Sperberauge
39 % mehr Sprit auf der Strasse
Unter dem Titel «Klimaschutz oder das Märchen vom 6-Liter-Auto» berichtete Infosperber letzten Sommer über den Treibstoffverbrauch von neuen Autos auf dem Prüfstand sowie auf der Strasse. Dabei stützten wir uns unter anderem auf die langjährigen Erhebungen des «International Council on clean Transportation» (ICCT), die den CO2-Ausstoss von in Europa neu zugelassenen Personenwagen auf dem Prüfstand und in der Praxis vergleichen; es handelt sich um die umfassendste Erhebung zu diesem Thema. Die damaligen Resultate:
- Die Differenz zwischen Prüfstand und Praxis im Jahr 2016 betrug 42 Prozent. Sie war seit 2001 (Differenz 9%) kontinuierlich angestiegen, weil die Autohersteller ihre Autos für den Prüfstand zunehmend optimierten, um die strengeren CO2-Vorschriften zu erfüllen.
- Umgerechnet auf hundert Kilometer Fahrt verbrauchte 2016 ein durchschnittlicher Neuwagen in der Schweiz auf dem Prüfstand 5,8 Liter Benzin, auf der Strasse aber 8,2 Liter, also in der Praxis 2,4 Liter/100 km mehr.
- Differenz zum Grenzwert Noch etwas grösser (2,5 Liter/100 km) war die Differenz des Praxisverbrauchs im Vergleich zu den zulässigen CO2-Grenzwerten, weil die zugelassenen Neuwagen in der Schweiz 2016 den CO2-Grenzwert (130 Gramm pro km) auf dem Prüfstand leicht überschritten.
Soweit die negativen Informationen.
Differenz 2017 von 42 auf 39 Prozent gesunken
Inzwischen gibt es aber eine – relativ – gute Nachricht: Die neuste ICCT-Erhebung (Update) über das Jahr 2017 zeigt: Die Differenz zwischen Prüfstand und Praxis hat entgegen dem langfristigen Trend und erstmals seit 2013 wieder leicht abgenommen. Die im Jahr 2017 neu zugelassene Autoflotte in Europa erzeugte auf der Strasse «nur» noch 39 Prozent mehr CO2 als auf dem Prüfstand (Vorjahr: 42%). Darüber informierten in den letzten Tagen auch NZZ und Tamedia-Zeitungen. Bei den 39 Prozent handelt es sich um den Durchschnitt aus mehreren Einzelerhebungen (siehe nachstehende Grafik).
Überträgt man die ICCT-Europaerhebung auf die Schweiz, dürfte sich der mittlere Spritverbrauch in der Fahrpraxis von 8,2 auf 8,1 Liter vermindert haben. Der Konjunktiv steht hier, weil die europäische und die schweizerische Neuwagenflotte nicht identisch sind.
So sind in der Schweiz die neu verkauften Autos im Schnitt schwerer und leistungsstärker als im übrigen Europa; darum überschritten sie den zulässigen CO2-Grenzwert auf dem Prüfstand 2017 erneut um drei Prozent. Grössere Autos legen im Schnitt mehr Kilometer zurück als Kleinwagen, die oft als Zweitwagen eingesetzt werden. Zudem ist die Differenz zwischen Prüfstand- und Praxisverbrauch bei grösseren Autos tendenziell höher, zeigen Einzelerhebungen.
Das Fazit bleibt damit unerfreulich: Der durchschnittliche Praxisverbrauch von Neuwagen in der Schweiz dürfte 2017 die Marke von 8 Litern/100 Kilometern weiterhin deutlich überschritten haben. Diese Neuwagen bleiben im Schnitt zehn Jahre im Verkehr.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Ja, toll: Wir Konsument:Innen sind noch viel genügsamer. Bereits die Reduktion auf 39 % Betrug in der Reklame löst bei uns Freuden-Tänze aus …
Es ist recht einfach, die Abweichung festzustellen: Website spritmonitor.de. Ich gebe meine Betankungsdaten seit über 10 Jahren dort ein. Mein Opel Meriva Jg 2008 ist jetzt auf knapp 7 lt/100km eingependelt – Energieetikette damals: B, heute wohl ca. D. Der angegebene Werksverbrauch damals war 6.7 lt. Aber: wenn ich den Vergleich mit andern baugleichen Fahrzeugen bei spritmonitor.de mache, sehe ich grosse Abweichungen, die wohl vor allem auf die weitgehend fehlenden Tempolimiten in D zurückzuführen sind. Allgemein ist es interessant, dort bei neuen Fahrzeugen die Differenzen zu ermitteln.
Es stellt sich die Frage, inwieweit wir als KonsumentInnen diese Abweichung eines zugesicherten Leistungsmerkmals juristisch einklagen, d.h. auf Behebung oder Minderung pochen könnten. Gibts da allenfalls schon Präzedenzfälle?
Die Branche hat es sich offenbar zum Ziel gesetzt als Nachfolgeorganisation der Rosstäuscher zu gelten.
Allerdings hat auch ein nervöser Fuss durchaus seinen Anteil daran. Nach einer entsprechenden Schulung konnte ich in der Vergangenheit die angegeben Werte auch unterbieten.
Mein Zafira B habe ich nach 2011 nach 58’349 km weitergegeben. Katalogwert 7.2 Liter pro 100 km – eigener Verbrauch über die genannte Strecke: 7.06 Liter
Mein Peugeot 308 SW war mit 4.9 Liter pro 100 km gelistet. 2016 nach 55’359 km waren es 4.79 Liter Verbrauch auf 100 km.
Mein elektrischer BMW i3 liegt nach 32’622 km bei 15.02 kWh/100 km. Allerdings hat mich der Range Extender zweimal an die Tankstelle getrieben und ich habe noch 8.26 Liter Benzin «nachgeladen». Im wesentlichen ist dieser Benzin Verbrauch auf die Laufzeiten von 10 min des Range Extenders alle 6 Wochen zurückzuführen, der zwangsweise gestartet wird, damit das Öl wieder mal durchgewirbelt wird. Die 12.9 kWh Herstellerangabe habe ich ganz bewusst diesmal nicht erreichen wollen. Viel lieber fahre ich den anderen traditionell angetriebenen Fahrzeugen an den Ampeln und im Gebirge weg. Meine persönliche Demo für mehr Elektromobilität.
Und im Winter habe ich es denn auch gern etwas warm im Fahrzeug.
Aber auch an diesem Beispiel sieht man: Ein Stück weg hat der Fahrer es auch in der Hand – bzw. am Fuss.