Neuartiges Wellenkraftwerk erzeugt Strom durch Unterdruck
Wer schon einmal an einer Steilküste stand, der kennt die ungeheure Wucht, die Meereswellen entfalten können. Schon lange versuchen Technologieunternehmen, diese Kraft zur Energiegewinnung zu nutzen. Bisher mit mässigem Erfolg. Ein neues Konzept aus Australien hat nun eine erfolgversprechende einjährige Testphase hinter sich.
Das kleine Wellenkraftwerk vor der Küste von King Island ist ein grau-gelber, im seichten Wasser am Ufer verankerter Betonblock. King Island ist eine Insel am südlichen Ende Australiens, die zu Tasmanien gehört. Und die Einfachheit der Struktur ist einer der grossen Vorteile des Minikraftwerks.
Unscheinbarer Betonklotz mit simplem Aufbau
Das Wellenkraftwerk am anderen Ende der Welt besteht tatsächlich aus wenig mehr als einer Betonbasis und einer Turbine. Es generiert seit einem Jahr Energie für die Insel und versorgt um die 200 Haushalte.
Sein Funktionsprinzip ist denkbar einfach: Jede Welle strömt in einen nach oben offenen Kanal. Wenn sie sich wieder zurückzieht, wird die Luftzufuhr gekappt, dadurch entsteht ein Unterdruck. Angesaugte Luft treibt eine Turbine an, die so bei jeder neuen Welle Strom generiert.
Die Turbine von «UniWave 200» wird also nicht mit Wasser, sondern mit Luft angetrieben. Der simple Aufbau macht die Pilotanlage unempfindlich gegen Pannen und Umwelteinflüsse. Nur wenige Teile kommen direkt mit aggressivem Meerwasser in Berührung. Ausserdem ist sie umweltfreundich, weil es keine beweglichen Teile gibt, die Meeresorganismen schaden können.
Den harschen Bedingungen im Kanal zwischen Australien und Tasmanien, der Bass Strait, hat «UniWave 200», wie der australische Hersteller Wave Swell Energy das Kraftwerk genannt hat, während eines Jahres gut standgehalten.
Fast die Hälfte der Wellenenergie wird zu Strom
Das Kleinkraftwerk speist seit einem Jahr Energie ins Netz der Insel und kann unter guten Bedingungen 200 Haushalte versorgen. Sowohl Julie Arnold, die Bürgermeisterin von King Island, wie auch der CEO von Wave Swell Energy sind sehr zufrieden mit dem Ozeankraftwerk. Die Anlage, die 12 Millionen australische Dollar gekostet hat, schöpft durchschnittlich 48 Prozent der Wellenenergie ab. Verglichen mit der Ausbeute anderer erneuerbarer Energiequellen sei das viel.
«Wenn die Anlage bei angemessenen Wellenbedingungen 40 Kilowatt Leistung erzeugt, könnte man die Energiemenge auf eine Größenordnung von einer Megawattstunde in einem Zeitraum von 24 Stunden hochrechnen», sagt der CEO von Wave Swell Energy in einem Interview. Unter guten Bedingungen sind bis zu 200 Kilowatt möglich. Das Kraftwerk produziere saubere Energie und mache die Insel unabhängiger, sagt Arnold. Auf den Inseln der abgelegenen Gegend werde diese Autonomie genauso begrüsst wie wie die Nachhaltigkeit der Stromerzeugung.
Bei der Installation sei es nicht das Ziel gewesen, möglichst viel Energie zu produzieren, betont Paul Geason, CEO des Technologie-Unternehmens, gegenüber ABC. Es sei hauptsächlich darum gegangen zu testen, ob das Konzept in der Praxis funktioniere. Nun könne es weiterentwickelt werden. Interessenten aus allen Teilen der Welt gebe es bereits.
Erfolg des Wellenkraftwerks folgt einer Pannenserie
Das ist nicht ganz selbstverständlich. Wellenkraftwerke schienen bisher unter einem schlechten Stern zu stehen. Fehlstarts gab es einige: 2010 riss sich ein australisches Wellenkraftwerk aus der Verankerung und sank. In Südafrika rostete jahrelang eine Turbine des gleichen Unternehmens vor sich hin, die 2014 gesunken war. Erst im vergangenen Jahr wurde mit Aufräumarbeiten begonnen. Andere Projekte seien an der Finanzkraft der beteiligten Unternehmen gescheitert, zählt ABC auf.
Das nächste Ziel sei es, die bewegliche Anlage, die an ihren Einsatzort geschleppt werden kann, grösser zu konzipieren, sagt Geason. Eine Verfünffachung der Leistung hält er für möglich, die Ausbeute hänge aber von lokalen Gegebenheiten ab. Die Kraftwerksanlage könne auch in Wellenbrecher und Seeschutzmauern eingebaut werden, berichtet das Portal «New Atlas». Das macht sie weltweit für Erosionsschutzprojekte interessant.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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