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Montieren von Solarzellen auf einem Geschäftsdach © yoursunyourenergy/Flickr

Ökostrom ist gut, weniger Strom ist besser

Hanspeter Guggenbühl /  Wer Ökostrom kauft, beruhigt sein grünes Gewissen und verbilligt den Atomstrom. Ein bisschen hilft's auch der Natur.

Die Elektrizität, die aus Schweizer Steckdosen strömt, stammt zu 34 Prozent aus Wasserkraft, zu 2 Prozent aus anderer erneuerbarer Energie und zu über 60 Prozent aus Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken. Das zeigt eine Studie des Bundesamtes für Energie (BfE) aus dem Jahr 2007. Dieser Konsummix unterscheidet sich vom nationalen Produktionsmix (55 % Wasserkraft, 40 % Atomkraft), weil die Schweiz einen Teil ihrer Elektrizität aus Wasserkraft exportiert und auf der andern Seite zusätzlichen Atom- sowie Kohlestrom importiert

Zehn Prozent als Ökostrom verkauft

Von Durchschnitt-Mix haben sich Firmen und Haushalte mit einem Verbrauchsanteil von bereits zehn Prozent abgekoppelt; das zeigt die neuste Erhebung des BfE über «den Marktanteil von Stromprodukten aus erneuerbare Energie im Jahr 2009»: Diese Konsumentinnen und Konsumenten ordern also bei ihrem Elektrizitätswerk einen speziell gekennzeichneten Strom aus erneuerbarer Energie und zahlen dafür einen mehr oder weniger hohen Mehrpreis.

Die meist mit den Labels «Naturmade» oder «TÜV» zertifizierten Stromprodukte tragen Werbenamen wie «Purepower Graubenünden» «1 to 1 Energy Water-Star», «Solartop», «Natursrrom Blue» und andere. Seit der Atomkatastrophe in Japan hat der Run auf diesen sogenannten Ökostrom weiter zugenommen, konstatieren Elektrizitätsunternehmen übereinstimmend. .

Physikalisch erhalten Ökostrom-KundInnen die gleiche Mischung wie alle andern. Buchhalterisch aber muss der Lieferant nachweisen, dass er mindestens gleich viel erneuerbaren Strom ins Netz einspeist, wie er verkauft. Folge: Die zehn Prozent Strom aus erneuerbarer Energie – zu über 90 Prozent aus Wasserkraft –, die in der Schweiz unter irgend einem Ökostrom-Label verkauft werden, fallen aus der Buchhaltung des Mixstroms heraus. Der Mixstrom wird damit atom- und fossil-lastiger – und ist im Vergleich zum erneuerbaren Strom etwas billiger.

Atomanteil im Mixstrom steigt

Daraus ergibt sich die erste Wirkung: Konsumentinnen und Konsumenten, die auf erneuerbare Stromprodukte umsteigen, erhöhen buchhalterisch den Anteil von Atom- und Kohlestrom im übrigen Strommix und leisten damit einen – kleinen – Beitrag zur Quersubventionierung dieses billiger angebotenen nuklearen oder fossilen Stroms. Entschädigt werden sie dafür mit dem guten Gewissen, selber keinen Atom- oder Kohlestrom zu konsumieren. Ökostrom dient also primär der eigenen Psychohygiene.

Zweitens sorgen Bezüger von Ökostrom hinter der Kommastelle dafür, dass der physikalische Strommix insgesamt etwas ökologischer wird. Das gilt jedenfalls für die Kundinnen und Kunden der meisten städtischen Elektrizitätswerke (EWZ, IWB, etd.) sowie der Berner BKW, die Ökostrom-Produkte mit dem Label «Naturmade» beziehen: Für jede Kilowattstunde (kWh) «Naturmade-Star»- Strom aus Wasserkraft wird ein Rappen abgezweigt, um Projekte zur ökologischen Aufwertung von Gewässern und andern Naturräumen zu finanzieren. Pro Jahr ergibt das eine Fördersumme von acht Millionen Franken.

Ferner müssen die Verkäufer von allem «Naturmade»-Strom (»Star» und «Basic»), der mehrheitlich aus Wasserkraft stammt, dafür sorgen, dass zusätzlicher Strom aus «neuen erneuerbaren» Energieträgern ins Netz eingespeist wird. Damit lassen sich schätzungsweise 100 Millionen kWh Strom aus Biomasse-, Solar- und Windkraftwerken fördern; das sind knapp 0,2 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs.

Weniger Strom bringt mehr

Grösseren Einfluss auf das Angebot können Konsumenten und Konsumentinnen erst dann erreichen, wenn ihre Nachfrage nach Strom aus erneuerbarer Energie oder nach einzelnen erneuerbaren Produkten das erneuerbare Angebot übersteigt. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder meldet das betreffende Stromunternehmen «Ausverkauft», womit die Kundschaft beim Mixstrom bleiben muss. Oder es versucht, sein Angebot an Ökostrom auszuweiten, etwa durch den Kauf von Windstrom-Zertifikaten aus Deutschland.

Die Wahl von Ökostrom ist also gut – erstens fürs Gewissen, zweitens allenfalls ein bisschen für die Natur. Wer sich wirkungsvoll vom Atomstrom verabschieden will, erreicht allerdings mehr, wenn er seinen Konsum an Öko- oder Mixstrom vor der Kommastelle reduziert. Dass dies möglich ist, zeigen Verbrauchsprofile von vergleichbaren Haushalten: Sparsame Haushalte brauchen nur einen Drittel so viel Strom wie verschwenderische.

Die Reduktion des Stromverbrauchs lässt sich sowohl mit dem Einsatz von effizienteren Geräten als auch mit Suffizienz erreichen. Suffizienz heisst mehr Lebensgenuss mit weniger Stromfressern.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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