Der Fast-Blackout, den es nicht gab
Wer sich am 20. und 21. April auf ein sonniges, warmes Wochenende gefreut hatte, stand vielerorts im Schneegestöber. Der Schnee, der den ganzen Winter gefehlt hatte, war urplötzlich da.
Auch am 22. April schneite es kräftig und bis in tiefe Lagen. Chaos brach aus. Die Schweiz schlitterte knapp an der Katastrophe vorbei. Jedenfalls, wenn man «20min» Glauben schenkte. «Der Schweiz drohte am 22. April plötzlich ein Blackout», titelte das Boulevardmedium und zitierte dabei grösstenteils die NZZ. Bei genauer Betrachtung schmilzt der Blackout oder Fast-Blackout dahin wie Schnee in der Sonne.
Was war geschehen? Der Schnee hatte Solarpaneele zugedeckt. Kurzzeitig und überraschend fehlte damit Strom aus Solaranlagen. Diese machen im Schnitt etwa zwei bis vier Prozent der Schweizer Stromproduktion aus, zeitweise deutlich mehr (zum Beispiel hier live anzusehen). Es fehlte «die Produktion eines grossen Kernkraftwerkes wie zum Beispiel des Kernkraftwerks Leibstadt», so die NZZ.
Aus einer Routinesituation wird eine Fast-Katastrophe
Der Netzbetreiber Swissgrid ist auf solche Situationen vorbereitet. Jederzeit könne ein Teil der Produktion ausfallen, beispielsweise bei der Notabschaltung eines grossen Kraftwerks, erklärt das Unternehmen auf Nachfrage. Dennoch sind sie ärgerlich.
Der prognostizierte Strombedarf am Montag, dem 22. April, fiel für einige Stunden höher aus, die erwartete Produktion kleiner. Um Angebot und Nachfrage – also Produktion und Verbrauch im Stromnetz – wieder ins Gleichgewicht zu bringen, musste Swissgrid Strom zukaufen, was problemlos möglich war.
Davon profitierte der Schweizer Lieferant. Ein Stromhändler schätzte gegenüber der NZZ, dass es etwa 20 bis 30 Millionen Franken gekostet habe, die Lücke auszugleichen. Swissgrid kommentierte diese Zahlen gegenüber «Infosperber» nicht. Für 2025 rechne man mit einem Beschaffungsaufwand von 223 Millionen Franken, gibt das Unternehmen aber an.
Solarzellen waren gar nicht das Problem
Das Problem am 22. April sei auch gar nicht die Photovoltaik-Produktion gewesen. Stromlieferanten müssen für die zu erwartende Produktion «ihrer» Anlagen eine Prognose abgeben. Dabei beziehen sie auch Wetterdaten ein. Je aktueller und besser diese Prognosen sind, desto besser kann Swissgrid regeln. «Die Blackout-Schlagzeilen entstanden unabhängig von Swissgrid. Fälle wie der 22. April wären aber vermeidbar, wenn Swissgrid jeweils aktuelle Daten und Prognosen zur PV-Einspeisung erhielte», schreibt das Unternehmen.
Swissgrid bemängelt denn auch die Prognosegüte. Laut NZZ und Swissgrid hätten sich die Lieferanten an den Wetterprognosen vom vorhergehenden Freitag orientiert. Bei Swissgrid und NZZ wünscht man sich zweitens einen besseren und vor allem schnelleren Netzausbau. Dieser lahmt wegen langer Bewilligungsfristen – allerdings nicht nur in der Schweiz. Und drittens eine andere Marktgestaltung im europäischen Umfeld, also ein Stromabkommen mit der EU.
«Lage war nicht besorgniserregend»
Dieses hätte Swissgrid am 22. April jedoch gar nicht gebraucht. Der Ausgleich kam aus dem Inland. «Die Situation war nicht besorgniserregend», wird Swissgrid von der NZZ denn auch zitiert und betont dies auch «Infosperber» gegenüber. Es sei genug Regelleistung im Schweizer System vorhanden gewesen. Und wo war da dann der Blackout oder Fast-Blackout im ganzen Land?
Auch das KKW Leibstadt fällt übrigens hin und wieder aus. Jedes Jahr im Mai zum Beispiel, weil die Jahresrevision ansteht und Instandhaltungsarbeiten anfallen. Dies allerdings geplant.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) hält in seiner Gefährdungsanalyse eine Strommangellage für eines der grössten Risiken für die Schweiz – neben einem Ausfall des Mobilfunks und einer Pandemie. Als Ursache kommen schlechte Planung, Mangel an Energiequellen, beschädigte Infrastruktur, Fachkräftemangel, Extremwetterereignisse, Terror und Sabotage in Frage.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wenn man sich die Grafik ansieht, findet man offenbar einen Tag-Nacht-Rhythmus, wo sich Photovoltaik tags mit Laufwasser und Wind nachts abwechseln. Was ich nicht verstehe, dass Pumpspeicher auch nachts Strom ins Netz einspeisen (und tags hochgepumpt wird) obwohl diese Energieerzeugung doch als Puffer bei knapper Energieerzeugung zur Verfügung stehen müsste. Jeden Tag gibt es einen Stromüberschuss, der wohl in Nachbarländer fließt. Und die größten Problemtage sind aus meiner Sicht der 26. und 28. April. Nur am 25. und 27. April deckt die Stromerzeugung die Last ab.
Die Grafik ist nur erklärbar, wenn man die Geschäftsbedingungen des europäischen Strommarktes auch erläutert. Daher bin ich mit dem Artikel nicht zufrieden.
Dafür ist das Archivfoto mit unverschneiter Fotovoltaik und Alpen recht schön.