Kleinwagen verschwinden – bald gibt es nur noch Geländewagen
Die Geländewagen-Palette von VW ist eindrücklich. Sie umfasste bisher acht Modelle: Taigo, T-Cross, T-Roc, Tiguan, Tiguan Allspace, ID.4, ID.5 sowie Tuareg. Und nun schiebt VW auch noch den Tayron nach.
Kleinwagen? Interessieren VW nicht mehr. Den Lupo, der seinerzeit mit drei Litern Diesel auf 100 Kilometer auskam, gibt es seit 2005 nicht mehr. Für den Nachfolger Fox war 2011 Schluss. Und für dessen Nachfolger Up 2023.
Der Polo ist grösser als früher der Golf
Heute gibt es bei VW nur noch ein Modell, das die Bezeichnung Kleinwagen einigermassen verdient: den Polo. Das Modell gibt es seit 50 Jahren. Zu Beginn wog der Polo 700 Kilo – heute fast das Doppelte. Damals war er 3,55 Meter lang – heute einen halben Meter länger. Und damals war er 1,56 Meter breit – heute ist er 20 Zentimeter breiter. Der Polo ist inzwischen grösser und schwerer als seinerzeit der Golf.
Ford Fiesta, Citröen C1, Smart Fortwo – alle verschwunden
Wirkliche Kleinwagen sind gerade am Verschwinden. Viele Modelle gibt es schon jetzt nicht mehr als Neuwagen:
- Opel hat die Produktion des Adam und des Karl 2019 eingestellt.
- Ford gab den Ka 2020 auf.
- Bei Skoda liefen Mitte 2021 die letzten Citigo von den Bändern.
- Gleichzeitig stoppte Seat die Produktion des Schwestermodells Mii.
- Anfang 2022 war Schluss für den Citroën C1.
- Im gleichen Jahr stellte Peugeot die Produktion des 108 ein.
- Mitte 2023 schickte Ford den Fiesta in Rente.
- Ende 2023 rollte – wie schon erwähnt – der letzte VW Up von den Bändern.
- Und letzten März fiel auch der Vorhang für den Smart Fortwo. Eigentlich gibt es den Smart ja noch immer. Nur stammt er jetzt aus China, ist 1,80 Meter länger und eine Tonne schwerer als der Vorgänger. Vor allem aber: Er kostet fast 35’000 Franken.
Infosperber wollte von VW in Wolfsburg wissen, warum der Konzern keine Kleinwagen mehr baut. VW ist mit einem Marktanteil von genau zehn Prozent der wichtigste Hersteller für den Schweizer Markt. Doch VW hat die Fragen von Infosperber nicht beantwortet.
Geringe Marge, kleiner Gewinn
Deshalb erklärt Infosperber, warum immer mehr Autohersteller die Produktion von Kleinwagen aufgeben: Die Margen und der Gewinn sind kleiner als bei grossen Autos. Denn die Sicherheitsanforderungen werden auch für Kleinwagen immer strenger. Konkret: Seit dem 7. Juli letzten Jahres müssen neu zugelassene Autos über diverse Sicherheitseinrichtungen verfügen: Notbremsassistent, Spurhalteassistent, Geschwindigkeitsassistent, Müdigkeitserkennung, Rückfahrassistent, Blackbox und Kopfaufprallschutz.
Zudem müssen diese Systeme so beschaffen sein, dass sie sich nicht dauerhaft ausschalten lassen. Oder anders gesagt: Sie müssen sich bei jedem Neustart selber aktivieren.
Ein weiteres Problem sind die Abgasvorschriften. Die EU verschärft im Moment laufend die Euro-6-Abgasnorm, bis dann Ende 2026 die neue Euro-7-Norm in Kraft tritt. Sie wird nicht nur die Menge der zulässigen Abgase regeln, sondern auch des Abriebs von Pneus und Bremsen. Gegenüber der deutschen «Bild»-Zeitung bestätigte ein VW-Sprecher: «Auch im Hinblick auf die kommende Euro-7-Abgasnorm haben wir uns für das Auslaufen der Produktion entschieden.»
Für VW ist offenbar der Aufwand für die nötigen Verbesserungen bei Sicherheit und Sauberkeit zu gross.
Das Kleinwagen-«Sterben» geht weiter
Mit dem Kleinwagen-«Sterben» geht es weiter: Demnächst ist auch Schluss für den Audi A1, den Mitsubishi Space-Star und den Renault Twingo. Andere Kleinwagen wie der Suzuki Ignis und der Suzuki Jimny werden zwar weiterhin hergestellt, gelangen aber nicht mehr nach Europa.
Suzuki sagt dazu, die Produktion des Ignis und des Jimny für Europa sei deshalb eingestellt worden, weil diese Modelle die Sicherheitsanforderungen «nicht mehr erfüllen». Verschiedene Medien berichten, dass das Aus für die beiden Suzuki-Modelle auch wegen der Abgasvorschriften kam.
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Die Kleinwagen verschwinden also. Und gleichzeitig setzen die Geländewagen ihren Siegeszug fort – oder besser gesagt: Pseudo-Geländewagen. Das zeigt nicht nur die eingangs erwähnte Modellpalette von VW – das zeigt auch die Verkaufsstatistik.
Sechs Geländewagen unter den acht Meistverkauften
Zuoberst in der Gunst der Autokäufer standen letztes Jahr der Tesla Y und der Skoda Octavia. Doch danach folgten gleich sechs Geländewagen: VW Tiguan, Mercedes GLC, BMW X1, Audi Q3, Skoda Karoq und Skoda Kodiaq. Damit verdienen Hersteller, Importeure und Händler viel Geld. Inzwischen zahlen Autokäufer in der Schweiz für einen Neuwagen im Schnitt über 50’000 Franken.
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Dabei sind Geländewagen nicht einmal praktisch. Sie sind unübersichtlich, lang und breit. Oft sind Parkfelder zu klein dafür. Warum so viele Geländewagen gekauft werden, ist unklar. Möglich ist, dass die Hersteller über das Angebot die Nachfrage beeinflussen. Ebenfalls möglich ist, dass die Nachfrage nach den Kolossen tatsächlich gross ist.
Auch die Kleinen werden teuer
Teurer werden auch die Kleinwagen – sofern es sie überhaupt noch gibt. Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) hat das am Beispiel des Hyundai i10 aufgezeigt.
Im September 2022 kostete der Kleinwagen in Deutschland noch 11’410 Euro. Kurz darauf wurde der Verkauf eingestellt. Im Sommer 2023 kam er – optisch leicht aufgefrischt– wieder auf den deutschen Markt: für 15’990 Euro. Inzwischen kostet er 16’990 Euro.
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Auch andere Hersteller produzieren noch Kleinwagen – aber häufig nur mit Elektroantrieb. Das verteuert die Autos. Zudem ist die öffentliche Ladeinfrastruktur in der Schweiz noch immer ungenügend. Es gibt nur etwa 15’000 Ladestationen. Und dies bei einem Bestand von rund 210’000 Elektroautos und über 100’000 Plug-in-Hybriden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Man müsste einen Teil der Steuern für Autos – nebst Hubraum und Gewicht – auch nach ihrem gesamten, benötigten Volumen, also Länge/Breite/Höhe, berechnen – und siehe da, es würden wieder mehr kleinere Autos verwendet!? In naher/mittlerer Zukunft, wird die Frage gestellt werden müssen, inwieweit es tragbar ist, dass man als Person von 60 – 120Kg Körpergewicht, ein Gewicht mit 1,2 – 2,5 Tonnen mitbewegt? (NB.: Ich bin kein Grüner!)
Zu viel Regulierung, zu wenig Kundeninteresse. Die Entscheide der Hersteller sind unternehmerisch folgerichtig. Zumindest bei der Regulierung hätte es die EU in den Händen gehabt!
Nicht zu viel Regulierung, sondern zu wenig, oder die falsche Regulierung!
Wenn Sicherheitssysteme und extrem verschärfte Normen dazu führen, dass nur noch sinnlos überdimensionierte Personenwagen, vulgo zivile Schützenpanzer, produziert werden, verunmöglicht dies die Bemühungen nach grösserer Umweltverträglichkeit des Autoverkehrs. Völlig absurd. Selber im Downsizing nun bei einem VWup angelangt, vermissen wir nichts an Komfort, Zuverlässigkeit, Stauraum und Reichweite dieses pfiffigen kleinen Autos – bei mittlerem Verbrauch von knapp über 4 Liter pro 100 km.
Willkommen im Spätkapitalismus! Zum Zweck der Profitmaximierung buchstäblich um jeden Preis werden der Verschleiss und die Verschwendung aller möglichen Ressourcen so lange gesteigert, bis sie an ihre “natürliche” Grenze stossen; das wird sehr schmerzhaft und hässlich (Kohei Saito: “Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus” ISBN 978-3-423-28369-4)
Ich behalte mein 17 Jahre altes Auto. Dies kann ich selber reparieren und läuft nach über 310`000 km immer noch einwandfrei. Zudem ist es sehr sparsam im Verbrauch und Unterhalt.
Ich verstehe nicht warum man immer neue Modelle und neue Schikanen bauen muss. Zuerst sollte doch die Qualität vieler Produkte verbessert werden.
Weiter verstehe ich die Hersteller, wenn diese unrentable Produkte einstellen. Die Politiker von links – grün haben ja alles gemacht um die Hersteller in die Knie zu zwingen die Quittung kommt jetzt und mit dieser die Arbeitslosen (zumindest in Deutschland).
Oh weh! Die armen Autohersteller werden von den bösen Linken und Grünen in die Knie gezwungen, zum Glück haben das die bösen Linken und Grünen noch nicht ganz geschafft — Echt jetzt? Ist das Ihr Problem?!
In grossen Wagen fühlt sich Mensch eben bedeutender. Das verhilft den Herstellern zu mehr Profit. Das ist heutzutage das einzige, was zählt. Vernunft ist out. Das lernte auch die Politik. Jeder schwatzt ein Programm vor sich hin, wiederholt auch falsche Thesen in Dauerschleife, bis es Mensch glaubt. Glauben kann Mensch alles. Nur löst das noch keine Probleme und deshalb gibt es so viele.
Zitat: «Möglich ist, dass die Hersteller über das Angebot die Nachfrage beeinflussen. Ebenfalls möglich ist, dass die Nachfrage nach den Kolossen tatsächlich gross ist.»
Statt «möglich» wäre «sicher» am Platz. Bei Konsumgütern steuert das Angebot die Nachfrage, weil kein Mensch etwas verlangt, das es gar nicht gibt. Es wird gekauft, was angeboten wird oder was der Nachbar vorzeigt 😉
Echte Kleinwagen gibt es nach wie vor, aber nur in Japan und China. Japan hat 1949 die Kleinwagenklasse K-car gesetzlich festgelegt mit Beschränkungen für Dimension und Leistung. Dafür erhalten solche Fahrzeugbesitzer (fast die Hälfte aller Autos in Japan) Vergünstigungen/Vorteile (kein Parkplatznachweis, tiefere Steuern usw.)
Diese K-cars sind top ausgerüstet, wie grössere Autos. Alles ist da von Klimaanlage bis Rundumkamera. Kein Wunsch bleibt offen.
Aber Europa als US-Kolonie orientiert sich geistig nach Westen. Somit lassen sich hier keine praktische, kleine Autos verkaufen. Traurig.