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In Sachen Nachhaltigkeit sind die Dörfer in Deutschland den Städten weit voraus. © congerdesign/Pixinio

Land überholt Stadt bei grünen Technologien

Daniela Gschweng /  Solarzellen, Windräder, Wärmepumpen und E-Autos sind nur was für linksgrüne Städter? Von wegen.

Die Energiewende ist auf dem Land besonders beliebt. Und die hitzigen Debatten um Wärmepumpen und Windräder haben die deutsche Bevölkerung weit weniger beeindruckt, als man meinen könnte. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der KfW-Bank.

Vier von fünf Befragten sprechen sich für grüne Technologien aus. Konkret: 82 Prozent der von Januar bis April befragten 6000 Haushalte unterstützen den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien. Das sind zwar etwas weniger als 88 Prozent im Jahr davor. Tief verunsichert scheinen die Deutschen trotz Ampel-Drama, Oppositionsschelte und «Heizungshammer»-Medienrummel aber nicht zu sein.

Seit der letzten Umfrage haben 1,2 Millionen Haushalte auf «Energiewendetechnologien» umgestellt. Das bedeutet, sie nutzen eine Photovoltaik- oder Solarthermieanlage, haben einen Batteriespeicher installiert, heizen mit Holzpellets, Kraft-Wärme-Kopplung (Nah- und Fernwärme) oder fahren ein E-Auto.

Insgesamt nutzt ein knappes Drittel (31 Prozent) der deutschen Haushalte mindestens eine dieser Technologien, 6 Prozent planen eine Anschaffung in den nächsten zwölf Monaten. Besonders beliebt sind derzeit Solaranlagen und Batteriespeicher.

Je ländlicher, desto grüner die Energie

Die Vorstellung, dass grüne Technologien vor allem in Städten beliebt sind, während man auf dem Land lieber an Altbewährtem festhält und gegen jedes Windrad klagt, erweist sich als Mythos. In ländlichen Gemeinden nutzt fast die Hälfte aller Haushalte eine Energiewendetechnologie – deutlich mehr als im deutschen Durchschnitt. Besonders stark war der Zuwachs im vergangenen Jahr jedoch in Mittelstädten.

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Dorf schlägt Stadt: In deutschen Landgemeinden werden nicht nur mehr nachhaltige Technologien genutzt, auch die Zunahme ist höher als in der Stadt.

Das Land ist dabei, die Städte im grünen Wettlauf hinter sich zu lassen. Warum das denn? Recht einfach: Es lohnt sich. Mindestens auf lange Sicht sind Wärmepumpen und Solardächer finanziell deutlich attraktiver. Als Hauptgründe für die Umstellung nennen die Befragten Kostenersparnis, Klimaschutz und Unabhängigkeit von Energieversorgern. Wer den nachhaltigen Umbau bisher nur plant, fügt noch die Wertsteigerung der Immobilie als Motiv hinzu. Um welche Technologie es geht, ist dabei oft zweitrangig.

«Die Leute sind nicht blöd», fasst Christian Stöcker in einem Kommentar für «Spiegel Online» zusammen. Oder anders gesagt: Wenn es ums Geld geht, schweigt die Ideologie.

Zum Teil sei der grüne Stadt-Land-Graben erklärbar, schreibt Stöcker weiter. In Städten seien viele Menschen Mieter und hätten deshalb wenig Einfluss darauf, wie ihre Wohnung mit Energie versorgt werde. Wer auf dem Land im Eigentum wohne, könne eher selbst entscheiden, wie er Energie gewinne und verwende. Die Entscheidung für grüne Technologien ist zudem nicht vorrangig eine Frage der Bildung: Die grösste Gruppe unter den Umrüstern hat einen Meisterabschluss, gefolgt von den Akademikerhaushalten.

Wer es sich leisten kann, setzt eher auf grüne Technologien

Nächste Überraschung: Im eher skeptischen Süden, also in Baden-Württemberg (28 Prozent), Bayern (42 Prozent), Hessen und Rheinland-Pfalz ist der Anteil der «Energiewendehaushalte» am grössten. Im deutschen Osten ist ihr Anteil deutlich geringer.

Die Umfrage zeigt an dieser Stelle aber auch, dass hinter der deutschen Energiewende ein Gefälle steht. Oder anders gesagt: dass die Energiewende sozial gerecht sein muss. Der Vorsprung der südlichen Bundesländer ist auch ein Vorsprung der Wohlhabenden – wer finanziell gut aufgestellt ist, wechselt eher.

Von den Haushalten des obersten Einkommensviertels nutzen rund die Hälfte grüne Technologien, im niedrigsten Einkommensquartil sind es nur 19 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Anteil der einkommensschwächeren Haushalte zudem kaum verändert.

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Anteil der Haushalte in den verschiedenen Einkommensgruppen, die mindestens eine Energiewendetechnologie nutzen. Gutverdienende (Q4) tun das mehr als doppelt so oft wie finanziell schlechter Aufgestellte (Q1).

Zwei Fünftel der Haushalte, die offen für grüne Technologien sind, gaben an, dass sie sich die Umstellung schlicht nicht leisten können.

Gerade die Haushalte, bei denen Energiekosten den relativ grössten Teil des Einkommens auffressen, werden also am wenigsten entlastet. Dazu lebten einkommensschwache Haushalte auch besonders oft in energetisch unvorteilhaften Gebäuden, sagt KfW-Ökonom Daniel Römer in einer Pressemitteilung der KfW.

Energiepolitik muss fairer werden

Ein Punkt, der der Politik Sorgen bereiten sollte: Der Anteil derjenigen, die die deutsche Energiepolitik als gerecht empfinden, ist seit der letzten Befragung merklich gesunken, besonders unter Haushalten mit geringem Einkommen. Die Zustimmung zur Energiewende hängt stark mit der Wahrnehmung von Gerechtigkeit in der Klimapolitik zusammen – und natürlich auch mit der Bereitschaft, Veränderungen tatsächlich umzusetzen.

Je fairer die Befragten die Klimapolitik empfinden, desto eher sind sie bereit, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach oder eine Wärmepumpe im Garten zu installieren. Ohne breite Zustimmung in der Bevölkerung wird Deutschland seine Klimaziele jedoch kaum erreichen.

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Anteil der Haushalte, die auf die Frage «Wie groß ist die Bereitschaft Ihres Haushalts, Einschnitte hinzunehmen, um die Energiewende voranzutreiben? Bitte verwenden Sie für Ihre Antwort eine Skala von 0 bis 10» mindestens 6 Punkte vergaben.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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