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Stromdrehscheibe Schweiz funktioniert auch ohne bilateralen Vertrag © swissgrid

Verhandlungen über Stromvertrag ausgesetzt

Hanspeter Guggenbühl /  Nach sieben Jahren gibt es eine Verhandlungspause zum bilateralen Stromvertrag mit der EU. Das ändert wenig.

«Das Volks-Ja zur Zuwanderungsinitiative hat erste konkrete Folgerungen in der Beziehung zur EU: Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die Verhandlungen zum Stromabkommen ausgesetzt.» Das meldete gestern Dienstag die Nachrichtenagentur sda. In einer Medienmitteilung bedauert der (Dach-)Verband Schweizerischer Stromunternehmen den «nicht unerwarteten Entscheid der EU-Kommission, als Folge des Ja zur SVP-Initiative ‹Gegen Masseneinwanderung’». In einem Interview mit der NZZ von heute Mittwoch sagte Walter Steinmann, Direktor des Bundesamtes für Energie, der die Verhandlungen mit der EU-Delegation über ein Stromabkommen seit 2007 führt: «Es droht aber weniger eine sofortige Verschlechterung für die (Strom-) Firmen, sondern ein langsames Ausklinken aus dem europäischen Markt.»

Weit vom Ziel entfernt

Die Meldungen zu den Verhandlungen zum Stromabkommen, die sich angeblich «auf der Zielgeraden» bewegten reihen sich ein in die «Ungewissheiten», «Ängste», «Bedenken», «Sorgen» und Aufreger, welche die Medien verbreiten, seit 50,3 Prozent der Abstimmenden der SVP-Initiative zugestimmt haben. Doch unabhängig von diesem Entscheid hing der bilaterale Stromvertrag mit der EU schon früher in der Luft. Denn die Schweiz erfüllt mehrere Bedingungen nicht, welche die EU an den bilateralen Stromvertrag stellte:

  • Dazu gehören die indirekten Beteiligungen von Schweizer Stromunternehmen an Atomkraftwerken in Frankreich, die langfristige Bezugsverträge für französischen Atomstrom beinhalten. Der Umstand, dass der Transport dieses Atomstroms in die Schweiz ein Netzprivileg geniessst, akzeptiert die EU nicht.
  • Nicht kompatibel ist auch die unvollständige Öffnung des Schweizer Strommarktes. «Der Weg der Schweiz zum europäischen Strommarkt ist mit vielen Stolpersteinen gepflastert», schrieb Infosperber deshalb schon am 14. Januar.

Es geht auch ohne Vertrag

Die Schweiz ist seit Jahrzehnten in den europäischen Grosshandelsmarkt integriert. Sie bildet die Drehscheibe für den internationalen Stromaustausch. Diese Rolle wird sie dank ihren hohen Transportkapazitäten, ihrem hohen Anteil an Kraftwerken in ganz Europa und ihrer Spezialisierung auf die Produktion von Spitzenstrom bewahren, unabhängig davon, ob die Marktintegration mit einem bilateralen Vertrag besiegelt wird.

Diese Einschätzung teilte früher schon der Verwaltungsrats-Präsident der Schweizer Stromhandelsfirma Alpiq, Hans E. Schweickardt. An der Medienkonferenz der Alpiq vom 6. März 2012 sagte Schweickardt: «Wir sind an einem Abkommen (mit der EU) interessiert», aber: «Sollte es wegen institutioneller Fragen zu keiner Einigung kommen, dann ist das zu akzeptieren. Der Strom fliesst nach physikalischen Gesetzen und auch ohne Abkommen, wohl einfach etwas komplizierter.»

Kein Einfluss auf Energiewende

Bleibt die Frage, ob das Scheitern des Stromabkommens die Schweizer Energiestrategie gefährde, wie das einige Leute jetzt behaupten. Eher das Gegenteil ist der Fall. Denn ein Ziel der Energiestrategie 2050 besteht darin, die Abhängigkeit der Schweiz von Energieimporten zu reduzieren. Grüne und Linke plädieren darum für eine dezentralere Stromversorgung. Die grossen Schweizer Stromkonzerne hingegen bauen weiterhin auf eine weiträumige arbeitsteilige Stromversorgung, um ihr bisheriges Geschäftsmodell zu retten.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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3 Meinungen

  • am 12.02.2014 um 14:17 Uhr
    Permalink

    Danke fuer diese Praezisierungen. Es wird alles nicht so heiss gegessen, wie es von der EU gekocht wird. Dass wir heute noch nicht weiter sind mit diesem Abkommen, dafuer kann sicherlich nicht die SVP verantwortlich machen!

  • am 13.02.2014 um 15:05 Uhr
    Permalink

    Die dominierende Stromhandelslobby hat sehr wohl etwas mit der SVP zu tun.
    An meinem Wohnort hat die BKW das Monopol. Die Strategie ihres SVP-gesteuerten Verwaltungsrates trägt die unmissverständlich feudalen Züge dieser Partei: eigene Grossanlagen walzen kleine mit viel Propaganda nieder. So lässt man Stromlieferanten mit kleinen PV-Anlagen mit unsorgfältig formulierten, missverständlichen Angaben auf viel Papier ins Leere laufen. Von oben herab wird mit Versorgungssicherheit argumentiert, wo es in Wirklichkeit um den eigenen Unternehmensgewinn geht. Versorgungssicherheit mit Atomstrom dank umstrittenen Verträgen? Mit eigenem, dezentral gewonnenem Strom würde ich mich sicherer fühlen. Aber haben Sie schon einmal einen SVP-ler gehört, der Schweizer Energie fordert und Benzin, Dünger und schmutzigen Strom reduzieren möchte?

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