in memoriam hpg: Der Partner innerer Dialoge
Wenn er etwas nicht mochte, dann «Guggi» genannt zu werden. Wenn ich etwas nicht mochte, dann seine nassen Züge von meiner Zigarette. Ersteres hat er mir immer mal wieder gesagt (weil mir das «Guggi» immer mal wieder rausrutschte). Letzteres behielt ich für mich (ich ermunterte ihn bloss, sich doch eine ganze Zigi zu nehmen).
Das umschreibt meine Beziehung zu Hanspeter ganz gut. Man musste vorbereitet sein, wenn man ihn kritisieren wollte oder sich an einer seiner Handlungen störte. Denn er fragte nach, hartnäckig. Und das war nicht immer angenehm.
Unser Verhältnis war jenes eines Redaktors zum freien Mitarbeiter. Und doch auch mehr. Er sah mich lange als Bruder im Geiste, was die ökologische Grundeinstellung betraf. Im Gegensatz zu ihm war meine mehr Behauptung als gelebte Wirklichkeit. Ich enttäuschte ihn. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen.
Wir hatten immer wieder zusammen zu tun. Als ich Redaktor bei der damaligen «Bündner Zeitung» (heute «Südostschweiz») war, Inlandchef bei der «Berner Zeitung» und dann Chefredaktor wieder bei der «Südostschweiz», immer wieder kreuzten sich unsere Wege. Immer war er präsent im Blatt. Und meist so, wie er es für richtig hielt.
Versuche, ihm solch modisches Zeugs wie Storytelling schmackhaft zu machen oder die Notwendigkeit, die Leser- auch als Kundschaft zu sehen, auf deren Bedürfnisse wir eingehen müssten, liess er mit einem mitleidigen Lächeln über sich ergehen. Als kleines Zugeständnis an den Zeitgeist markierte er in seinen Texten Kürzungsvorschläge oder gliederte manchmal sogar einen Aspekt in eine Box aus.
Er dachte in ganz anderen Kategorien. Er war Journalismus pur. Ihn interessierte die Reinheit der Information, nicht deren Verpackung. Und er war Hanspeter pur. Leidenschaftlich, eigensinnig. In einem Gefüge einer Redaktion festzusitzen und womöglich noch den Launen eines Verlegers ausgesetzt zu sein, hätte er nicht ertragen. Seine Unabhängigkeit war ihm heilig. Sein moralischer Kompass stark. Seine Urteile deutlich.
Sehr oft habe ich mich gefragt, was nun Hanspeter von mir denken würde. Bei Personalentscheiden, die ich treffen musste, zum Beispiel. Oder beim Entscheid, als Chefredaktor der «Basellandschaftlichen Zeitung» ins Reich von Peter Wanner zu wechseln, der ihm ein Schreibverbot erteilt hatte. Ich habe ihn nie gefragt, kannte aber seine Antworten dennoch.
Ich nahm seine Kritik stets ernst, die ausgesprochene und die vorgestellte. Ich glaube, es hätte ihm gefallen, wie präsent er in meinem Leben war – als Partner meiner inneren Dialoge. Nur umgekehrt, da hatte er nicht immer Musikgehör. Meine partielle Kritik an «seinem» Infosperber – das peinliche Interview mit «Friedensforscher» Daniele Ganser, die unverfrorene Russland-PR – liess er nicht nur nicht gelten, er liess sie gar nicht erst zu.
Irgendwie beruhigend, dass auch Hanspeter nicht immer trank, was er predigte.
Ich vermisse ihn.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
David Sieber ist Journalist und lebt in Basel. Er war Chefredaktor von «Die Südostschweiz» (bis 2015), «Basellandschaftliche Zeitung» (bis 2018) und «Schweizer Journalist» (bis 2021).
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Ja, ein Verlust, ich vermissen ihn auch.
Ein forschender Journalist, kein Märchenerzähler – neudeutsch Schtoriteller.
In dankbarem Andenken!
Es bräuchte eigentlich nicht sehr viel, um «in ganz anderen Kategorien» zu denken, aber es scheinen immer weniger zu sein, die das tun.
Traurig stimmt mich, dass der Autor im Vorbeiweg (hier ziemlich unpassend) dem infosperber noch eins auswischt. Das sogenannt «peinliche» Interview mit Daniele Ganser, das Hanspeter Guggenbühl offenbar verteidigt hat, ist hier nachzulesen: https://www.infosperber.ch/politik/welt/14-fragen-plus-nachfragen-an-daniele-ganser/ . Ich sehe da gar nichts Peinliches.
@ Ueli Schlegel,
Ganz meine Meinung.
Das verlinkte Interview verdanken wir Urs P. G.
Ich suchte das «peinliche» Interview von hpg leider vergeblich.
Als Abonent des «Sarganserländers» mit dem Mantel der Südostschweiz, las ich jeweils mit grossem Interesse Guggenbühls Beiträge. Ich fand diese durchwegs gut fundiert, journalistische Präzisionsarbeit und eben nicht unterforderndes Storytelling!
Gut und fair, dass die Redaktion den Seitenhieb inkl. «PR» stehen liess. Und die Artikelfolge für hpg. ist ausgezeichnet, kritisch und berührend.