wohl gereizt vom Feinstaub, etwas einfallen lassen. Die Volks-Versicherungsgesellschaft Chinas PICC offeriert den Bewohnerinnen und Bewohnern der Chinesischen Hauptstadt eine Smog-Krankenversicherung. Für eine Jahresprämie von 78 bis 154 Yuan Renminbi (ca. 13 bis 26 Franken) gibt es ein klein wenig finanzielle Sicherheit im Krankheitsfall. Werden bei einem Versicherten im Spital Atem- und Herzprobleme festgestellt, deren Ursache die Luftverschmutzung ist, erhält der Betroffene täglich 100 Yuan Renminbi während maximal 15 Tagen. Damit das Geld auch ausbezahlt wird, kommt es weniger auf den Feinstaub als vielmehr auf die Feindiagnose des behandelten Spitalarztes an.
Doch der Versicherungsschutz geht noch weiter. Sollte nämlich der Luft-Qualitäts-Index (AQI) an fünf aufeinanderfolgenden Tagen die Marke von 300 überschreiten, dann haben Versicherte Anspruch auf 300 Yuan Renminbi bar in die Hand. Auf den ersten Blick ein gutes Geschäft, denn im Stadtzentrum liegen die Messwerte häufig während Tagen über 300. Der Haken an der Sache: Der AQI muss an allen 12 Messstationen Pekings den Wert von 300 an fünf aufeinanderfolgenden Tagen überschreiten. Und da sei wahlweise das Politbüro oder der Herr im Himmel vor, denn dann wäre die Luft noch schlechter als sie eh schon ist. Von den 12 Messstationen stehen nämlich nicht alle im Zentrum sondern einige auch im relativ sauberen Berggebiet rund um die Hauptstadt. Die Chancen, die für den Schadenfall ausgelobten 300 Yuan Renminbi tatsächlich zu erhalten, stehen deshalb fast so schlecht wie ein Lotto-Sechser.
Smog-Versicherung für Touristen
Eine Möglichkeit, sich gegen die dicke Luft zu versichern, haben neuerdings auch Chinesische Touristen. Die Ping An Versicherungsgruppe hat zusammen mit dem Online-Reiseveranstalter Ctrip ein Profit versprechendes Päckli geschnürt. Wer bei Ctrip eine drei- bis siebentägige Reise bucht, kann für eine Prämie zwischen 10 und 15 Yuan Renminbi eine Smog-Versicherung abschliessen. Bei starker Luftverschmutzung gibt es eine Kompensation von 50 Yuan für jeden Tag mit trüber Luft.
Aktuell gibt es das Reiseangebot mit Smog-Schutz für sechs Grossstädte, die bei Touristen besonders beliebt sind. Für die sechs Städte gelten unterschiedliche Bestimmungen, damit die Versicherung 50 Yuan Renminbi pro Tag zahlen muss. In Peking und Xi’an muss der Luft-Qualitäts-Index über 200 liegen, in Harbin und Chengdu über 150 und in Guangzhou (Kanton) und Shanghai über 100. Das ist hart verdientes Geld, wenn man bedenkt, dass jemand extra zur weltberühmten Grossen Mauer reist, und dann im grauen Feinstaubnebel allenfalls die Umrisse der Mauer wahrnehmen kann.
Regenmacher sollen Mief vertreiben
Doch nicht nur Chinas grosse Dienstleister sind innovativ. Auch die Pekinger Stadtverwaltung, beziehungseise deren aktive Umweltbehörde, lässt sich nicht lumpen. Kein Wunder, denn eben hat Premierminister Li Kejiang am Nationalen Volkskongress den «Anti-Smog-Krieg» ausgerufen. Für umgerechnet fast vier Millionen Franken wird schon bald ein Verfahren aus der bürokratischen Trickkiste geholt, das sich im Jahr 2008 bereits einmal bewährt hat. Damals haben Chinesische Regenmacher vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking das Schlimmste verhütet und es wenige Tage vor den Spielen regnen lassen, dass es seine Art hatte. Die Eröffnungsfeier am 8.8.08 um 8 Uhr abends ging dann wie beabsichtigt bei bestem Wetter über die Bühne. Böse Gerüchteverbreiter behaupteten zwar, dass nicht die Regenmacher dafür verantwortlich waren, sondern vielmehr die chinesische Glückszahl 8.
Ihr Korrespondent in China hat übrigens die Smog-Krankenversicherung genauestens geprüft, aber das Angebot dann doch nicht angenommen. Eine Maske mit Kohlefilter und allem drum und dran für 29 Yuan Renminbi (ca. Fr. 4.50) aus dem Supermarkt schien nicht nur günstiger, sondern dürfte wohl auch sicherer sein.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Peter Achten arbeitet seit Jahrzehnten als Journalist in China.